Start Stadt & Region Feuer frei: Wenn Augsburger Jäger und Veganer über Essen und Tiere streiten

Feuer frei: Wenn Augsburger Jäger und Veganer über Essen und Tiere streiten

Veganer und Jäger passen eigentlich nicht zusammen. Wir haben zwei Augsburger an einen Tisch gebracht. Die Luft brannte.

Die einen jagen, die anderen verzichten komplett auf tierische Lebensmittel. Jäger und Veganer scheinen auf den ersten Blick gegensätzliche Positionen zu vertreten. Wir haben zwei Augsburger an einen Tisch gesetzt: Dr. Stephanie Knöpfle, 47, ist Tierärztin mit Praxis in Augsburg und Jägerin. Roland Wegner, 47, ist Bundesvorsitzender der V-Partei³, Gemeindebeamter im Rathaus Gablingen und Mitglied des Augsburger Stadtrats. Er lebt vegan. Startschuss für den Schlagabtausch.

Augsburg Journal: Wir fangen erstmal mit dem Grundsätzlichen an. Frau Knöpfle, wie kamen Sie dazu, Jägerin zu werden?Stephanie Knöpfle: Mit ausgelöst hat sicher, dass ich immer schon sehr gern koche und esse und mir schon als Teenager Gedanken darüber gemacht habe, was denn da eigentlich so auf meinem Teller liegt. Und je mehr Gedanken man sich macht, desto mehr kommt man als tierliebender Mensch an den Punkt, dass irgendetwas mit der bei uns stark industrialisierten Landwirtschaft nicht gut läuft. Wenn ich aber gern Fleisch esse, ist es für mich eine ehrliche Konsequenz, dass man sagt, wie kann ich das anders machen, damit ich nicht dieses konventionelle Fleisch nutzen muss und so bin ich auf die Jagd gekommen. Und natürlich liebe ich es in der Natur zu sein und ich liebe es auch, Teil der Natur zu sein.

Jägerin Dr. Stephanie Knöpfle (Mitte) und Veganer Roland Wegner (links) im Interview beim Augsburg Journal. Fotos: Johannes Kaiser


AJ: Das heißt, Sie essen jetzt aber nur noch selbstgeschossenes Fleisch?
Knöpfle: Natürlich esse ich am Christkindlmarkt auch eine Bratwurst, aber ich versuche, meinen Fleischkonsum vornehmlich durch selbsterlegtes Wild zu decken.


AJ: Herr Wegner, bei Ihnen wissen wir, Sie sind Veganer. Das stimmt auch noch, oder?
Roland Wegner: Und das wird auch immer so bleiben. Davon gehe ich zumindest jetzt aus. Aber ich war‘s nicht immer. Mein Einstieg war, dass ich ein Sportbuch geschrieben habe. Das Thema Ernährung sollte da auch eine Rolle spielen. Ich war der Meinung, dass ich ohne Fleisch im Sport eher leistungsabfällig sein werde. So bin ich in diese Geschichte reingestolpert aus Neugierde und habe dann den Selbstversuch gestartet. Der hält bis heute an und er ist sehr erfolgreich. Meine sportlichen Leistungen sind entgegen meiner Annahme besser geworden.

Augsburger Veganer und Jäger: Es gibt auch Gemeinsamkeiten


AJ: Haben Sie beide denn außerhalb dieser Gesprächsrunde schon mal mit der jeweils anderen Seite gesprochen?
Knöpfle: Ich hab einige Veganer in meinem Umfeld, deshalb hab ich gar keine Berührungsängste. Ich finde, dass es eine sehr gesunde Art der Ernährung sein kann, und in vielerlei Hinsicht haben wir etwas gemeinsam: Es ist ganz wichtig, über das nachzudenken, was man isst, was man konsumiert.


Wegner: Ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen. Das heißt, ich kenne das Thema Tierhaltung. Am Ende des Tierlebens steht dann immer das Schlachten. Man ist ja tierlieb, man mag die Tiere und plötzlich werden sie getötet. Natürlich gibt es in diesem Umfeld auch oder gab es auch einige Jäger. Ich möchte niemanden als Mensch verurteilen, weil er sich ein Hobby ausgesucht hat, das mir jetzt nicht gefällt.
Knöpfle: Ich höre es nicht so gern, dass man es als Hobby bezeichnet. Ich würde es eher als eine Art Lifestyle begreifen. Mit der Natur verbunden zu sein und aktiv Naturschutz zu betreiben, ist mehr eine naturverbundene Lebenseinstellung.


Wegner: Ich bin absolut davon überzeugt, dass die Jagd gar nicht notwendig ist, dass es absolut eine Fehlannahme ist, dass wir die Jagd brauchen, um etwas zu regulieren. Genau das ist ja das Problem, dass wir permanent Eingriff nehmen in die Natur.

Beide sind Naturliebhaber: Politiker und Veganer Roland Wegner trifft auf Tierärztin und Jägerin Dr. Stephanie Knöpfle.


