„Sie war mein Leben – 15 Jahre lang“, sagt Anja Binieck (42) emotional bewegt. „Sie“ ist keine Person, sondern eine Augsburger Kult-Kneipe: die Auster. Zentral gelegen in der Heilig-Grab-Gasse gehört die Bar zu den wenigen Night-Locations, die sich über Jahrzehnte erfolgreich gehalten haben.
„Auster-Anja“ gehört dabei zu den längsten Konstanten in der bewegten Geschichte des pittoresken kleinen Lokals mit seinen wunderschönen Fresken übers ganze Gewölbe. „Wer die alles gemalt hat“, lacht die gebürtige Niederbayerin – und erinnert sich an viele „coole Typen“, die die hübsche Gastronomin nach ihrem Start beeindrucken wollten.
Dabei hat sie selbst in den Jahren immer wieder den Kirchenmaler kommen lassen, um das kunstvolle Ambiente der aus den 80er Jahren stammenden Kultstätte auf Vordermann bringen zu lassen. „Von Montag bis Sonntag hatte ich nur die Auster im Kopf“, resümiert die gelernte Hotelfachfrau „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“.
Neues Pächter-Pärchen lernen sich in der Auster kennen
Gut lachen hat sie, weil mit Christina Maser (41) und Andreas Wufka (39) ein Paar übernimmt, das ihr „Vermächtnis“ nicht nur weiterführen, sondern sogar noch deutlich ausbauen will. „Statt wie zuletzt nur Freitag und Samstag öffnen wir auch wieder am Mittwoch und Donnerstag. Dazu gibt’s am frühen Abend auch kleine Snacks – Christinas Spezialität, weil sie aus dem Bereich kommt“, sind sich die beiden einig. LoveFact: Vor gut einem Jahr lernten sich die Beamtin aus Aichach und Andreas, der schon drei Jahre lang im Nebenjob Anja in der Bar unterstützte, in der Auster kennen – und lieben.
Traurig sind freilich die Umstände, die Anja seit 2018 einschränken und auch ein Stück weit ihren Ausstieg begründen. Damals ging die Chefin mutig bei einer Schlägerei vor ihrem Lokal dazwischen, um zu schlichten. Stattdessen geriet sie dazwischen und trug zwei Hirnblutungen davon, die sie bis heute gesundheitlich beeinträchtigen.
Aber sie sieht es positiv: „Ich freu mich sehr, endlich Gast sein zu dürfen – ohne schlechtes Gewissen“. Somit begegnet sie ihren geliebten Stammgästen, die ihr in der Auster immer treu waren – im bewährten „Wohnzimmer-Feeling“ des Lokals – weiterhin, nur auf anderer Ebene: „Das wichtigste ist, dass es mit der „alten Dame Auster“ gut weitergeht – und davon bin ich bei Christina und Andi überzeugt!“
Anja Biniek: Mehr Zeit für Sohn, Hund & Hobbies
Wie es für Anja nach dem Auster-Aus persönlich weiter geht, das lässt sie erst einmal auf sich zukommen. „Während der Corona-Zeit habe ich angefangen, leidenschaftlich gern zu malen. Mein Traum wäre schon, irgendwann mal eine richtige Ausstellung zu machen,“ so die stolze Mama, deren 19-jähriger Sohn Raoul gerade sein VWL-Studium in Augsburg begonnen hat. Auch da gibt’s freilich wehmütige Erinnerungen. Anja: „Als ich die Auster damals übernommen habe, war er im Kindergarten. Jetzt ist er erwachsen und startet praktisch ins Berufsleben.“
Und auch wenn es die „alte Dame Auster“ in Anjas Leben nicht mehr gibt, so beansprucht dafür ein „alter Herr namens Lothar“ jetzt umso mehr ihre Aufmerksamkeit. 17 Jahre alt ist ihre Promenadenmischung aus Thailand inzwischen – aber immer noch munter. So gesehen wird’s in Anjas Leben bestimmt nicht langweilig – auch nach der „Ära Auster“.
Mischling Lothar (li.) freut sich über Anjas neue Freiheit, die sie aber auch vermehrt zum Malen nutzen will (re.).
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