Anna Görlitz ist transgender und Augsburger CSU-Mitglied. Sie erzählt über ihren Lebensweg, ihr Outing und über ihre trans-freundliche Partei.

Bunte Flaggen und Partymusik. Am Samstag feiert auch Augsburg den Christopher Street Day (CSD). Gay, queer, Party. Präsenz zeigen ist die Message: Wir sind hier, wir sind queer. Wir haben mit Anna Görlitz gesprochen. Sie feierte mit. Die Augsburgerin ist transgender und Mitglied in der konservativen CSU. Geht das?

„Etwas stimmt mit meinem Äußeren nicht, das ist mir aufgefallen, da war ich erst sechs oder sieben Jahre alt.“ So eine Aussage fällt nicht jeden Tag. Sie kommt von Anna Görlitz. Die 45-Jährige ist mit ihrer Firma „Conlance“ eine erfolgreiche Augsburger Unternehmerin. Zudem mischt sie in der Kommunalpolitik mit.

Anna Görlitz ist stellvertretende Vorsitzende des Augsburger CSU-Ortsverbands 4, stellvertretende Bezirksvorsitzende in der Mittelstandsunion und Digitalbeauftragte – kooptiert im Landesvorstand der Mittelstands-Union Bayern. Und Anna Görlitz ist transgender – eine Frau, die im männlichen Körper geboren ist. Schon seit ihrer Kindheit merkt sie, dass sie anders ist, hat das aber jahrzehntelang verschwiegen. Damit ist nun Schluss. Die rechtlichen Schritte sind getan, Anna Görlitz ist offiziell eine Frau. Und dass sie mit ihrer Geschichte längst nicht allein ist, zeigen die 4500 Gleichgesinnten auf dem CSD.

Begonnen haben ihre Zweifel mit einem Traum von der Erstkommunion. Damals noch als kleiner Junge träumte Görlitz, dass sie ein Kommunionkleid bekäme. Stolz und glücklich zeigte sie es dem Nachbarsjungen. Dann wachte sie auf, der Traum vom weißen Kleid war vorbei. „Und als ich aufgewacht bin, hing da im Schrank dieser beschissene Kommunionanzug“, erinnert sie sich. Ein seltsames Gefühl sei das gewesen. „1985 gab es kein Internet und da denkt man dann, dass man die einzige Person ist, der es so geht“. Es folgte eine Kindheit und Jugend voll Ungewissheit.

Bis sie sich einer Nachbarin und Freundin anvertraute. Diese verstand schnell: „Na dann, schminke ich dich mal“, war die Reaktion. Für Görlitz änderte sich alles. „Ab 2005 bin ich dann am Wochenende eigentlich nur noch als Anna unterwegs gewesen“, sagt sie. Den neuen Namen habe sie natürlich gebraucht, „Ich konnte ja nicht als Frau in die Disko gehen und meine Freunde rufen mich bei einem männlichen Namen“. Silvester 2006 hat Görlitz sich dann schließlich vor ihren Freunden geoutet. Für diese war das kein Problem. Und auch ihre heutige Ehefrau Sandy Schneider-Görlitz akzeptierte es sofort. „Es war eine kleine Umstellung, aber die Person ist ja die gleiche geblieben“, erzählt die 43-Jährige. Bereits ihren zehnten Hochzeitstag feiern die beiden in diesem Sommer.

Anna Görlitz trans: Outing vor 50 Menschen

Trotz des unternehmerischen Erfolgs und des familiären Glücks mit Ehefrau Sandy lebte Görlitz immer unglücklicher. Denn im Business-Leben war sie nach wie vor ein Mann. Wer sie wirklich ist, zeigte sie weiterhin nur privat. „Letzten Sommer ist das dann für mich komplett gekippt“, erzählt Görlitz. „Ich konnte mich selbst nicht mehr im Spiegel anschauen und mit dem 45. Geburtstag kam dann die Frage: Wer bin ich? Weil ich immer zwei Leben gelebt habe“. Eine Lösung musste her.

