Vor allem junge Frauen schöpfen ihre beruflichen Optionen oft nicht voll aus, sondern beschränken sich auf vermeintliche Frauenberufe“, sagte Christian Fischer, Leiter der Abteilung Ausbildung bei der IHK Schwaben, anlässlich des bundesweiten „Girls‘ und Boys‘ Day“ im April. Nach wie vor zeigen sich auf dem Ausbildungsmarkt in Bayerisch-Schwaben die klassischen Geschlechterrollen. Für die Unternehmen in Bayerisch-Schwaben sei das fatal: „Mit Blick auf den Fachkräftemangel ist es wichtig, dass wir alle Potenziale nutzen“, so Fischer. Eine klare Position dazu vertritt Gabriele Brunnhuber, Chefin des gleichnamigen Augsburger Autohauses und Vorstandsmitglied in der Kfz-Innung bei der Handwerkskammer: „Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, dass Mädchen und Frauen selbstbestimmt entscheiden können, welchen Beruf sie ergreifen möchten – sei es im gewerblich-technischen Bereich, im Sozialwesen oder in kaufmännischen Berufen.“
Brunnhuber: Technische Berufe bieten oft hohe Gehälter und gute Karrierechancen
Und sie sagt es auf die Frage, ob es überhaupt es gut wäre, wenn sich mehr Mädchen und Frauen in gewerblich-technischen Berufen ausbilden lassen – oder ob man dieses Potenzial beispielsweise für Sozial-, Erziehungs- oder kaufmännische Berufe freihalten sollte. „Technische Berufe bieten oft gute Karrierechancen, hohe Gehälter und spannende Entwicklungsmöglichkeiten. Dass Frauen hier unterrepräsentiert sind, liegt nicht an fehlendem Potenzial, sondern häufig an gesellschaftlichen Rollenbildern und fehlender Förderung“, so Brunnhuber. „Es wäre daher sinnvoll, mehr Mädchen für technische Berufe zu begeistern, anstatt ihr Potenzial ausschließlich auf andere Bereiche zu lenken. Vielfalt in allen Branchen bringt Vorteile – sowohl für die Wirtschaft als auch für die Gesellschaft.“
Dass die Arbeit in technischen Berufen wie dem einer Kfz-Mechatronikerin für Frauen oder Mädchen körperlich zu schwer sein könnte, sieht die Firmenchefin nicht. „Das ist ein Vorurteil. Natürlich gibt es in gewerblich-technischen Berufen körperlich anstrengende Tätigkeiten, aber das betrifft Männer genauso. In modernen Werkstätten und Betrieben gibt es viele technische Hilfsmittel wie Hebevorrichtungen, Druckluftschrauber oder Maschinen, die schwere Arbeiten erleichtern. Körperkraft ist also nicht mehr das entscheidende Kriterium – vielmehr sind technisches Verständnis, Präzision und Problemlösungsfähigkeiten gefragt.“
Zudem gebe es viele Frauen, die in diesen Berufen erfolgreich arbeiteten und zeigten, dass Geschlecht keine Rolle spielt. Wichtig sei, dass alle, unabhängig von Geschlecht, die Möglichkeit haben, ihren Interessen nachzugehen, ohne sich von alten Klischees abschrecken zu lassen.
Brunnhuber: Wichtig, Selbstbewusstsein zu zeigen und handwerkliches Geschick
Brunnhuber bestätigt, dass es für eine (einzelne) 15-, 16-jährige Auszubildende einschüchternd sein könnte, das „Küken“ in einer Männerwelt zu sein, aber: „Gerade in gewerblich-technischen Berufen gibt es oft eine „Männerkultur“, die anfangs herausfordernd wirken kann – sei es durch lockere Sprüche, eine rauere Umgangsweise oder das Gefühl, sich besonders beweisen zu müssen. „Im Autohaus Brunnhuber pflegen wir eine weltoffene und respektvolle Atmosphäre. Mir ist es wichtig, dass sich jeder Mitarbeiter wohl fühlt. Wenn sich also eine Auszubildende eingeschüchtert fühlt, dann würde ich sagen, passiert das erstmal alles im Kopf. Ich kenne meine KFZ-Mechatroniker und von keinem kann ich behaupten, er hätte Vorurteile gegen auszubildende Damen.“ Zudem sei es wichtig, dass die junge Frau Selbstbewusstsein zeigt und letztlich durch ihr handwerkliches Geschick beweise, dass sie ebenso geeignet für die Aufgabe ist, wie alle anderen auch. „Letztlich profitieren alle davon, wenn Vielfalt als Bereicherung gesehen wird und jeder unabhängig vom Geschlecht seinen Platz im Team findet.“
Und das Thema Geld? „Geld spielt für Jeden eine Rolle, aber oft nicht als alleiniger Entscheidungsfaktor bei der Berufswahl“, so Brunnhuber. „Studien zeigen, dass Frauen häufiger Berufe wählen, in denen sie Sinn und Erfüllung sehen – etwa in sozialen oder pädagogischen Bereichen –, selbst wenn die Bezahlung dort schlechter ist als in gewerblich-technischen Berufen. Allerdings liegt das nicht unbedingt daran, dass ihnen Geld egal ist, sondern auch an gesellschaftlichen Prägungen und Erwartungen. Viele Frauen unterschätzen zudem ihre Verdienstmöglichkeiten oder haben weniger Einblick in Gehaltsstrukturen technischer Berufe.“
Als Geschäftsführerin versichert Gabriele Brunnhuber, „dass unseren weiblichen Angestellten jedenfalls ein faires Gehalt bezahlt wird und man sich bei uns schon länger vom ,Gender pay gap´, also der Vorstellung, Männer sollten grundsätzlich mehr verdienen als Frauen, verabschiedet hat.“