Sie sind Landwirte, jung und voller Arbeitsdrang. Aber vor allem sind sie eines: besorgt um Ihre berufliche Zukunft. Hanna Lieb (21), Maximilian „Maxi“ Ludwig (24) und Markus Igl (26) waren Teil der Bauernproteste in Augsburg und München dabei. Mit großen Plakaten bestückten sie ihre schweren Traktoren und sperrten die Straßen, Auffahrten und Kreuzungen. Sie protestieren. Gegen die Sparpläne der Bundesregierung, bei welchen unter anderem Agrardieselsubventionen gestrichen werden sollen – aber vor allem protestieren sie für die Zukunft der Landwirtschaft. „Ich kenne, glaube ich keinen, der bereut, Landwirt geworden zu sein“, da ist sich Markus sicher. Genau wie Maxi arbeitet er auf dem familieneigenen Hof. Hier ist er aufgewachsen, hier ist aus einem Beruf eine Berufung geworden.
Maxi sieht das ähnlich: „Der Beruf Landwirt ist total abwechslungsreich“, erklärt er. Hanna ist die Einzige der drei, die nicht in die Landwirtschaft reingeboren wurde. Ihre Liebe für das „Bauerndasein“ hat sich erst im Teenageralter entwickelt. Da begann sie neben der Schule auf einem Hof zu arbeiten. Mittlerweile macht sie ihren Techniker in der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Triesdorf. Die drei erzählen von ihren Erfahrungen und Sorgen als Jungbauern.
Wo liegt das Problem?
Deutschlandweit protestieren Bauern mit Straßensperrungen und Demonstrationen. Aber wieso überhaupt?
Markus: „Es fängt bei der Streichung von Agrardieselsubventionen an. Das war jetzt der Gipfel des ganzen Eisbergs der letzten zwanzig Jahre. Und ich möchte dabei explizit auf die letzten zwanzig Jahre eingehen. Jedes Jahr kommen irgendwelche neuen Auflagen, die einfach auf keiner wissenschaftlichen Basis mehr sind. Sowas wie eine Flächenstilllegung von vier Prozent für den Artenschutz: Wenn ein Bauer 100 Hektar Land besitzt, dann sind das vier Hektar, die er stilllegen muss. Bei einem Betrieb mit 1000 Hektar sind das schon 40 Hektar (rund 55 Fußballfelder Anm. d. Red.). Und dann wird gesagt, wir haben nicht genügend Lebensmittel. Wir müssen Dünger einsparen, wir müssen Pflanzenschutz einsparen, wir müssen aber auch die Qualität und die Menge herbringen. Das sind Sachen, die sich widersprechen. Da fehlt die fachliche Praxis. Uns werden von einer Regierung, die gar keine Ahnung von den eigentlichen Abläufen hat, immer mehr Vorschriften angeschafft.“
Hanna: „Gerade in der Landwirtschaft wurden uns in den letzten zwanzig Jahren Ideologien auferlegt, die praxisnah nicht umsetzbar sind. Die Flächenstilllegung ist jetzt zum Beispiel auch eine Maßnahme, die einfach beschlossen wurde, die aber nicht entlohnt wird. Jedes Jahr kommen wieder Auflagen, die Geld kosten, das man aber nicht wieder reinbringt. Du kannst solche Dinge als Landwirt ja nicht wie andere Unternehmen einfach umlegen. Man kann seine Preispolitik nicht entscheiden. Das wird einfach vorgegeben.“
Maxi: „Auch die Planungssicherheit ist total schwierig. Es traut sich ja keiner mehr einen Stall oder gar einen ganzen Betrieb aufzubauen. Wir haben eine Sicherheit von ein paar Jahren, von einer Wahllegislatur quasi. Aber wir können doch nicht in Wahllegislaturen unseren Stall planen. Das sind 20 bis 25 Jahre Abschreibungen und Investition, bis da überhaupt mal wirklich Geld zurückfließt. Wir brauchen irgendwo Sicherheit. Das finde ich das Traurige und deswegen gehen wir auf die Straße. Damit ich einen Betrieb aufbauen kann, der sich für meine zukünftigen Kinder auch in 25 Jahren noch rechnen kann. Mit dem aktuellen Planungssegment ist das nicht möglich.“
Auch Maxi, Hanna und Markus waren Teil der Bauernproteste in Augsburg
Was wird gefordert?
So wie es jetzt läuft, geht es also nicht weiter. Was wünscht ihr euch?
Markus: „Lasst den Bauern wieder Bauer sein. Habt mehr Vertrauen, wir wollen euch nicht vergiften. Jeder von uns hat eine Ausbildungszeit von fünf bis sechs Jahren hinter sich und dennoch vertraut man uns nicht. Einfach mal miteinander reden und sagen: ‚Hey, wie könnt ihr das am besten umsetzen, wie kriegen wir das gemeinsam hin, damit gute Lösungen gefunden werden können?‘“
Hanna: „Wir wollen gemeinsam ans Ziel kommen. Es ist niemand gegen mehr Tierwohl und niemand ist gegen Auflagen für den Umweltschutz. Wir arbeiten so gut wie es geht mit dem Volk, wir sind ja auch einfach nur Normalbürger.“
Maxi: „Wir wollen Vorschriften, die sich tatsächlich auf die Wissenschaft und auf die Praxis beziehen und die dann auch wirklich gut für alle umsetzbar sind. Man wäre für viele Sachen offen, man muss einfach mit uns reden und nicht über uns hinweg entscheiden.“
Weshalb braucht ihr Subventionen?
