„Grün“ ist sie mit professioneller Leidenschaft, bunt könnte man am besten ihre modische Garderobe beschreiben – und leise wird sie auch nach ihrem 70. Geburtstag mit Sicherheit nicht sein. Claudia Roth, Augsburgs wohl bekannteste Politikerin, feiert am Donnerstag, 15. Mai 2025, ihren 70. Geburtstag. Wie sie ihren Jubeltag begeht und welche Licht- und Schattenseiten ein solch erfülltes Politikerinnen-Leben ausmacht, darüber sprach Verlagschefin Anja Marks-Schilffarth mit der Augsburger Bundestagsabgeordneten. Da sich beide schon lange kennen – und mögen – unterhielten sie sich vertraut mit „Du“.
AJ: Liebe Claudia, wie darf man sich den 70. Geburtstag einer bekannten Politikerin wie Dir vorstellen?
Roth: Ich feiere im Kreis von Freundinnen, Weggefährtinnen und all den wunderbaren Menschen, die mich über die Jahre begleitet haben. Es wird Musik, gutes Essen und sicherlich auch den einen oder anderen emotionalen Moment geben – aber mehr verrate ich nicht.
AJ: Wahrscheinlich träumen viele Frauen davon, mit 70 so gut auszusehen, wie Du. Wie machst Du das?
Roth (lacht): Danke für das schöne Kompliment! Ich glaube wirklich: Wahre Schönheit hat wenig mit äußeren Maßstäben zu tun – sondern sehr viel mit Ausstrahlung. Sie zeigt sich in einem offenen Lachen, in Neugier, in Menschen, die für etwas brennen. Und das ist alterslos. Am allerwichtigsten finde ich: Sich selbst treu bleiben. Gerade Frauen – und besonders Frauen in der Politik – bekommen ja ständig absurde Zuschreibungen: Zu bunt, zu grau, zu laut, zu leise, zu jung, zu alt. Mein Rat? Ignorieren. Die größte Kraft liegt darin, authentisch zu sein. Schönheit hat viele Gesichter – und das ist gut so.
Claudia Roth: Altern ist ein Privileg
AJ: Es gibt den Spruch: Jeder will alt werden, keiner will alt sein. Wie gehst Du persönlich mit dem Thema Alter um?
Roth: Ich finde wirklich: Altern ist ein Privileg. Das gerät manchmal aus dem Blick. Aber wir alle kennen Menschen, die viel zu früh gehen mussten – durch Krankheit, durch Schicksalsschläge. Ich denke oft an sie. Und genau deshalb empfinde ich große Dankbarkeit dafür, dass ich mit nun fast 70 Jahren fit, neugierig und voller Tatendrang bin. Natürlich merke ich mein Alter manchmal, klar. Mein wunderbares Team erinnert mich hin und wieder mit einem Augenzwinkern daran, dass man mit siebzig vielleicht nicht jeden Termin annehmen muss – und da haben sie ja auch nicht ganz unrecht (lacht). Ich versuche tatsächlich, besser auf mich zu achten und bewusst Kraft zu tanken.
Was mir dabei besonders hilft, ist ein gutes Umfeld – meine Familie, Freundinnen und Freunde, die mich erden. Und das ist vielleicht das größte Geschenk überhaupt.
AJ: Du bist ja in Ulm geboren und im bayerischen Schwaben aufgewachsen. Wenn Du zurückdenkst an Deine Kindheit und Jugend – was sind die krassesten Veränderungen im Vergleich damals zu heute?
Roth: Wenn ich an meine Kindheit und Jugend zurückdenke, denke ich zuerst an meine Großeltern: An die Spaziergänge mit meinem Opa durch den Wald, an die Nachmittage im Garten meiner Oma. Sie hat mir schon als kleines Mädchen mitgegeben, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen – für uns selbst, für andere und für unsere Umwelt. Diese tiefe Naturverbundenheit, diese Herzenswärme der Menschen – das ist für mich Heimat. Und das ist geblieben.
