Es gibt Menschen, denen sieht man ihren Beruf oder ihre Hobbys auf den ersten Blick an und dann gibt es André Ortolf. Von außen wirkt der Augsburger wie ein ganz normaler junger Mann. Doch hinter seinem Auftreten steckt ein wahrer Rekordmann. Niemand in Deutschland hält mehr offizielle Guinness-Weltrekorde. Der 31-Jährige betreibt das nicht als Beruf, sondern als Berufung – neben seiner Arbeit in der familiengeführten Recyclingfirma.
„Ich fand das Guinness-Buch schon immer spannend“, erzählt er im Gespräch mit dem Augsburg Journal. „Als ich noch jünger war, lag das damals an Weihnachten unter dem Baum und ich hab’s durchgeblättert. Aber ich dachte nie: Das könnte ich mal selber machen.“ Es blieb bei der Faszination – bis Ortolf über den Namen Ashrita Furman stolperte, den damaligen Rekord-Weltmeister. Dessen Liste an Bestleistungen inspirierte ihn – und brachte ihn auf seinen allerersten Versuch: 100 Meter in Holzclogs.
„Ich war im Leichtathletikverein, wusste, was ich auf 100 Meter draufhabe“, erinnert sich Ortolf. „Der Rekord lag bei 17,5 Sekunden. Ich dachte: Das krieg ich hin.“ Er schlüpfte in die klobigen Holzschuhe, stellte mit seinem Sportlehrer eine Kamera auf – und rannte. 16 Sekunden. Weltrekord.
Ortolf schickte das Video ein, wartete drei Monate – und bekam schließlich Post: eine Guinness-Urkunde. „Da dachte ich: Geil. Das geht ja wirklich.“ Der Startschuss war gefallen. Seitdem reiht sich Rekord an Rekord: 100 Meter in Skistiefeln, Seilspringen in Skistiefeln, Zitronen blind fangen, Wackelpudding mit einem Fuß essen, Blaubeeren in Rekordzeit verputzen. Die Liste ist so absurd wie beeindruckend.
„Ich liebe Strategie“, sagt Ortolf. „Ich analysiere jede Challenge, lese mir die Regeln durch, schaue, wo die Lücken sind. Zum Beispiel beim Blaubeeren-Essen: Es steht nicht drin, wie groß die sein müssen. Also nehme ich Tiefkühlbeeren – die sind viel kleiner. Dann bin ich mit meinem Gesicht ganz nah ran. Zack, zack, zack – so habe ich 135 in einer Minute geschafft, drei mehr als der davorige Weltrekord.“
38 Blaubeeren blind mit Stäbchen verspeiste der Rekordjäger in einer Minute am 5. Mai 2021
André Ortolf: Hinter jedem Weltrekord steckt mehr dahinter als man denkt
Besonders stolz ist Ortolf auch auf seinen Kampf gegen internationale Konkurrenz: „Ich hab den Weltrekord aufgestellt im Wackelpudding mit Stäbchen essen – und damit einen Japaner geschlagen. Das fand ich schon sehr cool.“ Andere Disziplinen sind deutlich gefährlicher. Für den Rekord im Halten einer brennenden Fackel mit den Zähnen trainierte er zwei Jahre lang. „Da steckt mehr dahinter, als man denkt. Es geht nicht nur um Show, sondern um Technik, Ausdauer, Risiko.“ Am Ende schaffte er das Kunststück für über fünf Minuten.
Trotz Medieninteresse, TV-Auftritten und Social-Media-Präsenz sieht Ortolf seine Rekorde vor allem als persönliche Mission – nicht als Mittel zum Ruhm. „Ich mache das nicht, um berühmt zu werden. Aber ich glaube, man kann Leute damit inspirieren“, sagt er. „Wenn jemand wie ich 200 Weltrekorde aufstellen kann, dann kann jemand anderes auch etwa seinen Uniabschluss schaffen. Alles fängt bei null an.“
Seine Botschaft bringt er ab sofort auch in Buchform unter die Leute: Ein Kinderbuch mit echten Guinness-Rekorden für unter 16-Jährige ist mittlerweile auf Amazon erhältlich. Ein Erwachsenenbuch mit 365 nachmachbaren Rekorden ist bereits in Arbeit.
Langfristig möchte Ortolf nicht nur Weltmeister werden – also der Mann mit den meisten Weltrekorden auf der ganzen Welt, sondern auch neue Maßstäbe setzen – und auf jedem Kontinent einen Rekord aufstellen. Im Oktober startet er in Wien mit dem Besuch von 150 Kaffeehäusern in 24 Stunden. Auch seine Idee von der „höchst ausgelieferten Pizza“ treibt ihn um. Dafür plant er eine Expedition auf den Acocagua in Argentinien, der 6.962 Meter hoch ist in Südamerika – mit Pizza auf dem Rücken.
Und wie kommt das in seiner Heimatstadt an? „Augsburg ist da speziell“, sagt Ortolf mit einem Grinsen. „Viele meiner Kunden im Recycling-Laden belächeln das eher so nach dem Motto: ‚Jetzt hat er schon wieder anderthalb Kilo Wassermelone gegessen.‘ Aber für mich ist das mehr. Das ist das, was ich richtig gut kann. Und deshalb sag ich: Ich will Weltmeister werden – auch wenn’s nur für ein Jahr ist.“
Eine Flasche Chilisoße in 7,84 Sek. trank Ortolf am Dezember 2023 – Rekord!
74 Zitronen fing der Augsburger am 1. Februar 2020 blind und fehlerfrei.
„Hut-Stapler“ Der größte Stapel gleichzeitig getragener Hüte war ganze 1,46 Meter hoch (26. Juni 2024).
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