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Faust – Margarethe

Jacques Le Roux und Jihyun Cecilia Lee Foto: Jan-Pieter Fuhr

Ein musikalischer Genuss feiert nach zwei Jahren endlich Premiere in Augsburg

AJ-Kulturredakteurin Marion Buk-Kluger war dabei.

 

Ende März 2020 war sie ursprünglich datiert, die Premiere der Oper „Faust – Margarethe“ am Staatstheater Augsburg. Die Oper von Charles Gounod, die einst zur Eröffnung der Metropolitan Opera in New York und in der Geburtsstadt des Komponisten, Paris bis heute sogar 3000 mal gezeigt wurde, kam nun endlich im Martini-Park zur Aufführung. Inszeniert hat die Augsburger Variante Gastregisseur Jochen Biganzoli, der bereits 2008 für „Orpheus in der Unterwelt“ von Jacques Offenbach am Theater Augsburg wirkte.

„In Deutschland ist das Werk Gounods bis vor einigen Jahren nur unter dem Titel Margarethe gezeigt worden. Das wollten wir nicht. Der Faust hat zwar die größeren Partien, doch es ist die Geschichte von Margarethe. Daher haben wir bewusst den Doppeltitel belassen“, erklärt Dramaturgin Sophie Walz. Die ersten drei Akte stehen ganz im Zeichen von Faust, der bei Gounod weniger großer Philosoph und Wissenschaftler wie bei Goethe als vielmehr Partylöwe ist. Und so beginnt auch die Oper in den ersten Szenen am Ende einer großen Sause mit dem Opernchor und Extrachor als „betrunkener“ Männergesellschaft in schwarzen Fracks und Jacques Le Roux als Faust voller stimmgewaltiger Begierde nach der Jugend. Die wird ihm von Méphistophélès (in der Premiere von Alejandro Marco-Buhrmester als diabolischer Dandy hervorragend in Szene gesetzt) durch Margarethe in Aussicht gestellt. (Fast) Einzig sie  – überragend, ohne dem restlichen Ensemble seine Qualität absprechen zu wollen, von Jihyun Cecilia Lee verkörpert – bringt Farbkontraste via Kostüm und inhaltlich bezogen auf das Rollenverhalten auf die Bühne.

Ist sie anfangs scheu und gar glücklich vom edlen Herrn Faust entdeckt und verführt zu werden, wandelt sie die Opferrolle trotz des Schicksals geschwängert und verlassen zu sein in die einer starken Frau, die dem Faust am Ende sogar den Stinkefinger zeigt. Will heißen: ich schaffe es auch ohne Dich!

Natalya Boeva gibt den Siebel (Verehrer Margarethes) in den ersten drei Akten passend zum Männer dominierten Inhalt, der die Frau als bloßes Lustobjekt darstellt, dann auch in einer Hosenrolle und wechselt im vierten und fünften Akt optisch per Kostüm im weißen Unterkleid passend in den Part der Oper, der eben das Weibliche und dessen Recht auf Augenhöhe in der Gesellschaft in den Fokus rückt.

Dies wäre zusammen mit den berühmten Slogans der Frauenbewegung „Mein Bauch gehört mir“ oder „My body my rules“ auf Kostümen oder Plakaten nicht zwingend nötig gewesen, wird die Frauenpower wie erwähnt durch Lee grandios auch stimmlich zu den Klängen der gewaltigen Augsburger Philharmoniker unter Domonkos Héja gegeben.

Beiden Teilen, dem Faust (1-3) und den Margarethen-Akten (4-5) gleich ist das reduzierte Bühnenbild samt Bühnenraum. Es wird jeweils zu Beginn von den Titelrollen durch das Aufschieben der Frontwand erzeugt. Auf selbiger geht dann jedoch eine wichtige  Intention Bigonzolis in seiner Herangehensweise an das Stück auf. Sie dienst als Projektionswand, auf der Fausts und Margarethes Kennenlernen auf der Straße und die darauf folgenden Dates  ins heutige Augsburg versetzt via Film von den beiden Hauptdarstellern gemimt, projiziert wird.

Alejandro Marco-Buhrmester Foto: Jan-Pieter Fuhr

„Wir kontrastieren die Figuren aus der Musik, aus dem 19. Jahrhundert, in das Augsburg von 2022.“ Damit gelingt Biganzoli die Reflexion der Situation heute und damals. Eine Methode, die aufgeht.

Weniger nachvollziehbar ist die Szene mit den Kindern, in der diese – ein Junge und ein Mädchen- um einen von Méphistophélès kredenzten Lolli streiten. Es soll wohl die Verführbarkeit des Menschen zeigen, braucht es an dieser Stelle aber eigentlich nicht mehr. Bedrückend, ja beinah körperlich unerträglich, aber gerade deswegen so stark in der Inszenierung sei die Szene erwähnt, als Margarethe den Männern zugeführt wird. Die beabsichtigte Wirkung sitzt tief!

Der erste Teil tut mehr für das Thema „Frau als ewiges Objekt der Begierde in der Männerwelt“ und die Kritik darüber, als im zweiten Teil die Gruppen-Szene der Frauen mit den Protest-Sprüchen.

Letztendlich eine Oper, die es sich zu besuchen lohnt. Weitere Aufführungen für die es noch Karten gibt sind am 25.3, 28.4, 3.5, 5., 8. und 11.6.

Marion Buk-Kluger lic.rer.publ.

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