Der Umgang mit Krankheit und Leid polarisiert. Während die einen möglichst alles schlucken und schweigen, tragen andere Mitmenschen ihre Krankheitsgeschichte teils ungefragt zu Markte, flüchten sich gar in Sarkasmus. Die Thematik der Wortwahl hat inzwischen Krankenhausverwaltungen und Marketingabteilungen erreicht, wo mit ungewöhnlichen Begriffen doppeldeutig um neues Personal für offene Stellen geworben wird. So jetzt auch bei der Hessing Klinik, was im Netz einmal mehr zu kontroversen Reaktionen führt.
„Du magst offene Menschen? Jetzt bei Hessing im OP durchstarten“ heißt es dort bezüglich der Suche nach Operationstechnischen Assistenten oder Pflegefachkräften mit Fachweiterbildung (m/w/d) für den OP der Orthopädischen Fachklinik. Auf der einen Seite wird dies in den sozialen Medien als „makaber“, „geschmacklos“ oder „unangemessen“ bezeichnet, anderseits loben Kommentatoren den „humorvollen Umgang mit einem ernsten Thema.“ Hessing in Augsburg ist damit nicht die erste Einrichtung, bei der diese Problematik aufscheint. In einem Internet-Blog zum Thema „Du magst offene Menschen…“ beschäftigen sich Nutzerinnen und Nutzer seit längerem mit der Stilistik vergleichbarer Inserate, deren „Urheberschaft“ auf eine Kampagne des Medizin-Konzerns Asklepios im Jahr 2021 zurückgehen könnte. Keine Frage, dass die Kreativität im Netz annähernd ungebrochen scheint, ähnliche Parolen zu erdenken: „Du magst jeden Tag neue Gesichter? Dann bewirb dich in unserer Plastischen Chirurgie!“ schrieb Nutzerin „anhimmel“. Und auch die Sätze „Du möchtest jeden Tag mit einem Strahlen deine Schicht antreten? Dann werde Teil unserer Nuklearmedizin!“ stammen von ihr. Fass dir ein Herz – kommt zu uns in die Herzchirurgie trug Nutzerin @k_lutermann bei.
Hessing Klinik Kampagne kommt an: Viele OP-Mitarbeiter mögen „offene Menschen“-Werbung
Hessing-Pressesprecher Ralf Beunink bestätigt bezüglich der aktuellen Kampagne: „Natürlich haben wir die Wortwahl in ihrer Zweideutigkeit bewusst so gewählt. Gute Werbung muss auffallen, sie darf daher gerne zuspitzen und auch mal polarisieren. Das ist uns hier offenbar gelungen, da die Kampagne überdurchschnittlich gut läuft.“
Wenig problematisch gesehen werde, dass es nicht nur Pro-, sondern auch Contra-Reaktionen gebe. „Wir sind sehr erfreut über die enorme Resonanz in den Kommentaren, die doch bis auf wenige Ausnahmen sehr positiv ist. Besonders in der Zielgruppe scheint die Kampagne sehr gut anzukommen“.
In der Gesundheitsbranche sei der Fachkräftemangel bekanntermaßen sehr ausgeprägt. Da die Kampagne erst seit wenigen Tagen läuft, so, Beunink, sei eine Auswertung über deren Erfolg aktuell noch nicht erfolgt, wie Bewerberinnen und Bewerber auf die Stelle aufmerksam geworden seien. „Grundsätzlich kann die Kampagne allerdings bereits jetzt als Erfolg gewertet werden, da wir als Arbeitgeber-Marke eine starke Wahrnehmung erzielen.“
Infolge der Alterung der Gesellschaft werden in Deutschland bis zum Jahr 2049 voraussichtlich zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis einer neuen Vorausberechnung zum Pflegekräftearbeitsmarkt (Pflegekräftevorausberechnung) mitteilt, wird der Bedarf an erwerbstätigen Pflegekräften ausgehend von 1,62 Millionen im Vor-Corona-Jahr 2019 voraussichtlich um ein Drittel (+33 Prozent) auf 2,15 Millionen im Jahr 2049 steigen.