Bereits der erste Besuch bei einem auf Transmenschen spezialisierten Therapeuten brachte die Entscheidung. „Frau Görlitz, bei einer Indikation sehe ich bei Ihnen keine Probleme“, sagte der Therapeut. Die Indikation ist ein Attest für die Verschreibung von Hormonen, die der Angleichung zur Frau dienen. Auch geschlechterangleichende Maßnahmen hat Görlitz bereits hinter sich. Pläne, sich umoperieren zu lassen, hat die Geschäftsfrau jedoch nicht. „Bei einer solchen Operation falle ich wieder sechs bis acht Wochen aus, das geht als Unternehmerin nicht einfach mal so“, begründet sie diese Entscheidung. Trotzdem: Die ersten großen Hürden waren geschafft.

Doch die nächste wartete bereits: Das Outing vor Geschäftskunden, Personal und Kollegen in der CSU. Die Angst davor wurde ihr aber schnell genommen. Bei einem Trainings-Slot der Business Network International (BNI) kam dann der große Moment. Nach einer Einleitung zu dem Thema „Entscheidungen“ von Trainer Christian Lippert kam Anna Görlitz auf die Bühne und verkündete vor circa 50 Menschen: „Ja liebe Leute, ich bin übrigens trans und höre auf den Namen Anna“. Die Reaktionen waren durchgehend positiv.

Als Mann in der CSU aktiv, als Frau wiedergewählt

Auch in der konservativen CSU verlief das Outing überraschend einfach. „Die Union ist, so glaube ich, bunter, als es nach außen scheint“, erklärt Görlitz. Ein besonders aktiver Unterstützer war der Landtagsabgeordnete Andreas Jäckel. Er habe sie nach ihrem Outing zu sich ins Büro eingeladen, um ihr seine vollste Unterstützung zuzusagen. Generell behandelt Jäckel das Themenspektrum LGBTQ (lesbisch, schwul, bisexuell, transgeschlechtlich und queer, also alle, deren sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sich nicht mit den gängigen Kategorien der Zwei-Geschlechter-Ordnung erfassen lassen) intensiv. Dass Anna Görlitz nun PolitikerIN ist, sieht er entspannt. „Im Grunde war Frau Görlitz in der CSU als Mann lange aktiv und jetzt wurde sie eben als Frau wieder gewählt“, so Jäckel auf Anfrage des AUGSBURG JOURNALS.

Auch Ministerpräsident Markus Söder verspricht, von nun an queere Themen mit in den Aktionsplan aufzunehmen. Der konservative Ruf der CSU sei laut Jäckel nicht mehr zeitgemäß: „Für die CSU ist ja zum Beispiel Ehe und Familie ein wichtiger Baustein. Das haben wir natürlich auch auf gleichgeschlechtliche Paare erweitert“. Und das Wichtigste: Anna Görlitz fühlt sich wohl in der CSU. Obwohl diese ihren Fokus nicht primär auf LGBTQ-Themen legt, ist die Partei genau der richtige Ort für sie. „Ich dachte erst, weil ich trans bin, bin ich bei den Grünen richtiger aufgehoben. Aber ich habe eben noch ein Leben neben trans“, so Görlitz.


Beim Cristopher Street Day war Görlitz dabei. Gemeinsam mit Ehefrau Sandy, zwischen all den Gleichgesinnten, sieht man es ihr an: Sie ist endlich glücklich. Der lange Weg hat sich gelohnt. Heute postet sie Bilder von sich im geblümten Kleid auf Instagram (@ anny.goerl), im Gesicht steht ein breites Grinsen. Dazu schreibt sie: „Es ist so wichtig, sich in seiner Haut wohlzufühlen und seine Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen, egal wie man sich identifiziert. Als trans Frau fühle ich mich heute besonders strahlend und selbstbewusst!“

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