Das Universitätsklinikum Augsburg steht vor großen Veränderungen. Wir trafen Professor Dr. Klaus Markstaller, der seit anderthalb Jahren als Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender die Geschicke Schwabens größter Klinik leitet.

AUGSBURG JOURNAL: Herr Professor Dr. Markstaller, was macht Sie als gelernten Anästhesisten zu einem guten Klinikmanager?

Prof. Markstaller: In der modernen Anästhesie sind Organisation und das Vorhersehen potenzieller Probleme von großer Bedeutung. Die Anästhesie kann man mit der Fliegerei vergleichen. Man plant alles sorgfältig, und in den meisten Fällen läuft alles nach Plan. Es gibt jedoch auch Momente, in denen kritische Situationen oder ein Notfallgeschehen aufkommen und dann muss man gut vorbereitet sein. Anästhesisten sind es gewohnt, ständig Pläne B und C im Hinterkopf zu haben, um schnell und effektiv auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Diese ständige Vorbereitung und Planung ist ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit. Im Management ist diese Fähigkeit ebenso wertvoll. Man muss in der Lage sein, vorauszudenken und Pläne für verschiedene Szenarien zu entwickeln, um rechtzeitig passende Antworten parat zu haben.

Mit Plan A, B und C in die Zukunft der Medizin

AJ: Sie haben gleich zu Beginn Ihres Schaffens die Vision von einem Medizincampus der Zukunft gezeichnet. Wie wird sich die Medizin in Augsburg verändern?

Prof. Markstaller: Die Medizin ist generell in einem Wandel. In die Zukunft gedacht, werden zwei Dinge eine viel höhere Bedeutung einnehmen. Das eine ist die Prävention. Aktuell betreiben wir Vorsorge bei jedem PKW, der zum TÜV muss. Regelmäßig geht der Wagen in die Inspektion. Doch in Hinblick auf Vorsorge beim Menschen und auch bei der eigenen Gesundheit ist unsere Gesellschaft oftmals nachlässig. Das muss und wird sich ändern, auch weil wir uns die reine „Reparaturmedizin“ auf Dauer immer weniger leisten können.
Die zweite große Entwicklung ist die Personalisierung von Medizin. Die heutige Medizin basiert eigentlich auf großen statistischen Studien. Bei einer bestimmten Erkrankung oder Situation ist die eine Behandlung statistisch besser als die andere. Bei vielen Erkrankungen gibt es aber keine großen Fallzahlen. Und dann stammen diese Statistiken oftmals aus Ländern, die nicht zwangsläufig repräsentativ für unsere Bevölkerung sind, wie die USA. Wir wissen nicht, ob die Bevölkerung hier exakt so reagiert wie die jenseits des Atlantiks. Daher versucht man, zukünftig auch durch genetische Analysen individuelle Therapien zu finden. Die sind vielleicht statistisch gar nicht die favorisierten, aber in dem individuellen Fall sind sie die richtigen. Personalisierte Medizin spielt auch am Universitätsklinikum Augsburg eine immer wichtigere Rolle.

Prof. Markstaller: Die Medizin ist im Wandel

AJ: Das Gesamtprojekt Universitätsmedizin Augsburg mit seinen Neubauten und Umstrukturierungen – wann ist all dies fertig und was wird es zu sehen und zu erleben geben?

Prof. Markstaller: Der Medizincampus wird schon in diesem Jahr das erste große Lehrgebäude eröffnen, dann in zwei Jahren das nächste. Der komplette Neubau des Klinikums wird bestenfalls in zehn bis 15 Jahren abgeschlossen sein. In dieser Zeitspanne wird sehr viel passieren. Die Zukunft ist jetzt! Wir setzen bereits so viel Innovation im Bestandsgebäude und auf dem Campus um wie möglich. Bis dahin erwarte ich, dass die Medizin auch von ihrem gesamten Ambiente eine andere sein wird. Sie wird nicht mehr so sehr unterscheiden zwischen Patienten und Gesunden. Zukünftig denke ich, wird es ganz normal sein, dass man hier in der Universitätsmedizin Augsburg auf ein Areal kommt, in dem man sich um das Thema Gesundheit kümmert.

Wünschenswert wäre, dass es gar nicht mehr nur mit dem Thema Krankheit in Verbindung gebracht wird, sondern dass es ein idealerweise angenehmer Stadtbereich ist, in dem man sich gerne aufhält, mit Cafés, Restaurants, Kinderspielplätzen und allem, was zu einem guten Stadtviertel dazugehört. Und zwar unabhängig davon, ob man jetzt akut eine Erkrankung hat oder eine vorbeugende Untersuchung erhält.
Natürlich machen auch Trends in der Architektur nicht vor den Krankenhäusern halt. Einen solchen Betonklotz wie dieses Krankenhaus wird es nicht mehr geben. Es wird viel begrünt und wir versuchen mit alternativen Energien zu arbeiten. Cafés und Restaurants werden dazugehören. Idealerweise hätten wir das eine oder andere gute Lokal hier und den Bäcker, den es in ganz Augsburg gibt.
Wir wollen die medizinische Versorgung und allem voran die Prävention ins Leben der Menschen bringen und nicht als etwas Externes betrachten. Früher hat man Krankenhäuser deshalb auch so genannt, weil das Haus der Kranken absichtlich separiert wurde, weil man früher sehr viel Respekt vor Infektionskrankheiten hatte. Patienten wurden weggesperrt, damit sie andere nicht anstecken. Heute sehen wir das komplett anders. Die meisten Erkrankungen sind nicht ansteckend und wenn sie es sind, haben wir wirkungsvolle Methoden Patienten und Besucher zu schützen.

