Der Schock sitzt noch immer tief in der Influencer-Szene, deutsche Behörden machen jetzt gezielt Jagd auf alle, die im World Wide Web ihren Lebensunterhalt verdienen, es mit dem Versteuern ihrer Gewinne aber bisher nicht so genau genommen haben. Rund 300 Millionen Euro Steuerschaden konnte das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität allein in Nordrhein-Westfalen (LBF NRW) nachweisen.
Eigens für die digitale Steuerfahndung wurde ein Team aus 1.200 IT-Experten gegründet, das den Influencern gnadenlos auf die Finger schaut. So konnten in NRW 200 Strafverfahren ins Laufen gebracht werden, in Einzelfällen geht es um Millionenbeträge. Wir wollten wissen, wie es Augsburger Influencern mit dieser neuen Steuer-Offensive geht. Das Ergebnis unserer zahlreichen Anfragen war zunächst ernüchternd, kaum ein Content-Creator wollte sich öffentlich äußern. Dennoch haben wir zwei Augsburger Influencerinnen gefunden, die uns von ihren Erfahrungen berichten. Außerdem gaben uns Steuer-Experten ihre Einschätzung.
Augsburger Influencerinnen erzählen von ihren Erfahrungen
Eine Content-Creatorin ist Daniela Schmid. Auf ihrem Instagram-Account @danielamonida teilt die 28-Jährige überwiegend Fitness- sowie Mental-Health-Content mit ihren 164.000 Followern. Gestartet ist sie damit 2019/2020, damals noch ohne Plan, wie sie sagt: „Zu dem Zeitpunkt war ich noch ein anderer Mensch, aber mir war von Anfang an bewusst, dass ich irgendwann Steuern zahlen muss.“ Ihre erste richtige Begegnung mit dem Finanzamt hat sie noch gut in Erinnerung: „Es ging um die Umsatzsteuer, die ich laut meinen Informationen nicht hätte ausweisen müssen, laut dem Finanzamt aber schon.“ Aus diesem Fehler habe sie gelernt und legt seitdem Geld auf die Seite, damit die Nachzahlung nicht allzu erschreckend ist. Ihr Rat für angehende Influencer ist daher auch ganz einfach: Geld auf die Seite legen, um abgesichert zu sein und die Steuererklärung früh erledigen, zusätzlich mit einem Steuersystem und ergänzend dazu mit einem Steuerberater arbeiten.
Sportlich zeigt sich Daniela Schmid auf ihrem Instagram-Account.
Unter dem Grundfreibetrag von 12.096 Euro zu bleiben, damit keine Einkommensteuerpflicht entsteht, findet die 28-Jährige nicht lohnenswert: „Man möchte nicht in finanzielle Schwierigkeiten kommen.“ Ähnlich sieht es ihre Kollegin Christina Kling. Die 29-Jährige teilt auf ihrem Account @christina.kli Reise-Vlogs, Rezepte sowie DIY-Ideen. Der Anstoß für ihren eigenen Account kam 2017/2018 von ihrem früheren Beruf im E-Commerce, in dem sie mit Influencern arbeitete. Mittlerweile hat die Augsburgerin rund 134.000 Follower. Die Möglichkeit, unter dem Grundfreibetrag zu bleiben, sieht sie als Chance für Content-Creator, die Social-Media nur als Nebentätigkeit ausüben. Um die Nachzahlungen etwas abzufedern, legt auch sie mindestens die Hälfte des Geldes von ihren Kooperationen zurück.
Christina Kling teilt Reise-Vlogs, wie das Foto, das am Strand von Monaco entstand.
Probleme mit dem Finanzamt hatte sie noch nicht und auch ans Aufhören, gerade wegen der Komplexität der Steuern, dachte sie nie. Trotzdem kam ein Punkt, der Herausforderungen mit sich brachte: „Es gab allerdings eine Zeit mit einer Abmahnwelle wegen der Werbe-Kennzeichnung und wegen der Benutzung von nicht lizenzfreien Liedern. Das war schon hart. Vor allem wenn man mitbekommt, dass ein paar Kollegen tausende Euro zahlen mussten.“ Ihr Wissen über Steuern sammelte sie vor allem mit Hilfe von Büchern.
Finanzexperten von der Lohnsteuerhilfe und der SWMP geben Rat
Als Christina Kling vor rund acht Jahren angefangen hat, gab es noch viele Grauzonen in Bezug auf Content-Creator und Steuern. Monika Hundseder von der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung für den Mittelstand in Augsburg (SWMP) sieht die altbewährten Rechtsprechungsgrundsätze bis heute nur bedingt übertragbar. „Die genaue Einordnung ist keineswegs trivial“, sagt auch Dennis Howe, Tax Consultant bei der Lohnsteuerhilfe. Doch sowohl die SWMP als auch die Lohnsteuerhilfe legen angehenden Influencern ans Herz, sich frühzeitig mit Steuern zu beschäftigen, denn bei ersten Anzeichen von Kooperationen ist ein Gewerbe anzumelden. „Die Umsatzsteuer ist ab dem ersten Euro zu erklären, wenn nicht von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch gemacht wird“, erklärt Dennis Howe. „Ab Überschreiten der Grenze von 25.000 Euro ist im Folgejahr Umsatzsteuer fällig.“ Howe fügt außerdem an, dass unbedingt alle Einnahmen dokumentiert werden müssen.
Dennis Howe von der Lohnsteuerhilfe
Dabei muss auch zwischen privat und beruflich unterschieden werden, denn laut Monika Hundseder sei die „Abgrenzung zwischen betrieblich und privat veranlassten Aufwendungen regelmäßig Streitpunkt und in keinem anderen Berufsfeld so uneindeutig“. Hundseder erklärt außerdem, dass Betriebsausgaben wie Reisekosten nur dann geltend gemacht werden könnten, wenn eine ausschließlich betriebliche Veranlassung glaubhaft nachgewiesen werde. Und sie fügt hinzu: „Der allgemeine Rechtsgrundsatz gilt auch im Steuerrecht und bezieht sich ebenfalls auf Influencer: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!“
Monika Hundseder von der SWMP
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