Hell und freundlich ist das Dachgeschosszimmer in Gersthofen, mit schrägen Decken und Balken aus Holz. Astronomische Planeten-Modelle sucht man in der Praxis „Mittelpunkt“ von Christina Herrmann jedoch ebenso vergeblich wie esoterischen Schnickschnack aller Art. Einzig ein Bild mit dem Konterfei unserer Box-Weltmeisterin „Tiny“ Tina Rupprecht steht in der Ecke, auf dem diese sich handschriftlich für „die vielen tollen einfühlsamen Sitzungen“ bedankt.
„Tina kommt regelmäßig zu mir, um sich mental vor ihren Kämpfen coachen zu lassen“, erzählt Christina Herrmann. Die 36-Jährige hat sich vor drei Jahren den Traum der Selbständigkeit erfüllt – praktiziert seitdem als Heilpraktikerin für Psychotherapie, Hypnose und Astrologie in ihrem „cleanen“ Reich, das ihre Grundhaltung unterstreicht: „Ich bin keine Räucherstäbchen-Schwingerin aus der Eso-Ecke – und will auch nicht so rüberkommen.“
Auch das Mentalcoaching mit Sportprofis wie Tina Rupprecht funktioniert ganz ohne Hokuspokus, dafür mit klarem Konzept. Die erfolgreichste Boxerin aller Zeiten aus Augsburg bereitet sich aktuell schon wieder auf einen Weltmeisterschaftskampf am 5. April in Potsdam vor – wo sie ihre ohnehin einmalige Erfolgsgeschichte noch fortschreiben kann. Bei Christina Herrmann wird’s dafür bestimmt wieder „was auf die Ohren geben“. Denn die Einlaufmusik beim Kampf selbst ist fester Bestandteil des Coachings. Herrmann: „Wir suchen den Song immer gemeinsam aus und packen ganz viel Mental-Power rein. Das üben wir auch in meiner Praxis, in dem Tina den Song mehrfach mit Kopfhörern hört und die positiven Gedanken mit jeder Note verinnerlicht.“
Auch boxt sich Tina – zumindest im Geist – bei Christina in Gersthofen schon mehrfach zum Sieg, noch bevor der Tag der Wahrheit gekommen ist. Herrmann: „Wir gehen den Kampf von Anfang bis Ende immer wieder durch. Tina kennt dann jedes Gefühl in jedem Moment, kann sich darauf einstellen. Inklusive dem Moment des Sieges, wenn der Schiedsrichter ihren Arm hochhebt“, erklärt die gebürtige Niederbayerin, deren eigene Lebensgeschichte auch wie ein anstrengender Boxkampf anmutet. Und zwar auch einer über mehrere Runden, bei dem sie kein so klares Konzept im Köcher hatte.
Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper
„Im Jahr 2014 kam ich nach einem Autounfall über die Sportphysio zum Bodybuilding – und entschied mich dafür, auch bei Wettkämpfen in der Bikiniklasse teilzunehmen“, erinnert sich die hübsche Blondine. Zwei lange Jahre trainierte sie für ihren ersten Wettbewerb, führte dafür ein Leben voller Entbehrungen. „Neben meinem fordernden Job als Bankkauffrau hatte ich sechs Tage die Woche mehrere strenge Trainingseinheiten am Tag. Dazu musste jede Mahlzeit akribisch geplant und abgewogen werden. Komplett tabu waren Zucker, Schokolade und Alkohol.“ Als die junge Frau nach einigen Wettkämpfen erkannte, was sie sich und ihrem Körper da antat, ließ sie die Erkenntnis ins andere Extrem schwenken. „Ich stopfte alles in mich hinein, worauf ich die Jahre verzichtet hatte. Schokolade, Kekse, Nudeln, Brot, Pizza – und mein geliebtes Nutella!“
Logische Folge: Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht, Körper aus der Form, psychische Verfassung auf dem Tiefpunkt. „Es hat lange gedauert, bis ich zu einem Essen ohne schlechtem Gewissen und zu einem normalen Stoffwechsel – ohne Verzicht und Heißhungerattacken – zurückfand.“ Auch die Traumhochzeit 2018 mit einem Mann, den sie von ihrem Sport kannte, sorgte nur nach außen für schönen Schein. „Mein gesamtes Umfeld glaubte ans perfekte Glück – tief in mir spürte ich, dass ich meine innere Leere so nicht würde füllen können, “ so die Wertpapierspezialistin, die sich vermutlich genau aus diesem Grund kurz darauf auf einem Seminar Hals über Kopf in einen anderen Mann verliebte. Einen aus dem Raum Augsburg, für den sie dann Ehemann und Sparkassen-Job im Bayerischen Wald aufgab. „Er hatte schon ein Kind, war verheiratet – ich hielt ihn für meine große Liebe. Die Region Augsburg hat mir gleich gefallen und wurde schnell zur zweiten Heimat.“
Außen der schöne Schein – innen die große Leere
Leider auch da – blieb das Happy End aus. Nach fünf Jahren „funktionierender Patchworkfamily“ stellte Christina fest, „… dass mein Glück auf falschen Fundamenten gebaut war, ich mich in einer toxischen Beziehung und einer enormen emotionalen Abhängigkeit befand!“
Diese schmerzhafte Erkenntnis brachte sie nach intensiven inneren Kämpfen und Selbstzweifeln schließlich dahin, wo sie heute steht: „Ich lernte viel über mich selbst, die menschliche Psyche und ungesunde Beziehungen. Wahre Stärke findet man oft in den verletzlichsten Momenten. Diese Erfahrung hat mich nicht nur als Mensch, sondern auch als Psychologin verändert,“ resümiert die 36-Jährige.
Bestärkt in der beruflichen Mission, Menschen in ähnlich problematischen Situationen zu unterstützen und Auswege aufzuzeigen, hat Christina Herrmann zuletzt mehr und mehr die Astropsychologie für sich entdeckt. „Das ist keine Hexerei, sondern eine Wissenschaft. Letztlich geht’s um Mathematik.“ Neben Box-Ikone Tina Rupprecht schwört auch die bayerische Biathlon-Legende Magdalena Neuner auf Christina Herrmanns Fähigkeiten – und reist regelmäßig mit ihren Kids nach Augsburg zur Beratung an. Herrmann: „Gerade bei Kindern funktioniert die astrologische Analyse super. Wahrscheinlich besser als jeder Erziehungsberater!“
Wahl-Augsburgerin Christina Herrmann hat jetzt – nach ihren vielen schmerzlichen Erfahrungen und Lernprozessen – den großen Wunsch, ein Buch zu schreiben. „Es soll darum gehen, wie man das ‚Warum‘ in seinem Leben findet. Denn wenn man das weiß, ist das ,Wie‘ viel leichter zu ertragen“, so die hintergründige Idee. Einen Podcast zum Thema Astro-Psychologie gibt’s bereits wöchentlich von Christina Herrmann. Der erscheint jeden Sonntag und heißt – na logo: „Sternenklar“! (überall, wo’s Podcasts gibt).

Wahre Stärke entsteht oft in den verletzlichsten Momenten
Die Einlaufmusik beim Boxkampf suchen beide gemeinsam aus.


Auch Biathlon-Ikone Magdalena Neuner (li.) gehört mit ihren Kindern zu den Stammgästen in Christina Herrmanns Praxis – speziell für die Astropsychologie.
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