Spannende Situation in Augsburg

AJ: Sie sind seit anderthalb Jahren da. Was sind denn die größten Herausforderungen gewesen, auf die Sie am Anfang gleich gestoßen sind?

Prof. Markstaller: Wenn man vom großen Ganzen spricht, dann muss man sagen, ist es natürlich eine sehr spannende Situation hier in Augsburg. Sie haben dieses sehr große, etablierte Klinikum schon vor der Universitätswerdung und eben diese sehr junge medizinische Fakultät, die sich fast wie ein Start-up anfühlt. Das ist natürlich eine unübliche Konstellation. Über 100 Professuren werden aufgebaut. Dieses Gesamtprojekt mit der Fakultät für Medizin gemeinsam zu gestalten und aktiv voranzutreiben, ist sicherlich eines der spannendsten Dinge. Gleichzeitig Neues zu erschaffen und vieles, was bereits gut war, zu erhalten.

AJ: Diese Konstellation hat Sie also dazu bewogen, diesen Job hier anzutreten?

Prof. Markstaller: Selbstverständlich. Organisation und das Zusammenarbeiten mit Menschen bedeutet mir sehr viel. In meiner beruflichen Laufbahn bin ich über die Zeit immer mehr in Positionen gekommen, in denen ich mich vornehmlich um Personalführung kümmern durfte. In Bern war es noch ein überschaubares Team, in Wien die größte klinische Einheit Österreichs mit 200 Ärzten, die ich geleitet habe. Da behandelt man nicht jeden Tag selbst Patienten, sondern organisiert die Abläufe. Meine Funktion hier ist die nächste Steigerung, da es nicht nur um eine Klinik geht, sondern um das Zusammenspiel vieler. Ein gewisser heimatlicher Effekt spielt aber auch eine Rolle. Ich bin in Nürnberg geboren, habe in Tübingen studiert, also diese bayerisch-schwäbische Ecke ist mir natürlich vertraut.

AJ: Sie haben viele Jahre in Österreich gearbeitet. Gibt es Unterschiede zu Deutschland?

Prof. Markstaller: Die Medizin ist im Prinzip die gleiche. Beide Länder sind auf hohem Niveau. Die Auslegung des EU-Rechts ist in Deutschland strenger, was klinische Studien angeht, daher sind diese in Österreich leichter durchzuführen. Generell sind die Österreicher pragmatischer. In Deutschland wird alles ernster genommen und stringenter umgesetzt, was ich schätze. Leider wird die Wirkung durch Bürokratie und Überregulierung teilweise behindert.

AJ: Es gibt derzeit eine gewisse Verärgerung bei unseren Nachbarn, dass Deutsche in Österreich Medizin studieren, dann aber in Deutschland arbeiten.

Prof. Markstaller: Das liegt am Numerus Clausus. Viele gehen nach Österreich, weil es dort leichter ist, einen Studienplatz zu bekommen. In Deutschland ist der NC sehr hoch. Das Problem ist jedoch der Ärztemangel. Es wäre sinnvoller, die Ausbildungsplätze in Deutschland zu erweitern, wie es in Bayern umgesetzt wird und die Berufsausübung attraktiver zu gestalten, damit mehr Absolventen auch tatsächlich als Ärzte arbeiten.

Unterstützung durch KI und Digitalisierung

AJ: Welche Maßnahmen könnten die Attraktivität des Arztberufs steigern?

Prof. Markstaller: Die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden, zum Beispiel durch bessere Arbeitszeitmodelle und weniger Bürokratie. Moderne Technologien und künstliche Intelligenz könnten helfen, den administrativen Aufwand zu reduzieren. Ein sicherer Arbeitsplatz und eine gute Bezahlung machen den Beruf grundsätzlich attraktiv, aber viele Dinge im Arbeitsalltag könnten optimiert werden. Auch das ist etwas, was wir im UKA sehr stringent angehen.

AJ: Wo sehen Sie die größten Potenziale für KI und Digitalisierung im medizinischen Bereich?

Prof. Markstaller: KI und Digitalisierung können enorm helfen, insbesondere bei Dokumentationsaufgaben. Unser Krankenhaus ist bereits weitgehend digitalisiert, und wir nutzen fortschrittliche Spracherkennungstechnologien. In Zukunft könnten Arzt-Patienten-Gespräche automatisch dokumentiert werden, was den Verwaltungsaufwand weiter reduziert. Wir arbeiten aktiv mit der Universität an solchen Entwicklungen.

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