Auf Hannah Borcherts Bildschirm in Augsburg türmen sich magentafarbene Spuren: Flöte, Percussion. „Bei der Aufnahme hatte unter anderem jedes Instrument sein eigenes Mikrofon. Jetzt muss man versuchen, alles zu einem guten Klang zusammenzubringen“, erklärt sie.

„Brauche ich diese Spur? Andere, wie hier ein künstliches Cello, spiele ich dazu ein.“

Sie malt keine Noten auf Papier, sondern fängt am Klavier an: Sie muss die Melodie hören. Mit ihrem technischen „Malkasten“, wie sie ihr Medi-Keyboard nennt, bewaffnet, erschafft die junge Komponistin dann ganze Klangwelten.

Dann spielt ein Orchester das Stück ein. Wie die „Gletscherträne“, die Anfang 2025 von den Thüringer Symphonikern uraufgeführt wurde. Borchert wuchs in einer Bergsteigerfamilie auf. „Meilensteine waren zwei Gletschertouren, die ich mitgemacht habe, wie eine im Monte Rosa Massiv. Man steht früh auf, es war stockdunkel und alles starr, weil es so kalt war. Irgendwann merkt man: Der Himmel verfärbt sich. Dann entstehen schöne, leuchtende Farben, die sich wie Aquarell verändern. Es wird leicht wärmer und die Sonne steigt hinter den Berggipfeln empor. Und man fühlt sich wie in einer Zauberwelt.“

Wie magisch und bedroht die Gletscher sind, wollte sie emotional und in musikalischen Bildern vermitteln. Die zweite Fassung „Gletscherträne II“ wird am 7. Dezember im Herkulessaal der Residenz München aufgeführt, zwei Tage nach ihrem 28. Geburtstag. Von Mutter Claudia hat Borchert die Begeisterung für Musik, „sie hat schon immer gesungen, sie hat mich zum Glück zum Klavierüben gezwungen“, sagt sie mit einem Lachen. Komponiert habe sie schon davor, ihr erstes Stück „Sonnenaufgang“ in der Grundschule. Und wusste schon in der zweiten Klasse, dass sie Popsängerin werden will.

Dreamteam mit Wengenmayr – Stark als Solo

Statt Pop wurde es Filmmusik, mit einem kleinen Umweg, einer abgebrochenen Ausbildung zur Goldschmiedin. Ihre Mutter schob ihr dann einen Artikel zu Ralf Wengenmayr (u.a. „Schuh des Manitu“) zu. Das Praktikum bei ihm war entscheidend: „Dieses Studioleben, auch sich austauschen, dramaturgisch arbeiten“, faszinierte sie.

Beruflich und auch privat sind sie seitdem ein Team. Und erfolgreich: Mit Wengenmayr wirkte Borchert bei Filmen wie „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“, mit Michael Bully Herbig in der Hauptrolle, mit. Und sang den Titelsong „Sound of Love“ ein: „Regisseur Josef Vilsmaier war so begeistert, dass wir das so gelassen haben. Das war so ein Meilenstein, dass ich dachte: Das mit der Filmmusik muss jetzt so sein.“

Doch beim Wort „Erfolg“ winkt sie ab: Erstens habe sie bei den Bully-Filmen nur assistiert, zweitens sei Erfolg „ein kurzer Moment“. Wengenmayr ist für sie ein Vorbild. Aber die Filmkomponistin hat eigene Projekte: Wie die Doku „Humor – eine Reise mit Bully“, für die sie allein komponierte, oder „Gletscherträne“. Das Studium in Komposition für Film und Medien in München hat die 27-Jährige gerade beendet. Mit ihrer Mutter, die Illustratorin ist, gestaltet Borchert gerade ein Kinder- und Hörbuch. Als Assistentin ist sie bei Serien dabei. Ihr großes Ziel: Kinofilme. „In einem Kinosaal ist so eine Magie. Und da darf die Musik nochmal anders sprechen.“

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