AJ: Vor kurzem fand in Augsburg die Messe Jagen und Fischen statt. Da gab es eine Demo der Organisation Animal Rebellion und die standen da mit Plakaten, auf denen zum Beispiel stand ‚Jagd ist feiger Mord‘. Würden Sie dem zustimmen?


Wegner: Schwieriges Thema. Das Wort ist ziemlich hart. Wir als V-Partei sagen, jedes Tier soll auch ein würdiges Leben haben und soll nicht von uns erschossen oder geschlachtet werden. Nachdem leider die Tiere im Gesetz noch als Sache behandelt werden, kann man das so vom Juristischen nicht verwenden. Aber das Moralische dahinter kann ich verstehen. Ich würde so ein Plakat nicht halten. Aber ich unterstütze alle, die sich dafür einsetzen.
Knöpfle: Zu der Aussage selber bin ich natürlich anderer Meinung, denn ich denke, es gibt nichts Ehrlicheres und nicht weniger Feiges als die Jagd.
Wegner: Aber Tiere empfinden wie wir Menschen. Das blenden wir gerne aus. Diese Tiere haben auch Sozialverbindungen. Die haben auch eine Mutter oder Geschwister. Sie schießen in dem Moment auch einem anderen Tier einen Freund, ein Familienmitglied weg. Und diese Tiere können leiden. Und wenn ein Schuss fällt, dann schrecken auch alle anderen Lebewesen außen rum auf.
Knöpfle: Oh, da muss ich Ihnen widersprechen. Ich lade Sie gerne ein, mit mir auf die Jagd zu kommen. Das wundert einen selber, dass es passieren kann, dass Sie ein Reh erlegen, und die anderen bleiben danebenstehen und es passiert gar nichts. Aber natürlich haben Sie Recht, und deswegen gibt es ganz klare Vorgaben, um das Leid so gering wie möglich zu halten: Man würde nie einem Kitz die Geiß wegschießen. Vor einiger Zeit kam auf freiem Feld im Revier ein kleiner Frischling auf uns zu. Es stellte sich heraus, dass die Bache bei einem Autounfall verstorben war. Wir haben ihm dann eine Jacke übergeworfen und ihn eingefangen. Und dann hat man dieses Schweine-Baby auf dem Arm sitzen. Da finde ich, muss man sich auch die Emotion fürs Individuum bewahren. Lore, so haben wir sie getauft, haben wir zwei Tage später an einen Wildpark vermittelt.


AJ: Können Sie das mit sich vereinbaren, dass Sie an einem Tag ein Wildschwein schießen, am anderen Tag einen Frischling bei sich aufnehmen?


Knöpfle: Ich habe nicht das Gefühl, dass es widersprüchlich ist. Es gibt rationale Gründe, auf die Jagd zu gehen. Und trotzdem entscheidet das Herz im Einzelfall nicht rational. Die Jagd ist eben nicht mit Tierleid verbunden. Die Wildtiere hatten ein schönes Leben und keinen Transport- und Schlachtstress wie in der Massentierhaltung.
Wegner: Aber es gibt ja auch andere Beispiele. Fallen zum Beispiel.
Knöpfle: Also ich erlege keinen Fuchs, um ihn dann in die Tonne zu werfen. Das finde ich moralisch verwerflich. Und es gibt ganz viele Jäger, die das wie ich sehen. Ja, da kann man vielleicht noch sagen, ich kann einen Fuchs erlegen, wenn ich mir dann daraus einen Mantel mache? Da kommen wieder große Themen auf, weil Pelztierhaltung was ganz Grausames ist.
Wegner: Der Pelz gehört dem Tier und nicht uns. Wir brauchen keinen Pelz zu tragen. Ich trage auch keinen Pelz und im Winter friert‘s mich nicht.
Knöpfle: Ja, aber da muss ich einmal einhaken, weil so etwas gilt für Vieles. Ihr Bereich des Veganseins zum Beispiel: Sie können der vorbildlichste Veganer sein. Und dann kann trotzdem ganz viel dahinter unstimmig sein. Wenn Sie an Avocado-Plantagen denken, wenn Sie an Kokosöl denken.
Wegner: Da bin ich voll bei Ihnen. Und da zeigt es sich halt, dass wir die Verantwortung als Mensch haben. Wir sind als Mensch das Problem auf diesem Planeten. Ich selber esse erst gar keine Avocado. Aber natürlich ist bei mir auch mal etwas im Plan dabei, das vielleicht im Flugzeug vorher war. Trotzdem sind die Nahrungsmittel, die ich konsumiere, Co2-ärmer, tierfreundlicher und insgesamt umweltbewusster. Zumal es ja auch noch Bio ist.
Knöpfle: Aber ich glaube, da sind wir wieder bei einem guten Punkt: Das Beste ist, möglichst regional zu bleiben und möglichst selber die Augen drauf zu haben, was ich da auf meinem Teller liegen habe.
Wegner: Da ist mir das Sellerieschnitzel lieber.
Knöpfle: Das sei Ihnen gegönnt. Interview: Julia Greif

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