Kommentar: Werner Egk, wirklich ein Antisemit?

von AJ-Herausgeber Walter Kurt Schilffarth

Mit der Umbenennung der Werner-Egk-Schule vor Veröffentlichung der Donauwörther Studie begibt sich der Augsburger Stadtrat ins Risiko, sich in der musikalischen Kunstwelt unsterblich zu blamieren.

Keine Frage: Die jetzt in einer bisher nicht offiziell veröffentlichten, vom Rat der Stadt Donauwörth in Auftrag gegebenen Masterarbeit einer Studentin zur Nazi-Vergangenheit des in Augsburg beheimateten und weltweit erfolgreichen Komponisten Werner Egk aus Briefen zitierten antisemitischen Inhalte sind – aus heutiger Sicht – „out of discussion“. Augsburgs Volksvertreter im Rathaus haben, anders als 2019, als das gleiche Thema tiefgründig diskutiert wurde (mit anschließender Beibehaltung des Namens der Egk-Grundschule), diesmal im Schnellverfahren einen Beschluss der Umbenennung zur „Grundschule Oberhausen Mitte“ gefasst. Es geht nicht um eine Schule wie jede andere. Es handelt sich um eine im Geiste Werner Egks humanistisch-musisch ausgerichtete, in Fachkreisen als Erfolgsmodell hochgelobte Vorstadtschule, wo überwiegend Migranten-Kinder unterrichtet werden und die von der EU mit der finanziellen Förderung von zwei Deutschklassen auszeichnet wurde.

Dr. Marianne Schuber, die hochverdiente Chronistin des Stadtteils Oberhausen und als Gründerin ihres kleinen Museums ausgewiesene Egk-Expertin, stellt mit Recht die Frage: Warum hat der Stadtrat die Veröffentlichung der als Studie bezeichneten Masterarbeit nicht abgewartet? Es hätte vielleicht durchaus noch Argumente geben können, den Beschluss von stadthistorischer Tragweite seriös zu hinterfragen.
Die jetzt entdeckten antisemitischen Äußerungen entstammen offenbar ganz privaten Briefen an seine junge Frau, die Geigerin Elisabeth Karl, die er 1923 gegen den Willen seines Vaters heiratete. Da hieß er noch Werner Josef Mayer. Arbeitslos hieß damals mittellos. Die „Karriere“ begann in einem Schwabinger Privat-Theater. Da fand der vom Vater für den Mittleren Postdienst vorgesehene Sohn schließlich einen Job als Inspizient, Kulissenmaler und Leiter der Musik in Personalunion.

Egk arbeitete als Klavierbegleiter in einem Stummfilmkino

Als Klavierbegleiter in einem Stummfilmkino brachte er ein paar Reichsmark nach Hause. Alles in den Zwanzigerjahren, also lange vor dem Nazi-Regime. Es herrschte Massen-Armut, gesucht wurde „Arbeit jeder Art“. Publizistische Fehden (auch innerhalb der jüdischen Intellektuellen) waren an der Tagesordnung. Unter rivalisierenden Künstlern endeten die Debatten über „neue Wege“ oft in aller Öffentlichkeit mit persönlichen Anfeindungen gegen Andersdenkende und Kritiker. Wenn man das dann als Betroffener am Abend in einem privaten Brief an seine Frau reflektiert – ist man da schon ein Antisemit?

Erst 1937 wurde der Name Egk durch ministerielle Entschließung bürgerlicher Familienname. Er hatte mit den Opern-Kompositionen „Zaubergeige“ und „Columbus“ einen grandiosen Durchbruch erzielt, eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Berlin für seine Festmusik bekommen, Nazi-Größen besuchten seine Opern. Dazu kamen Kompositions-Aufträge für einen Nazi-Film und in der Nachfolge von Richard Strauß die Führung der dem Propagandaminister unterstellen „Fachschaft der Komponisten“. Die Aufgabe für Egk war, die Interessen von rund 6000 dem „Kammerzwang“ verpflichteten Kollegen nachhaltig und oft kontrovers mit der Nazi-Politik zu vertreten. Darunter waren auch jüdische Musiker, die sich nach dem Krieg bei Egk öffentlich bedankten.

Dokumentiert ist ein Artikel in der Zeitung „Deutsche Arbeitsfront“, verfasst von dem Referenten der Musikprüfstelle im Propaganda-Ministerium. Egk wurde vorgeworfen, seine Oper „Peer Gynt“ „stinke nach Verjudung und Negermusik“.

Werner Egk rettete jüdische Kollegen vor dem KZ

Egk-Schwester Maria Engeltraud, die als Ordensfrau in dem von ihrem Vater gegründeten Josefinum bis ins hohe Alter Kurse für Geburtsvorbereitung gegeben hat, konnte namentlich jüdische Egk-Kollegen nennen, die er vor dem KZ rettete. Der jüdische Cellist und Komponist Peter Jona Korn nahm in einem ganzseitigen Beitrag für die Zeitung „Publik“ am 16. Mai 1969 eindeutig Stellung zugunsten Egks charakterlicher Integrität. Die Überschrift lautete: „Rufmord für Anfänger – Der Fall Werner Egk“.

Von besonderer Tragik für Werner und Elisabeth Egk ist der Verlust des einzigen Sohnes. Der zuhause systemkritisch aufgewachsene Titus wurde kurz vor Weihnachten 1942 zur Wehrmacht eingezogen. Seine letzte Nachricht von der Ostfront stammt vom März 1945. Selbst zehn Jahre nach diesem Schicksalsschlag wurde das Weihnachtsfest in der Familie Egk nie mehr gefeiert.

Egk hat nach ausgiebig erforschtem Wissensstand sich weder als Funktionär der Reichsmusikkammer noch als Komponist zum Schaden anderer falsch verhalten. In keiner seiner Opern und in keiner seiner anderen Kompositionen wurde nationalsozialistisches Gedankengut verherrlicht.

Werner Egk starb am 10. Juli 1983 in seinem Haus in Inning am Ammersee. Seinen Grabstein in Donauwörth hat er selbst entworfen: Ein Irrgarten, der mittig in einem Kreuz endet.

„Der ist für mich kein guter Historiker, der über die Vergangenheit nach den Maßstäben von heute beurteilt“ – Zitat aus einer ZDF-Sendung mit dem früheren Hamburger SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi.

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