Von Deutscher Bahn über Reinheitsgebot bis Kulturliebe – internationale Künstler am Staatstheater Augsburg berichten über ganz besondere Erfahrungen in Augsburg – und den ein oder anderen Kultur-Schock.

Ein Umzug bedeutet immer auch: neue Stadt, neue Sitten, neue Gewohnheiten. Das ist noch viel extremer, wenn man für seinen Beruf in ein anderes Land zieht. Auch am Staatstheater Augsburg tauchen immer wieder internationale Gastkünstler und Ensemblemitglieder in eine neue Stadt ein. Zeit, sie mal um eine Außenansicht zu bitten: Was hat sie bisher in Augsburg beziehungsweise in Deutschland überrascht, gefreut oder gewundert?

Spanier Alfonso López González trägt seine Tattoos nicht nur zu Ballettpremieren. Foto: Staatstheater Augsburg

Spanier Alfonso López González lernte in Madrid, tanzte bereits in Nordhausen und Rotterdam. Mit der Spielzeit 2023/24 ist er festes Ensemblemitglied am Ballett Augsburg. Er lebt bereits seit drei Jahren in Deutschland und schwärmt von „der typischen Bratwurst“ und Glühwein im Winter. Er sei glücklich, in Augsburg leben zu können. Zu seiner Überraschung sei die Stadt ja auch „sonniger als ich dachte“, wie er uns schreibt.

Nur eine Sache findet er immer noch lustig: Bei der Internationalen Ballett- und Tanzgala im Februar konnte er seine eigene Kreation performen und habe sich gefreut, dass sie jeder so mochte. Nur habe ihn jeder auf seine Tattoos angesprochen und gefragt, ob sie Teil der Choreografie seien. „The answer is: no, it’s our normal aesthetic! You will see me performing more things here with the company and my tattoos will still be there“, richtet er uns mit einem Lachen aus. Also: Nein, die Tattoos trägt er immer. Zwar kein richtiger Kultur-Schock, dafür eine lustige Erfahrung.

Die Deutsche Bahn – für Kate Allen aus Irland nicht so reibungslos wie erwartet

Irin Kate Allen wundert sich über die Deutsche Bahn. Foto: Vittorio Greco

Die irische Mezzosopranistin Kate Allen hat schon viele internationale Opern- und Konzertbühnen bespielt. Nach vielen Jahren in Irland und sechs Jahren in San Francisco kam sie 2016 zum ersten Mal nach Deutschland. Und musste dort die Erfahrung machen, dass auch bei den als penibel geltenden Deutschen nicht immer alles nach Plan läuft: „Als wir in Irland aufwuchsen, hörten wir unser ganzes Leben lang Geschichten über die erstaunlichen Transport- und Dienstleistungsangebote in Deutschland und darüber, wie alle deutschen Büros und das öffentliche Leben so gut organisiert, fast reglementiert, wie eine Armee waren. Im Vergleich dazu verfügt Irland über ein schreckliches Zugnetz, wobei ein großer Teil der Insel mit dem Zug nicht erreichbar ist, und schon gar nicht mit Hochgeschwindigkeitszügen oder Direktzügen ohne 17 Umstiege!“

Die Realität sah anders aus: Zwar erreiche das deutsche Zugnetz fast jede Kleinstadt. Doch Allen hatte nicht mit Verspätungen oder ganz gestrichenen Zügen gerechnet. „Oder noch besser: Auf dem Weg zu einem wichtigen Vorsprechen erfahren Sie, dass Ihr Zug wegen ‚starkem Wind‘ seine Fahrt nicht fortsetzen würde!“, erinnert sie sich an eher unglückliche Erlebnisse. Auch die berüchtigte Zugteilung hat ihr schon unverhofft neue Ziele beschert. Allen: „So oft bin ich in Treuchtlingen gelandet, einem Ort, den ich nur wegen der Deutschen Bahn kenne, weil ich im falschen Waggon des Zuges gesessen habe!“ Also ein echter Kultur-Schock. Aber sie will auch die positiven Seiten erwähnen: „Ich kenne kein anderes Land, in dem man für 49 Euro pro Monat kostenlos mit Regionalzügen durch das gesamte Land fahren kann, das ist großartig!“