Warum könnt ihr als Bauer nicht allein von euren Einnahmen leben?
Maxi: „Ich trenne bei dem Thema den normalen Bürger von dem Landwirt. Ich bin beide Seiten. Als normaler Bürger bin ich für offene Agrarmärkte. Ich will meine Banane auch im Winter essen können. Ich will günstige Lebensmittel kaufen können, die bezahlbar sind, damit ich am Monatsende auch noch Geld für den Luxuskonsum übrig habe. Auf der anderen Seite bin ich Berufsstand Landwirt. Ich möchte als Landwirt gar keine Agrarsubventionen. Ich will grundsätzlich ja nicht abhängig sein. Aber ich brauche vernünftige Erzeugerpreise, das funktioniert nicht, wenn wir offene Agrarmärkte haben. Wir brauchen Ausgleichszahlungen, damit wir auf einem offenen Agrarmarkt wettbewerbsfähig sein können. In anderen Ländern ist die Produktion wesentlich günstiger, weil dort mit Heizöl gefahren wird, anstatt mit Diesel, es wenige bis keine Pflanzenschutz- oder Düngeauflagen und keine wirklichen Vorschriften in der Tierhaltung gibt.
Wir brauchen die Ausgleichszahlungen, um da mithalten zu können. Ohne das würde es einfach nicht funktionieren.“
Markus: „Wenn ich als Landwirt beim Verkauf sage, dass mir das zu wenig Geld für mein Produkt ist, bekomme ich die Antwort ‚Dann schau halt ob du es woanders loskriegst!‘ Kriegst du aber nicht. Dir geben andere den Preis vor.“
Wie schaut‘s aus mit Nachhaltigkeit?
Viele Vorschriften zielen auf Nachhaltigkeit ab. Ist die Umsetzung von Umweltschutz grundsätzlich schlecht für Bauern?
Hanna: „Wir machen alles gerne, man hört die Bevölkerung, wir setzen uns gerne für mehr Tierwohl oder mehr Nachhaltigkeit ein. Es muss nur eben auch bezahlt werden. Das kann nicht nur auf unsere Kosten gehen.“
Markus: „Vor ein paar Jahren sind Bewässerungsstreifen gekommen. Ich war da kein Gegner davon, wir sind weg von Gewässern, das ist gut für den Pflanzenschutz. Natürlich gab es einige Kollegen, die sich über den erneuten Verlust von Ackerland beschwerten, aber dieser Streifen hat keinem wirklich wehgetan. Bei so etwas arbeiten wir gerne mit, da sind wir dabei. Wenn ich jetzt einen Euro mehr für das Kilo Fleisch kriegen würde, dann würde ich meinetwegen auch in jede Box einen Flachbildfernseher für die Tiere hängen. Es muss nur irgendwo gezahlt sein.“
Hanna: „Vorwürfe, dass der Landwirt zum Beispiel viel zu viel Dünger benutzt oder schlecht mit den Tieren umgeht, sind totaler Quatsch. Das ist ein Unternehmen. Ich geh doch nicht schlecht mit meinen Tieren um, das bringt mir ja gar nichts. Und ich verwende nicht mehr Dünger oder Pflanzenschutz als ich muss, das kostet ja alles Geld!“
Wie waren die Bauernproteste in Augsburg?
Straßensperrungen bei Demos sind aktuell ein unbeliebter Trend. Wie waren die Reaktionen auf euch in München und Augsburg?
Maxi: „Der Zusammenhalt war super! Metzgerinnung, Handwerksinnung – sie waren alle da und haben jeden mit Essen und Getränken versorgt. Es war wunderschön, friedlich. Wir haben unser demokratisches Recht aufgerufen und gegen unsere Bundesregierung demonstriert. Für mich ist auch ein ganz großer Punkt – siehe Berlin und das Brandenburger Tor: keine Sachbeschädigung. Das zahlt ja am Schluss auch wieder der Steuerzahler. Bei den Bauernprotesten in Berlin wurden diese Wahrzeichen geehrt. Die Bauern haben nichts beschädigt, sie haben ihre Schlepper davorgestellt und Fotos gemacht. Man ist ja stolz auf solche Dinge.“
Hanna: „Wir wollen die Autofahrer nicht blockieren, wir wollen eher, dass sie mit uns mitziehen. Und das wurde auch so angenommen. Die Leute haben gesagt: ‚Bleibt stehen, für euch nehme ich mir gerne die Zeit!‘. Außerdem war es einfach auch frühzeitig angemeldet.“
Markus: „Es gab ein großes Lob von der Polizei, oder auch von den Notärzten. Die kamen teilweise besser durch als bei normalem Verkehr. Von Anfang an wurde darauf hingewiesen: ‚Seid aufmerksam, passt auf Pflegedienste, Rettungsdienste und Feuerwehr auf, die haben alle Vorrang.‘ Man muss auch dazusagen, Landwirte sind oft selbst Teil der Freiwilligen Feuerwehr. Die sind das so gewohnt.“ ahö