Wer hätte gedacht, dass die Augsburger Stadtspitze die gleichen Probleme plagen, wie gestresste Mütter vor dem Kindergeburtstag? „Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Für was muss ich wann, welchen Kuchen backen“, offenbarte Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne) ihrer „Chefin“ OB Eva Weber (CSU) in deren Podcast. Die antwortete: „Ja, ja – das Kuchenbacken. Ich habe letzten Sonntag für die Feuerwehr in Bergheim einen Kuchen gebacken!“
Mal ganz abgesehen davon, ob unsere Stadt-Chefinnen ihre Zeit nicht besser nutzen könnten, als am Herd (von Emanzipation ganz zu schweigen). Ist es legitim, solch eine Konversation in einem 24-minütigen Podcast zum Thema „Sommerferien – und was in Augsburg los ist“ – finanziert aus Steuergeldern – zu präsentieren? Freilich geht’s darum nicht nur ums Kuchenbacken, sondern auch Problem-Themen wie Schulen (Millionen für Sanierungen, klimagerechtes Sanieren), Kinder- und Jugendarbeit (neue Jugendbeteiligungsmanager, Rückblick aufs Jugendforum, neuer Innenstadt-(Jugend)Treff Max 59), das Friedensfestprogramm oder Augsburgs vorbildliche digitale Angebote.
OB Weber: „Die Kritik ist Billig!“
Eva Weber hält derartige Formate für notwendig. Die Kritik, dass sie sich als Podcasterin zu sehr um ihr persönliches Image kümmere statt um Probleme in der Stadt, nennt sie „billig“. Im Gespräch mit unserer Zeitung verweist sie auf die große Bedeutung von sogenannter 360-Grad-Kommunikation, dazu zähle auch das Thema Podcast. Seit Jahren schon bediene sie sich dieses Mittels. Eva Weber: „Eine moderne Stadtverwaltung muss alle Kommunikationsmöglichkeiten nutzen, um die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.“ Von daher laufe auch der Vorwurf ins Leere, sie nehme damit (unzulässig) Einfluss auf den bevorstehenden Wahlkampf.
Kritiker sehen das anders. „Instagram-Accounts inszeniert wie Hochglanz-PR, ein Podcast mit Wohlfühlthemen aus dem Rathaus, ein WhatsApp-Kanal für städtische „Good News“ – alles professionell produziert, bezahlt aus Steuergeldern: Was als Bürgernähe verkauft wird, ist in Wahrheit oft nichts anderes als geschickte Selbstdarstellung“ – kommentiert beispielsweise die Augsburger Online-Zeitung „DAZ“ – entfacht damit eine lebendige Online-Diskussion und kritisiert weiter: „Das Problem: Derartige PR verdrängt die unabhängige lokale Berichterstattung. Während Journalisten recherchieren und Quellen prüfen müssen und Missstände aufdecken, liefert das Social-Media-Team im Rathaus ausschließlich die erwünschte Version der Realität: unkritisch, gefiltert, perfekt inszeniert.“
Florian Freund: „Das gleiche Engagement für die Entwicklung der Stadt wäre wünschenswert“
SPD-Fraktionschef und OB-Kandidat Florian Freund schickt seine Einschätzung aus dem Urlaub an unsere Redaktion: „Es ist auf jeden Fall bemerkenswert, dass die schwarz-grüne Oberbürgermeisterin die grün-schwarze Bürgermeisterin interviewt. Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Stadtregierung mit sich selbst beschäftigt ist und weder Kosten (des Steuerzahlers) noch Mühen scheut, um von der eigenen Untätigkeit abzulenken.“ Zu ihren grundsätzlichen Social-Media-Aktivitäten äußert Freund: „Ich würde mir wünschen, dass Eva Weber die gleiche Energie auf die Entwicklung unserer Stadt und der Stadtteile, auf den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern, auf die Sanierung der Schultoiletten, auf den Bau von Spielplätzen, auf den Nahverkehr verwenden würde, wie sie es für Social Media, Podcasts und Image tut.“
Noch eins drauf setzt die Fraktion Bürgerliche Mitte auf unsere Anfrage. Mitte-Stadtrat Lars Vollmar (FDP) spart nicht an Kritik: „Natürlich muss eine Stadtverwaltung mit der Zeit gehen und auch über sozialen Medien kommunizieren. Schließlich dienen Facebook, Instagram und Tiktok einer wachsenden Anzahl von Menschen als vorrangige Informationsquelle.“ Doch damit ist es vorbei mit allem Verständnis: „Aber trotz aller Behauptungen aus der CSU beschränkt sich Oberbürgermeisterin Weber nicht darauf, amtliche Informationen zeitgemäß zur Verfügung zu stellen. Was man von ihr im Internet sieht, ist Imagewerbung im Stile von Influencern.“
„Bald amtliche Katzenvideos?“
„Es fehlen nur noch amtliche Katzenvideos“, so FDP-Stadtrat Lars Vollmer über OB Eva Webers „Influencertum“. Und: „Das wäre kein Problem, wenn sie solche Nichtigkeiten, die ans Gefühl statt an den Verstand appellieren, über ihre Privatkonten verbreiten würde. Aber Frau Weber nutzt dafür auch erhebliche Ressourcen der städtischen Kommunikationsabteilung, die seit ihrem Amtsantritt massiv aufgebläht wurde. Verkappte Wahlwerbung darf aber nicht aus Steuermitteln bezahlt werden!“ Und er hat noch einen weiteren Einwand: „Zudem zieht Frau Weber Klicks im Internet von seriösen Medien ab, die ihre journalistischen Angebote mit Werbung finanzieren müssen. So unterläuft Frau Weber nicht nur einen Grundpfeiler unserer Demokratie, sondern schadet auch dem Wirtschaftsstandort Augsburg erheblich.“
Leo Dietz spricht von guter Zusammenarbeit in der Koalition
CSU-Fraktionschef Leo Dietz zu der Thematik: „Es freut mich sehr, dass unsere Oberbürgermeisterin mit ihrer Social-Media-Arbeit so eine große Aufmerksamkeit erreicht“. Die Kritik in Sachen „Selbstdarstellung der OB“ lässt er abtropfen: „Wenn Eva Weber nicht in den Sozialen Medien aktiv ist, wird sie kritisiert, macht sie zu viel wird sie auch kritisiert. Fakt ist, die Netzwerke sind ein notwendiges und bedeutendes Medium, um in der heutigen Zeit Informationen zu transportieren.“ Zur Kritik am „Kuschelkurs“ mit der Bürgermeisterin der Grünen sagt er: „Wir tragen noch bis zum 30. April 2024 in der Koalition die gemeinsame Verantwortung für die Stadt, es ist ein Zeichen von Professionalität, dass wir bis dahin gut zusammenarbeiten“.
Zudem verspricht er einen CSU-orientierten Wahlkampf, der die Stadt Augsburg fest im Fokus hat: „Natürlich ist es unser Ziel, wieder stärkste Fraktion zu werden und auch Eva Weber im Amt zu bestätigen“. Wer dann als Koalitionspartner in Frage kommen würde? Das soll der Ausgang der Wahl zeigen.
Bekanntlich werden die (ersten) Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Bayern von den Bürgern direkt gewählt. Für dieses Amt haben sich zur Kommunalwahl am 8. März 2026 mit Eva Weber (CSU) und Martina Wild (Grüne) die Spitzenkandidatinnen der vorangegangenen Kommunalwahl nominieren lassen. Die SPD schickt Stadtrats-Fraktionschef Florian Freund ins Rennen, die AfD setzt auf Andreas Jurca (MdL).
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