Interview mit Ustersbacher-Chefin Stephanie Schmid zum 420-jährigen Brauerei-Jubiläum.
Augsburg Journal: Können Sie uns einen kurzen Rückblick über die Geschichte der Ustersbacher Brauerei geben?
Stephanie Schmid: Die Brauerei Ustersbach ist ein Familienunternehmen, das seit nunmehr 420 Jahren besteht. Früher wurde in nahezu jedem Haushalt Brot gebacken und Bier gebraut, das war also mit Sicherheit was eher kleines. Unser ältester, bekannter Vorfahr war Wolf Schmid, der 1605 Erwähnung findet, als er den „Zapfen zu Ustersbach besteht“, also das Schankrecht des Brauhauses in Ustersbach erwirbt. Daher gilt das Jahr 1605 als der Beginn der Brautradition unserer Familie. Nach einer wechselvollen Geschichte, die wir in den Tagebüchern unserer Vorfahren nachlesen können, ist mein Vater Kaspar Schmid 1965 nach seiner Ausbildung zum Braumeister in den Familienbetrieb eingestiegen. Auch damals noch war das eine kleine alte Dorfbrauerei mit Wirtshaus. Meine Eltern, Kaspar und Claudia Schmid, haben mit viel Unternehmergeist und Fleiß den Betrieb zur heutigen Größe geführt. Ich selbst habe in Augsburg Wirtschaftswissenschaften studiert und bin seit 1994 im Betrieb tätig und heute Geschäftsführerin. Mein Mann ist als technischer Betriebsleiter für den reibungslosen Ablauf der Produktion verantwortlich, meine Schwester, die leider schon verstorben ist, war als Braumeisterin für die Bierqualität zuständig und hat die Qualitätssicherung in unserem Betrieb perfektioniert. Unsere Lage im Naturpark empfinden wir als Geschenk und Verpflichtung –Qualität, Nachhaltigkeit und eine verantwortungsvolle Geschäftsführung sind unsere Leitsterne für die Zukunft.
420 Jahre Familientradition
AJ: Was unterscheidet Ustersbacher von anderen Brauereien?
Schmid: Wir blicken in diesem Jahr zurück auf 420 Jahre Brautradition. Auf Qualität und Verantwortung, auf nachhaltiges Denken und Handeln. Das sind Werte, die wir in der nunmehr 14. Generation leben. Wie alle deutschen Brauereien brauen wir getreu dem Bayerischen Reinheitsgebot von 1516: traditionell und nach bewährten Rezepturen mit sorgfältig ausgewählten Rohstoffen aus der Region. Was uns von anderen Brauereien unterscheidet ist das konsequente Investieren in innovative Technologien. Zum einen dient das dazu, den Bierpreis über Energieeinsparungen moderat zu halten und zum anderen geht es Hand in Hand mit dem Schutz unserer Umwelt. Das reicht vom Mehrwegsystem über umweltfreundliche Kälteanlagen bis hin zur Nutzung regenerativer Energien. Dieser „grüne Weg der gelben Marke “ liegt in der Natur unseres Familienunternehmens. Wir denken nicht in Quartalen sondern in Generationen.
AJ: Woher kommt das Wasser für das Ustersbacher Bier?
Schmid: Unser Brauwasser stammt aus unserem 140 Meter tiefen Mineralwasserbrunnen. Die Anforderungen bei Mineralwasser sind weit höher als die Anforderungen an Trinkwasser. Kommunales Trinkwasser darf aufbereitet oder aus mehreren Wässern gemischt werden, Mineralwasser hingegen muss aus einem geschützten Vorkommen stammen und muss von ursprünglicher Reinheit sein. Das macht es auf jeden Fall zur besseren Wahl. Und was die momentane Diskussion um den Wassercent betrifft – es wird so getan, als ob man als Bürger für sein Wasser bezahlen müsse und die Brauer hingegen nicht, dem ist aber nicht so. Der Wasserpreis für die Allgemeinheit beinhaltet keinen Anteil für das Wasser selbst sondern ergibt sich aus den Kosten für die Förderung und die Zuleitung an die einzelnen Abnehmer – und genau so ist das bei den Brauereien auch. Mir ist jedenfalls ein kontrolliertes Mineralwasser aus der Glasflasche deutlich lieber als ein Wasser, das vielfach aufbereitet wurde und über eine zweifelhafte Leitung aus einem verchromten Wasserhahn kommt. Aber es soll ja jetzt ums Bier gehen, in diesem Interview.