Aber natürlich hat sich auch vieles verändert. Die Klimakrise ist längst bei uns angekommen. In Babenhausen, meiner Heimat, haben wir vergangenes Jahr erlebt, was das konkret bedeutet: überflutete Straßen, zerstörte Häuser, Existenzen in Gefahr. Ich war vor Ort, habe mit den Menschen gesprochen – diese Bilder lassen mich nicht mehr los. Sie zeigen sehr klar: Wir dürfen nicht länger warten. Es reicht nicht, nur über Klimaschutz zu sprechen – wir brauchen auch konsequente Klimaanpassung, gerade in unseren Städten. Die Klimakrise ist nicht in der Ferne, sie erfordert unser aller Handeln. In meinem Wahlkreis Augsburg gibt es ein großartiges Projekt für eine klimaresiliente Stadt, das seit der letzten Wahlperiode mit Bundesmitteln unterstützt wird. Genau solche Ansätze brauchen wir jetzt überall. Und Bayern? Naja – sagen wir so: Es ist heute nicht mehr ganz so einseitig von Lodenmänteln und CSU geprägt wie früher (lacht). Es gibt viele engagierte Menschen, die sich für eine soziale, ökologische und offene Gesellschaft starkmachen – mit Herz, Haltung, Mut und Zuversicht. Das macht mir Hoffnung.
AJ: Vor Deiner politischen Karriere warst Du als Dramaturgin tätig und hast unter anderem die Band „Ton Steine Scherben“ gemanagt. Inwiefern hat diese Zeit Dein späteres politisches Handeln geprägt?
Roth: Schon die Zeit am Theater und bei Ton Steine Scherben war eine hoch politische Zeit, das haben Rio Reiser und die Scherben auch in ihren Songs ausgedrückt. Es war auch damals wichtig, sich einzubringen für die Veränderungen, die unsere Welt braucht. Ich wollte nicht nur meckern, sondern mich für meine Überzeugungen einsetzen. Die Kraft dazu kommt aus dem Grundverständnis für unsere Verfassung, für Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und aus der Vielfalt der Gesellschaft, in der wir leben. Damals wie heute ist es wichtig, diese Werte zu bewahren und für sie zu kämpfen.
Mit Hausboot auf Kulturreise
AJ: In Deinen 25 Jahren als Mitglied des Deutschen Bundestages hast Du verschiedenste Rollen übernommen, darunter Vizepräsidentin des Bundestages und Staatsministerin für Kultur und Medien. Welche Position war für Dich besonders prägend – und warum?
Roth: Jedes Amt, das ich übernehmen durfte, hat mich geprägt – und ich hoffe, dass ich auch das Amt geprägt habe. Ich bin dankbar für die vielen Erfahrungen und Begegnungen in meinem Leben, die bereits vor meiner Zeit im Bundestag begonnen haben – mit Ton Steine Scherben, mit meiner Zeit im Europäischen Parlament. Heute würde ich sagen, dass sich der Kreis mit meinem letzten Amt als Staatsministerin für Kultur und Medien wieder geschlossen hat. Ich komme aus der Kunst und bin dann Politikerin geworden. Als Kulturstaatsministerin konnte ich beide großen Leidenschaften verbinden: Kunst und Demokratie. Beide gehören zusammen und brauchen sich gegenseitig. So unterschiedlich die verschiedenen Rollen auch waren, so bedeutend war mir immer der Einsatz für die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und gegen Hass und Hetze, wie sie von Rechtsextremen im Bundestag verbreitet werden.
AJ: Wie und wo siehst Du Dich künftig in der Politik – und welche privaten Träume willst Du Dir noch erfüllen (Stichwort: Bucketlist?)?
Roth: Politisch habe ich so vieles erleben dürfen und viele Länder bereist. In den nächsten Jahren möchte ich mich voll und ganz meiner Heimat Augsburg widmen und den Menschen hier in unserer schönen Stadt noch intensiver helfen. Privat würde ich gerne irgendwann einmal länger in einem anderen Land leben – aber nicht als Tourist oder auf Delegationsreisen, sondern wirklich dort zu wohnen, um die Kultur und das Leben vor Ort hautnah zu erleben. Ich kann mir auch gut vorstellen, mit einem Wohnwagen oder besser noch mit einem Hausboot auf Kulturreise zu gehen: An jedem Reiseziel die lokale Kunst- und Kulturszene zu entdecken – von kleinen Buchläden über die Musikszene bis hin zu Independent-Kinos. Das würde mir großen Spaß machen.
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