Muss Jess Thorup seinen Posten als Trainer des FC Augsburg noch diese Woche räumen? Folgt ihm Sportdirektor Marinko Jurendic auf dem Fuß? Beide Personalien sollen intern in der Kritik stehen. Am Donnerstag könnte die Entscheidung für oder gegen einen der beiden oder beide fallen. Im Falle einer Entlassung Thorups gilt Co-Bundestrainer Sandro Wagner als wahrscheinlichster Nachfolgekandidat.
Der FC Augsburg und Jess Thorup – auf den ersten Blick ein Match made in Heaven. Seit dem Aufstieg in die Bundesliga kann kein Trainer auf einen besseren Punkteschnitt verweisen, auch nach den vier Niederlagen zum Saisonende liegt dieser noch bei 1,32. Der Däne ist beliebt bei den Fans, geht regelmäßig in die Kurve, ist stets höflich, ruhig und dazu noch beliebt in der Mannschaft. Dennoch ist es nicht unwahrscheinlich, dass der 55-Jährige am Ende der Woche nicht mehr in Amt und Würden steht. Ähnliches gilt für Sportdirektor Marinko Jurendic, an dem es intern ebenfalls Kritik geben soll. Was dafür und was dagegen spricht:
Geschäftsführer Michael Ströll betonte nach der knappen 1:2-Heimniederlage gegen Berlin, dass in dieser Woche eine ergebnisoffene Analyse folgen werde. Gemeinsam wolle man ganz neutral besprechen, was sei gut, was weniger gut gelaufen – Entscheidungen seien trotz anderslautender Gerüchte noch keine gefällt. Bereits in der vergangenen Woche flammte das Gerücht um Sandro Wagner als bereits feststehenden Nachfolger für Jess Thorup auf, wie wir auf unserer Webseite berichteten. Bereits im Winter stand der Däne erstmals in der Kritik, konnte die Bosse damals aber noch von einer Weiterbeschäftigung überzeugen, dieses Mal könnte es sich, wie zu hören ist, noch schwieriger gestalten.
Thorup: Wenig Einsatz von eigenen Talenten
Gegen Thorup spricht in erster Linie der Mangel an spielerischer Entwicklung auf dem Platz. Das vor der Saison ausgegebene Motto, man wolle „wieder sexy“ sein, konnte auf dem Platz nicht erfüllt werden. Mit ergebnisorientiertem Defensivfußball holte der FCA die meisten seiner 43 Punkte, über den „sexy“-Spruch amüsierte man sich bundesweit. Die Statistiken unterstreichen die Kritikpunkte. Bei den zu erwartenden Toren, den sogenannten expected Goals, kreierte in der abgelaufenen Saison kein Team weniger als die Augsburger, insgesamt 39,13 standen zu Buche. Mit 35 erzielten Toren rangiert man immerhin auf Platz 16, gleiches gilt für die Anzahl der Torschüsse (395) und die Eckballgefahr. Noch düsterer sieht es bei den reinen Arbeitsstatistiken aus: Intensive Läufe Platz 17 und angezogene Sprints sogar Platz 18. Zum Vergleich: Die Überflieger aus Mainz liegen in diesen Kategorien auf Rang 1 und 4. Ebenfalls negativ aufgestoßen ist den Verantwortlichen die Nachwuchsarbeit. Vor allem in der Hinrunde setzte Thorup wenig auf eigene Talente wie Mert Kömür, Henri Koudossou oder Noahkai Banks. Dies besserte sich vor allem zu Beginn des neuen Jahres, flachte dann aber vor allem bei Banks und Koudossou wieder ab. Kömür hingegen kam in der Liga 20-mal zum Einsatz, konnte seine Einsatzminuten (insgesamt 646) im Vergleich zur Vorsaison beinahe versechsfachen.
Was sich ebenfalls besonders negativ auf die Bewertung auswirken soll, ist das Abschneiden im DFB-Pokal. Dort erreichte man zwar erstmals seit Jahren das Viertelfinale, schied dort aber nach einem relativ blassen spielerischen Auftritt knapp gegen den VfB Stuttgart aus. Dort wäre – so hört man – deutlich mehr drin gewesen, schließlich steht die Mannschaft von Sebastian Hoeneß jetzt im Finale gegen Drittligist Arminia Bielefeld.
Es gibt aber auch viele Dinge, die für eine Weiterbeschäftigung von Thorup sprechen. Ähnlich wie bereits in der Saison zuvor wahrte sich der FCA lange die Chance auf Europa, zwischenzeitlich legte man eine Serie von elf ungeschlagenen Spielen in Serie hin – ein Vereinsrekord. Zudem spielte man rein nach Punkten die drittbeste Saison der eigenen Historie. Den Klassenerhalt machte man bereits am 29. Spieltag klar, zusätzlich stellte man zu Beginn des Jahres lang die beste Defensive Europas. Den großen Umbruch im Sommer inklusive Chaos-Trainingslager in Südafrika managte Thorup zudem ohne Störgeräusche. Dass es da einige Wochen dauerte, bis die Mannschaft gänzlich zusammenfand, war so absehbar wie verständlich. Außerdem stand der FCA sich beim Erreichen eines besseren Tabellenplatzes nicht nur selbst im weg, auch von den Schiedsrichtern erhielt man diese Spielzeit keine Geschenke, wurde sogar, wie etwa in den Heimspielen gegen Mainz, Bremen oder Kiel klar benachteiligt. Laut der wahren Tabelle läge Augsburg mit fünf Punkten mehr sogar auf Platz 9 und damit vor RB Leipzig, die am meisten von Fehlentscheidungen profitierten. Zu einem noch drastischeren Schluss kommt die von Sport 1 veröffentlichte Tabelle der Trainer, die über die Erwartungen im Vergleich zu den Voraussetzungen abgeliefert haben. Dort liegt Thorup sogar auf Platz 2, hinter Freiburg, aber vor Mainz. Ebenfalls für den Dänen spricht der Rückhalt in der Mannschaft, wie auch Torhüter Finn Dahmen nach dem Union-Spiel betonte: „Ich kann nur sagen, dass die Mannschaft sehr gerne mit dem Trainer zusammenarbeitet – ich auch.“
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich der Mannschaftswille am Ende durchsetzt.
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