Claudia und Kaspar Schmid
Josef Geh und Stephanie Schmid
AJ: Man liest auch immer über Auszeichnungen für die Ustersbacher Biere. Wie stellen Sie die hohe Qualität der Biere sicher?
Schmid: Das geht nur mit großer Sorgfalt beim Brauen, im Lagerkeller und bei der Abfüllung in Flaschen und Fässer: Und das heißt kontinuierliche Erneuerung. Unsere Anlagen sind auf dem neuesten Stand der Technik, was eine gleichmäßige Qualität ermöglicht und schon die halbe Miete ist. Dank unseres schonenden Kochsystems Stromboli bleibt z. B. das Hopfenaroma viel besser erhalten und unsere Biere haben einen schönen Schaum. Unsere moderne Kälteanlage und der Bierfilter neuester Generation garantieren eine gleichmäßige Filtration, und das ist wichtig für die Haltbarkeit der Biere.
Dazu kommt der sorgfältige Einkauf von Hopfen und vor allem Braumalz. In unserem Betriebslabor haben wir strenge Eingangskontrollen. Was nicht passt, wird nicht angenommen. Wir verwenden außerdem immer frische Brauhefe, die wir in unserer eigenen Reinzuchtanlage vermehren. Zusammen mit der mehrwöchigen Lagerung und Reifung bei tiefen Temperaturen sorgt das für einen feinen und frischen Geschmack der Biere und eine gute Haltbarkeit.
Bier für regionale Bierliebhaber
AJ: Es gibt mittlerweile viele internationale Bierwettbewerbe, beteiligen Sie sich auch daran?
Schmid: Nein, uns ist – mal ganz salopp gesagt – egal, ob unser Bier in Übersee oder sonst wo schmeckt. Dort gibt es doch ganz andere Bierstile, und Geschmack ist ja auch was sehr Regionales. Wir brauen für die Bierliebhaber hier in unserem Absatzgebiet und daher beteiligen wir uns ausschließlich an den unabhängigen Qualitätstests der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft. Darüberhinaus gibt es ja auch viele Bierclubs – ich nenns mal organisierte Bierfreunde, die regelmäßig unsere Biere verkosten. Und wenn wir da die Nachricht erhalten, dass eines aus unserem Hause das „Bier des Monats“ geworden ist, dann sind wir natürlich sehr stolz. Es gibt zudem viele Menschen, die uns direkt anschreiben und sich fürs gute Ustersbacher bedanken, was mich persönlich ganz besonders freut. Wer schreibt heute schon noch, um ein Lebensmittel zu loben! Umso schöner ist das dann.
AJ: Wie siehts bei Ustersbacher aus hinsichtlich des Fachkräftemangels?
Schmid: Wir haben insgesamt 100 Mitarbeiter und bilden regelmäßig technische wie kaufmännische Lehrlinge aus. Das sichert den Nachwuchs in den Bereichen Braubetrieb und Verwaltung. Problematischer ist es in den Bereichen Abfüllung und Logistik. Doch insgesamt sind wir gut aufgestellt dank einer fairen und guten Bezahlung, unserer modernen und arbeitserleichternden Ausstattung und dank des familiären Betriebsklimas. Auch unsere nachhaltige Firmenphilosophie kommt bei unserer Belegschaft gut an.
Belegschaft 1957 – Belegschaft heute
AJ: Wird es Ustersbacher mal aus der Dose geben?
