Je weiter ich aufs Land fuhr, desto dichter wurde der Nebel, doch mein Navi lotste mich trotzdem zuverlässig nach Kleinaitingen, wo ich Viktoria Jabs treffen sollte. Angekommen wechselte ich sogleich meine Schuhe. Statt Sneaker hieß es jetzt Gummistiefel, auf Anraten von Viktoria. Bevor wir uns an die Arbeit machten, die Stallungen ausmisteten und die Tiere fütterten, führte mich Viktoria Jabs über ihre Alhaja-Lamaranch, die sie von Michael Kirchner übernommen hat. Zusammen mit ihrem Mann Andreas Jabs und mit Unterstützung ihrer vier Kinder leitet sie die Ranch nun bereits seit drei Jahren.
Die Farm erstreckt sich auf rund 15.000 Quadratmeter und bietet jede Menge Platz und Auslauf. Während unseres Rundgangs stellte ich fest, dass es nicht nur Lamas zu bestaunen gibt, sondern auch Alpakas, Esel, Ponys, Hasen und Hühner. Sobald wir in Sichtweite der Esel waren, machten sie sich gleich mit einem Lärm bemerkbar, der uns zum Lachen brachte. Der Grund, warum Gustavo und Willi so herzzerreißend schrien, war ganz einfach: Sie hatten Hunger. „Normalerweise wenn sie uns sehen, wissen sie sofort, dass es was zum Essen gibt,“ erklärte Viktoria lachend „sie haben uns gut konditioniert“ und wuchtete sofort etwas Heu über den Zaun, um die beiden zu besänftigen.
Die Esel Gustavo und Willi
Lamas spucken keine Menschen an
Auf der Wiese hinter der Ranch machte ich Bekanntschaft mit zwei Lama-Jungtieren und einem Alpaka-Jungtier, die auf der Wiese gemächlich Gras fraßen und Viktoria die Gelegenheit gaben, den Unterschied zwischen Lama und Alpaka zu erklären. Erstere hätten nämlich längere Ohren und eine ganz andere Körperstatur. Alpakas würden kleinere Köpfe haben.
Wie bei uns Menschen kommt es bei Lamas ebenfalls auf Genetik und Lebensweise an, doch die durchschnittliche Lebenserwartung liegt zwischen 17 und 20 Jahren.
Nach unserem Rundgang ging es direkt ans Eingemachte. Mit Handschuhen, Schubkarre, Besen, Rechen und Bollensammler bewaffnet, machten wir uns ans Ausmisten der Stallungen. Lamas haben eigene „Toilettenplätze“, in denen sie ihr Geschäft erledigen können, ein bisschen wie wir Menschen eben. Während der Arbeit, die ich mir einfacher vorstellte, als sie letztendlich war, stellte ich eine Frage, welche mich seit unserer Terminvereinbarung brennend interessierte: „Spucken Lamas tatsächlich?“ sprudelte ich also sofort los. „Uns Menschen machen sie nichts, aber das ist denen ihre Art zu kommunizieren,“ erklärte mir Viktoria grinsend, nichts ahnend, dass ich es bei der Fütterung gleich selbst miterleben werde.
Lama Miriam herrscht über das Ausmisten.
Das war der nächste Punkt an der Tagesordnung. Sowohl Esel und Ponys als auch Lamas fressen Heu, die sofort Schlange standen und ihre langen Hälse in den Futtertrog neigten. Da kann es eben etwas rauer zugehen, wenn ein Lama dem anderen zu nahe kommt und sich mit Spucken bemerkbar macht. Obwohl das Spucken etwas rabiat wirkt, pflegen Lamas tiefe Freundschaften, wie Viktoria mir verriet: „Jedes Lama hat wirklich einen Best Buddy.“
Alhaja-Lamaranch: Die Ranch als Ruhepol der Familie
Die Alhaja-Lamaranch ist für Familie Jabs ein Zufluchtsort, der sie weg aus dem Alltag bringt und dessen Wirkung ich beim Betreten des Stalls gleich erfahren durfte: Der typische Stallgeruch katapultierte mich sofort zurück in meine Kindheit auf den Bauernhof meiner Tante, wo ich ihr als kleines Mädchen oft beim Melken der Kühe zugesehen oder beim Füttern der Hühner geholfen habe.
Für Viktoria bedeuten die Lamas vor allem eins: Ruhe und Gelassenheit. „Die Lamas geben dir ganz viel Kraft auf ihre eigene Art und Weise,“ erzählte sie mir bei einer Pause, „deswegen finden wir auch diesen Ort hier so wertvoll, auch für andere Kinder ist es letztendlich wie so ein Ort, wieder zu dir zurückzufinden.“
Um mit einem Lama spazieren zu gehen, müssen diese gefangen werden. Viktoria lockte die Tiere mit Kraftfutter in das sogenannte „Catch Pen.“ Nach einer kurzen Identifikation werden das passende Halfter (jedes Lama hat sein eigenes) und eine Leine geholt. Unsere beiden Auserwählten waren Levana und Nessy. Ganz zu meiner Überraschung lief Levana lässig neben mir her, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Natürlich steckt dahinter Training, wie Viktoria mir verriet, neu geborene Lamas würden mit drei bis vier Monaten bereits ans Halfter gewöhnt, nur kurz, damit sie ein Gefühl dafür bekämen.
Unser Spaziergang dauerte nicht lange, doch die ganze Zeit über bekam ich mein Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht. Es fühlte sich fast schon therapeutisch und befreiend an, mit einem Tier zu laufen, das entspannt und ohne Kummer und Sorgen neben einem hertrottete.
Ein Vormittag, der mir zeigte, dass Innehalten im Leben, sei es auch nur für ein paar Stunden, um dem Chaos des Lebens zu entfliehen, wertvoller ist, als man denkt.
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