Nach einer schweren Handverletzung, einer Operation und vielen Zweifeln ist Kanuslalom-Olympiamedaillengewinnerin Elena Lilik zurück im Boot. Im Gespräch mit dem Augsburg Journal erzählt die 26-Jährige, wie sie die schwierigste Phase ihrer bisherigen Karriere überwunden hat – und warum der Heim-Weltcup am Eiskanal für sie mehr ist als nur ein Rennen.

Als Elena Lilik im vergangenen Jahr bei den Olympischen Spielen in Paris startete, ahnte sie schon, dass etwas nicht stimmte. Schmerzen im Handgelenk begleiteten die Vorbereitung, verschwanden aber während der Wettkämpfe. „Ich habe nichts gespürt, da war so viel Adrenalin im Körper, und ich konnte es daher ausblenden.“ Nach den Spielen versuchte sie es mit Schonung, Physiotherapie, Cortisonspritzen – ohne Erfolg. Anfang dieses Jahres folgte die Operation. „Das Timing war echt schlecht“, sagt sie rückblickend. Die wichtige Wintervorbereitung fiel aus, mental war es eine schwere Zeit.

Denn während sie unbedingt weitermachen wollte, signalisierte der Körper: Stopp. „Man will, aber man kann nicht. Dazu gab es noch einiges zu verarbeiten von den Olympischen Spielen – das alles auf einmal war sehr viel und sehr schwer.“ Erst die Perspektive einer OP brachte Erleichterung. Der Weg zurück ins Boot war dennoch steinig: Training ging fast nur auf der Nachwuchsstrecke, denn der Eiskanal war zeitweise ohne Wasser, zudem das Risiko mit dem frisch operierten Handgelenk groß. Die Konsequenz: Das große Ziel, die nationale Qualifikation, verpasste Lilik, was wieder viel Zeit und Arbeit alleine bedeutete, ohne das gewohnte Umfeld. „Das war frustrierend.“

Unterstützung bekam Lilik dann vom bayerischen Nachwuchstrainer Vinzenz Hartl – ein Wendepunkt. „Ich habe gemerkt, wie gut es tut, nicht alles allein stemmen zu müssen. Das gemeinsame Training mit den jungen Sportlern hat mir so viel Spaß gemacht. Da hatte ich zum ersten Mal wieder das Gefühl: Es geht bergauf.“ Besonders erinnert sich Lilik dabei an eine Trainingseinheit: „Da haben sich die Jungs wahrscheinlich gedacht, die Alte dreht komplett durch, da hatte ich Freudentränen in den Augen, weil ich endlich wieder das Gefühl hatte, es ist annähernd wieder so, wie es einmal war.”

Elena Lilik: „Da war so viel Adrenalin im Körper“

Beim Deutschlandcup folgte die sportliche Bestätigung des Aufwärtstrends: Die 26-Jährige gewann alle ihre Rennen. Auch wenn die Nervosität groß war – das Comeback gelang. „Da war ich wirklich sehr, sehr nervös, weil ich richtig gespürt habe, wie alle Blicke auf mir liegen, aber es war eine gute Übung für den Weltcup.“ Dieser folgte kurze Zeit später in Prag. Auch wenn keine Medaille dabei rauskam, zog die Augsburgerin ein positives Fazit: „Es hat noch nicht alles funktioniert, aber ich bin mit dem Gefühl weggefahren, dass ich international immer noch mithalten kann.“ Heute sagt Lilik: „Ich bin wieder bei 100 Prozent – körperlich sogar stärker als vor der Verletzung.“ Nun gilt es, Kraft, Technik und mentale Konzentration optimal zu verbinden.

Ein Thema, das sie intensiv begleitet: Mentaltraining. Schon vor Paris hatte sie sich Unterstützung gesucht, nach der OP folgte ein neuer Ansatz – diesmal mit der früheren Skirennläuferin und Olympiasiegerin Hilde Gerg, die heute geführte Meditationen anbietet. „Gerade in Phasen, in denen man denkt: Bin ich gut genug? Reicht es? – da hilft es, den Kopf zu ordnen und Methoden zu haben, um sich selbst zu regulieren“, weiß Lilik.

Mit dieser Stärke im Rücken geht sie das nächste Highlight im Kalender an: Den letzten Weltcup der Saison in Augsburg. „Das war während der ganzen Verletzungszeit einer meiner größten Motivationspunkte. Hier bin ich groß geworden, hier habe ich alles gelernt.“ Der Eiskanal ist für sie mehr als nur eine Wettkampfstrecke: „Die internationalen Athleten lieben es, weil es so naturverbunden ist.“

Familienplanung: „Wenn, dann gebe ich das Go“

Doch der Kanal steht nicht immer zur Verfügung – ein Problem, das in diesem Frühjahr besonders deutlich wurde und für Diskussionen sorgte. Lilik sieht es pragmatisch: „Manchmal ist es gut, gezwungen zu sein, auf der Nebenstrecke an den Basics zu arbeiten.“ Für Nachwuchssportler sei die Situation schwieriger, da sie weniger flexibel trainieren können als die Profi-Athleten, die dank ihres Sportfördergruppenplatzes, wenn nötig, auch auf andere Strecken ausweichen können. Für die Zukunft des Eiskanals stehen Lösungsvorschläge im Raum, die die Befahrbarkeit auch bei sehr geringem Wasseraufkommen im Lech sicherstellen würden. Bis zur Fertigstellung dürfte es aber noch fünf bis sechs Jahre dauern. „Wichtig ist, dass das Problem erkannt ist und daran gearbeitet wird“, zeigt sich Lilik dennoch optimistisch.

Und die persönliche Zukunft? Olympia 2028 in Los Angeles ist noch kein konkretes Ziel, Familienplanung kein Tabu. „Wir machen uns Gedanken, aber für meinen Mann und mich war immer klar: Wenn, dann gebe ich das Go.“ Beispiele von erfolgreichen Comebacks nach einer Babypause gibt es – ob sie diesen Weg gehen möchte, lässt Lilik offen. „Ich will das genießen können und für die Familie da sein. Ob das neben dem Leistungssport so möglich wäre, kann ich jetzt noch nicht sagen.“

Für den Moment überwiegt die Dankbarkeit, wieder gesund im Boot zu sitzen. „Ich genieße die Saison mehr als früher. Im Winter sehen wir weiter. Aber jetzt will ich erst mal das schätzen, was ich mir erarbeitet habe.“

Elena Lilik ist endlich wieder fit und voll im Training am Eiskanal. Dort findet Anfang September der letzte Weltcup der Saison statt.

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