Kako Kijima aus Japan hat sich in deutsches Bier verliebt

Kako Kijima hat sich in deutsches Bier verliebt. Foto: Staatstheater Augsburg

Tänzerin Kako Kijima studierte am Kobe College in Japan und gewann in ihrem Heimatland den ersten Preis in der All Japan Ballet Competition. Sie war auch an der Miami City Ballet School.

Seit der Spielzeit 2023/24 hat sie in Augsburg ihr erstes Festengagement. Und ähnlich wie López González freut sie sich über die kulinarischen Genüsse in Augsburg. „Hier in Augsburg habe ich zum ersten Mal Bier getrunken“, schreibt sie uns auf Englisch. Hier seit es sehr lecker und billig. „Ich habe gehört, dass 1516 in Deutschland das ‚Reinheitsgebot‘ erlassen wurde, nach dem nur Gerste, Hopfen und Wasser für Bier verwendet werden sollten“, weiß sie bereits. In Japan komme dagegen oft auch Reis, Mais oder Stärke ins Bier. Dort habe sie keines trinken können. „Aber ich habe mich ins Biertrinken verliebt, seit ich nach Augsburg gekommen bin“, sagt Kijima. Das sieht man zum Beispiel auch auf ihrem Instagram-Account, wo sie vor Kurzem ein Foto mit Bierglas mit dem Hashtag „germanbeer“ und „the best“ versehen hat.

Ein positiver Kultur-Schock für Claudio Zazzaro aus Italien: Künstler ist in Deutschland ein echter Beruf

Claudio Zazzaro schätzt die ungewohnte Ruhe im kleinen Augsburg. Foto: Di Undercover@its.me.diana

Der neapolitanische Tenor Claudio Zazzaro lebt seit rund anderthalb Jahren in Augsburg. Er zog des Berufs wegen her, und schätze aus dieser Sicht sehr „die Professionalität, das Verständnis und das herzliche Willkommen, mit dem ich aufgenommen wurde“. Die Augsburger haben ihm das Gefühl gegeben, weniger weit weg von zu Hause zu sein. „Genauso wichtig ist aber auch die Tatsache, dass die Bevölkerung hier in Deutschland wirklich am Theaterleben teilhat und eine Beziehung dazu hat. Das ist in der Kultur wirklich spürbar. Und die Tätigkeit als Künstler wird somit tatsächlich als Beruf angesehen — und nicht nur als zusätzliche Leidenschaft neben einem ‚echten‘ Beruf“, freut er sich.

Doch am Anfang sei der Start in Augsburg, wegen der Sprache und der Unterschiede im Lebensstil und der Kultur, nicht so einfach für ihn gewesen. „Ich finde, dass Augsburg eine sehr ruhige Stadt ist“, sagt Zazzaro – im Vergleich zu Neapel und Florenz, wo er auch bereits gelebt hat, sogar zu ruhig. „Ich schätze aber die Ruhe dieser Stadt auch sehr, und die Tatsache, dass alles in Reichweite ist, genauso wie ich die Natur hier und die Nähe zu den Alpen liebe — besonders im Sommer, wo sich alles verändert: sowohl die Landschaft mit den vielen Flüssen und Seen als auch die Stimmung der hier lebenden Menschen!“


Nur einen Wunsch hat der Sänger: „Ich würde mir vielleicht etwas mehr kulturelles Leben außerhalb des Theaters wünschen, also mehr Orte, an denen man Musik hören kann oder die den Bürgern interessante Möglichkeiten bieten, etwas in ihrer Freizeit zu unternehmen.“

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