Im Kalender ist Halloween – und bei unzähligen Kindern treiben üble Horrorgestalten ihr Unwesen auf dem Mobiltelefon. Nur ein Beispiel, das genannt wird, wenn es darum geht, ob und wie Kindern und Jugendlichen der Zugriff auf Inhalte des Internets beschränkt oder gar verboten werden soll.
Während Caritas-Suchtexperte Niels Pruin ein staatlich festgelegtes Mindestalter für bestimmte Apps für längst überfällig ansieht, fordert Bayerns Digitalminister Fabian Mehring „Medienkompetenz statt Verbotsstaat“.
Gerade hat Australien eine Altersbegrenzung für Social-Media-Apps eingeführt, insgesamt zehn Plattformen wie TikTok, Instagram oder Facebook für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren verboten. Auch Deutschland diskutiert das Thema intensiv, denn für viele Jugendliche gehören solche Plattformen längst zum Alltag. Doch genau darin sieht Niels Pruin, der beim Caritasverband für die Diözese Augsburg das Fachgebiet Medien- /Internetsucht leitet, eine wachsende Gefahr. Der Suchttherapeut betont in einer Mitteilung: „Der Übergang von normaler Nutzung zu Abhängigkeit ist oft fließend – und wird von den Plattformen durch gezielte Mechanismen sogar begünstigt.“ Ein staatlich festgelegtes Mindestalter für bestimmte Apps halte er daher für „nicht nur sinnvoll, sondern längst überfällig.
Niels Pruin sieht in einem Verbot nur ein Teil der der Lösung
„Sollen Kinder und Jugendliche nur noch beschränkt Zugriff auf Internet-Plattformen wie Instagram oder TikTok haben? Während das Parlament in Australien diese Frage bejaht und ein Verbot für ein Alter bis zu 16 Jahren beschlossen hat, geht die Debatte in Deutschland hin und her. Caritas-Suchtexperte Niels Pruin bezeichnet die Beschränkungen als dringend angebracht. Gleichzeitig verweist der Experte darauf, dass ein Verbot oder eine Altersbegrenzung nur ein Teil der Lösung sei. Eltern bräuchten Unterstützung – zum Beispiel durch klare gesetzliche Vorgaben. Diese müssen die Grenzen transparent machen und haben einen Vorteil: Sie nehmen den sozialen Druck aus Familien.
Viele Mütter und Väter haben Angst, ihre Kinder könnten ohne Social Media Außenseiter werden. Einheitliche Regeln könnten hier entlasten und das Argumentieren gegenüber dem Nachwuchs erleichtern, weil „alle anderen Kinder das auch nicht dürfen“.
Wesentlich bleibe jedoch die elterliche Begleitung: Kinder Schritt für Schritt in die digitale Welt einführen, viel reden, gemeinsam reflektieren und echte soziale Bindungen im Alltag stärken. Pruin unterstreicht: „Regulierung ist wichtig, Prävention mindestens genauso. Wenn Kinder echte Beziehungen und reale Räume für Austausch und Erlebnisse haben, verhindern wir, dass digitale Plattformen übermächtig werden.“
Aktive Digitalpolitik anstatt Beschränkungen
Bayerns Digitalminister Fabian Mehring warnte in diesem Zusammenhang davor, dass Europa diesem australischen Kurs folgt. Die Debatte zeige, wie schnell freiheitsbeschneidende Maßnahmen für junge Menschen global Schule machen könnten. Für Bayern und Europa sei dieser Weg jedoch „grundfalsch“. Mehring betont: „Es ist geradezu spektakulär bis absurd, dass ausgerechnet Teile der Boomer-Generation den Digital Natives das Internet verbieten wollen. Die Augen zu verschließen und mit Verboten zu reagieren, löst kein Problem.“ Statt restriktiver Vorgaben setzt der Minister auf Befähigung: „Medienkompetenz ist die Schlüsselkompetenz unseres Jahrhunderts. Junge Menschen, die ihr Leben in einer digitalen Welt verbringen werden, müssen wir fit machen für die digitale Zeitenwende und das KI-Zeitalter. Altersgrenzen wären die falsche Antwort – sie wirken wie eine Kapitulation vor der digitalen Transformation. Unser Ansatz lautet: Medienkompetenz statt Verbotsstaat.“ Vom Lösungsansatz ist Mehring aber nicht so weit entfernt von Niels Pruin: Der Minister machte deutlich, dass Bayern an einer aktiven Digitalpolitik festhält, die auf Aufklärung, Bildung und Mündigkeit setzt. Nur so könne die junge Generation die Chancen neuer Technologien nutzen und gleichzeitig Risiken souverän beherrschen.
Kinder brauchen Begleitung
Eine feste Altersgrenze für die Nutzung von Social-Media-Plattformen ist nach Worten des Präsidents des Deutschen Lehrerverbandes, Stefan Düll, gleichzeitig Schulleiter im Gymnasium in Neusäß, problematisch – aus mehreren Gründen: Einer davon sei die praktische Umsetzung einer Altersbegrenzung. Zudem betreffe das Suchtpotenzial nicht nur Jugendliche, sondern ebenso Erwachsene. „Daher sollten Plattformen gesetzlich verpflichtet werden, alle Nutzer zu schützen, beispielsweise indem ‚Infinite Scrolling‘ mit einem einfachen Klick begrenzt werden kann, indem wirksame Moderationsstrukturen aufgebaut und extremistische Inhalte konsequent entfernt werden.“ Social Media eröffne Jugendlichen wichtige Räume zum Lernen und zur Kommunikation – sei es für Hobbys, Interessen oder Hilfsangebote. Dort informierten sie sich auch über gesellschaftliche und politische Themen. Deshalb sollte das demokratische und unterstützende Angebot auf diesen Plattformen gestärkt werden, anstatt den Zugang zu blockieren. „Jüngere Kinder brauchen dabei besonders die Begleitung ihrer Eltern, die mit ihren Kindern jeden Alters im Gespräch über ihr Online-Verhalten sein sollten.“
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