Man stelle sich vor: Kanzler Friedrich Merz kommt bei einem Augsburg-Besuch zufällig am Theater vorbei. Spontan will er auf einer Bühnenprobe vorbeischauen. Und beim Abschied verkündet der Regierungschef den verdutzten Stadtoberen: „Das Haus muss unverzüglich modernisiert werden. Dafür stehe ich persönlich gerade, egal wie hoch die Kosten sind.“
Für heutige Verhältnisse ist so etwas kaum vorstellbar. Nicht so vor genau 90 Jahren. In einer Chronik des Stadttheaters liest sich das so:
„Den Anstoß für den Umbau gab ein Besuch des Führers Adolf Hitler, den er am 25. September 1935 unserem Theater unerwartet abstattete … Die städtische Bauverwaltung nahm im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters Mayr die Planung sofort in Angriff.“
Persönlich für die Finanzen gesorgt
Im ersten Bauabschnitt ging es um die Vergrößerung des Bühnenhauses mit modernster Drehbühnen-Konstruktion, den Einbau von Personen- und Lastenaufzügen sowie Heizungs- und Lüftungsschächten, den Ausbau der Werkstätten sowie sozialer Einrichtungen – zum Beispiel die Installation von 22 Wannen- und Brausebädern.
Es folgten der Umbau des Zuschauerraums und die Neugestaltung der Hauptfassade von drei auf fünf Loggia-Bogen, vorgenommen nach den von Hitler persönlich gestalteten Planskizzen.
Die Theaterchronik verzeichnet „laufend regen Anteil am Fortgang der Arbeiten“ des Nazi-Führers. Belegt sind drei Besichtigungstermine. Nicht verzeichnet sind die Baukosten, wobei aber immer wieder die „volle finanzielle Unterstützung“ durch Adolf Hitler hervorgehoben wird. Man erzählte sich damals, dass ein erheblicher Teil der Baukosten aus Hitlers Privatkasse geflossen sei.
Obwohl Hitler als höchster Staatsdiener auf jede Art von Diäten offiziell Verzicht erklärt hatte, galt er als vermögend. Allein der parteiorganisierte Verkauf seines Buches „Mein Kampf“ soll ihn zum Millionär gemacht haben.
Die Förderung der Theater-Sanierung passte damals auch maßgenau in das Programm „Bauten des Führers als Wahrzeichen der Kultur des Dritten Reiches“. So sollte das neugestaltete Theater den imposanten nördlichen Endpunkt der von den Machthabern als „Straße des Führers“ geplanten Fuggerstraße bilden – als Aufmarsch-Allee für Militärparaden und sonstige Großveranstaltungen.
Wie das Rathaus (Foto) wurde auch das Theater ein Opfer der Bombennacht vom auf den 26. Februar 1944. Tapfere Helfer riskierten ihr Leben, um das Haus vor der totalen Zerstörung zu retten. Es dauerte ganze zwölf Jahre, bis hier wieder der Vorhang aufgehen konnte.
19 Bombenangriffe, über 1500 Todesopfer, Tausende obdachlos
Die Eröffnung des „modernsten Theaters der Gegenwart im Reich“ fand am 24. Mai 1939 statt. An spektakulär inszenierten Paraden war freilich bald kein Bedarf mehr. Wenige Monate später wurde „zurückgeschossen“. Der Zweite Weltkrieg begann.
Die Folgen sind bekannt. Ab 1944 kam es allein in Augsburg zu insgesamt 19 Bombenangriffen, weite Teile der Altstadt und wichtige Baudenkmäler wurden zerstört. Das Rathaus brannte bis auf die Außenfassade nieder. Über 1500 Bewohner starben, Tausende wurden obdachlos. Insgesamt verließen 80.000 Augsburger in einer großen Fluchtwelle die Stadt.
Der Diktator, der für Augsburg beim Theater ein vermeintlicher Glücksfall war, brachte unermessliches Leid über ganz Europa.
Im Bombenhagel in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 riskierten mutige Theaterleute ihr Leben, um das schwer getroffene Haus vor der totalen Zerstörung zu retten. Es dauerte zwölf Jahre, bis Augsburgs Theaterfreunde ihren wiederaufgebauten Musentempel in Besitz nehmen konnten.
Inzwischen ist das Bauwerk, jetzt als Staatstheater, erneut ein Fall für eine Generalsanierung. Seit 2017 laufen die Arbeiten – Ende offen, Kosten aktuell bei mindestens 420 Millionen Euro.
Das Augsburger Stadttheater, wie es 1876 von den Wiener Architekten Fellner & Helmer geplant und realisiert wurde.
Das Stadttheater nach der Modernisierung auf Initiative von Adolf Hitler (Bauzeit von 1935 bis 1939) mit der neugestalteten Frontfassade.