Schmid: Also wenns nach mir geht, dann nicht, aber auch bei uns gilt: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, und nicht dem Angler. Wenn der Markt sich in diese Richtung entwickelt, dann müssen wir mitgehen. Ich sehe das aber nicht. Momentan liegt der Bierabsatz in Mehrweg-Glasflaschen bei rund 85%, die Dose kommt auf rund 8%. Es gibt für Getränke die regional vertrieben werden keine bessere Verpackung als die umwelt- und produktfreundliche Glasmehrwegflasche. Unser Absatzgebiet beschränkt sich bei Bier auf einen Kreis von rund 50 km um die Brauerei herum und Glasflaschen kommen auf rund 20 Jahre Umlauf, das ist sensationell. Werden sie irgendwann doch durch unsere Flascheninspektionsanlage ausgeschleust, dann kommen sie in eine Glashütte im Allgäu zum Einschmelzen und es werden ohne Verluste neue Flaschen daraus. Ist das nicht genial?
AJ: Und dennoch findet man im Italien-Urlaub auch Ustersbacher Bier. Wie kommt das?
Schmid: Italien ist für mich als Exportland vertretbar aufgrund der Nähe – und ich male mir aus, dass die LKW, die bei uns Bier für unsere Kunden in Italien abholen, ja auch schönen Rotwein und feines Olivenöl nach Deutschland bringen. Darauf würde ich jetzt ungern verzichten. Und es ist zudem nur ein winzig kleiner Anteil unserer Produktion, der ins Ausland geht.
AJ: Kommen wir zu Ihrem Fuhrpark. Die „Gelbe Flotte“ sticht ja sofort ins Auge. Wie viele LKW haben Sie denn?
Schmid: Unser Fuhrpark umfasst ca. 15 eigene Fahrzeuge und mir ist wichtig, dass unsere Lastwagen die höchsten Abgasnormen erfüllen – und auch gut aussehen.
Erster LKW 1927 im Fuhrpark
Fuhrpark heute
AJ: Wie viele Hektoliter brauen Sie im Jahr?
Schmid: Fragen dürfen Sie mich das, aber das wird bei uns in alter Tradition geheim gehalten und wir sind sehr auf die Pflege von Traditionen bedacht. Aber so viel sei verraten, wir gehören schon eher zu den größeren mittelständischen Brauereien in Mittelschwaben. Das kommt aber daher, dass wir neben Bier zusätzlich Limonaden herstellen und Mineralwasser abfüllen.
AJ: Die Braubranche steckt derzeit in der Klemme, liest man immer wieder …
Schmid: Ja, der Bierabsatz ist rückläufig, schon seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten. Das merkt eigentlich jeder in seinem Umfeld. Die Gründe sind strengere Verkehrsregeln, die auch absolut in Ordnung sind, Alkoholverbote am Arbeitsplatz, ein gewollter Alkoholverzicht sowie der Trend zu Spirituosen und noch viele Gründe mehr. Das spiegelt sich natürlich in den Pro-Kopf-Zahlen wider. Der Bierkonsum ist von rund 150 Litern in den 70er Jahren auf jetzt unter 90 Liter gesunken, da entstehen Überkapazitäten und deren Abbau ist ein völlig normaler Vorgang. Was oft vergessen wird, ist die wirtschaftliche Bedeutung von Brauereien. Die deutsche Brauwirtschaft beschäftigt rund 30.000 Menschen in ihren Betrieben, mit den Zulieferern aus Landwirtschaft und den Sektoren Verpackung, Transport und Marketing hängen mehr als 500.000 Arbeitsplätze an der deutschen Brauwirtschaft. Mit Biersteuer, den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer und den Beschäftigungsverhältnissen tragen die deutschen Brauereien mit rund 7 Milliarden Euro zum Staatshaushalt bei, aber das nur am Rande. Wir stellen neben Bieren auch Erfrischungsgetränke her, und zusammen mit unserem Mineralwasser ist das von großer Bedeutung in einem schrumpfenden Biermarkt.
Sudhaus früher
Sudhaus heute
AJ: Ja richtig, die Wita- und Flumi-Limonaden und das Mineralwasser mit dem Schmetterling kommen ebenfalls aus Ihrem Hause …
Schmid: So ist es. In den 70er Jahren haben wir mit der Herstellung unserer beliebten Erfrischungsgetränke begonnen. Wir verwenden nur echte, hochwertige Grundstoffe und nur echten Rübenzucker und keinen billigen Glucosesirup. Unsere Rezepte sind tatsächlich die gleichen wie damals und wir arbeiten bis heute mit demselben Lieferanten zusammen! Darum schmecken unsere Limonaden noch „wie bei Oma“. Unser mit Abstand beliebtestes Erfrischungsgetränk ist Cola-Mix. Und auch wenn gerade jede Woche neue Varianten auf den Markt drängen, ist unser Cola-Mix mit seiner seit 50 Jahren unveränderten Rezeptur eine Erfolgsgeschichte. Ich finde es fürchterlich, was heute teilweise an Getränken am Markt ist, und ich kann nur empfehlen, mal einen Blick auf das Etikett zu werfen. Das Zutatenverzeichnis mancher Getränke liest sich wie das eines Haarshampoos. Wenn also Limo, dann bitte die gute!
AJ: Wie wichtig ist für Sie Werbung?
Schmid: Werbung ist sicher wichtig, denn man greift im Normalfall schon eher zu Produkten, die man kennt und die in bunten Bildern schön präsentiert werden. Der Verbraucher wägt heute aber schon auch ab, was er für sein Geld bekommt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ein entscheidender Faktor im Kaufverhalten. Uns war und ist wichtig, dass unser Bier immer erschwinglich bleibt und man sich nicht fragen muss, ob man sich nun ein zweites leisten kann und möchte oder nicht. Ich selbst drück das gerne so aus: Bier ist Breitensport – wir sind Fußball, nicht Golf. Was uns und unseren regionalen Brauerkollegen Sorge bereitet, ist der Aktionismus im Biermarkt, die großen Fernsehbiere verdrängen mit ihrem Preiskampf die regionalen Biermarken. Vor diesem Hintergrund ist es mehr denn je erforderlich, dass wir die zur Verfügung stehenden Mittel zielgerichtet und bestmöglich einsetzen. Ich selbst bin der Meinung, Werbung muss ein Lächeln ins Gesicht zaubern und einen Unterhaltungswert haben, dann bleibt ein Produkt positiv in Erinnerung – und vielleicht wird es dann ja auch gekauft.
Bräustüble früher
Bräustüble heute
AJ: Was ist ihre erste Kindheitserinnerung an die Brauerei? Gibt es die?
Schmid: Die gibt es, das waren die alten Bierkeller mit ihrem frischen Geruch und der Eisbereitung. Diese langen leuchtenden Stangen Eis, die in Behältern hergestellt wurden, die in den Boden eingelassen waren und oben Griffe hatten, die aus dem Boden ragten. Der Brauer zog das Eis quasi aus dem Boden, das war für mich als Kind faszinierend. Ich denke, die Stangen waren so rund eineinhalb Meter lang, vermutlich waren sie viel kleiner, als Kind kommt einem ja vieles größer vor, als es tatsächlich ist. Und die Behälter steckten auch nicht im Boden sondern hingen in einem Solebecken das unter dem Betonboden verborgen war. Und noch eine schöne Erinnerung hat mit Eis zu tun. In unserem Bräustüble stand im Gang eine Eistruhe, und darin war mein Lieblingssteckerleis, das hieß Split.
AJ: Letzte Frage: Ihr persönliches Lieblingsbier?
Schmid: Ich bin da ehrlich sehr flexibel – früher habe ich nur Pils getrunken, und ich mag auch heute noch gerne sehr hopfige Biere. Gerade wurde wieder unser Goldrausch abgefüllt, den wir immer brauen, wenn wir eine schöne Auszeichnung bekommen, das ist dann am Abend mein letztes Feierabendbier. Mittags gibt’s gern mal ein Freibier, also unser alkoholfreies Helles, und zur Brotzeit trinke ich momentan gern ein Helles, bevorzugt unser Schnelles Helles in der kleinen Flasche, weils einfach länger kühl bleibt. Manchmal hab ich aber auch richtig Lust auf ein Weizen. Und dann denk ich mir, es ist echt toll, wenn der Familienbetrieb eine Brauerei ist, ich steh einfach voll hinter dem Produkt. Mir schmeckt Bier!
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