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Sonntag, 06. Oktober 2024

Sie stecken hinter Bühne & Kostüm auf der Freilichtbühne Augsburg

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Wenn auf der Freilichtbühne Augsburg die brutale Kaisertochter „Turandot“ ihre Rätsel stellt und die „Sister Act“-Nonnen anfangen zu singen, geben sie beiden Aufführungen den richtigen Look: Bühnenbildner Karel Spanhak und Kostümbildnerin Aleksandra Kica. Sie haben uns hinter beziehungsweise auf die Kulissen mitgenommen.

Spanhak läuft über das frisch aufgebaute Bühnenbild für „Turandot“: schwarz-rote Säulen, goldene Ornamente. Ihm war Authentizität wichtig: „Das Bühnenbild soll kein China-Laden mit Kitsch sein, und ich glaube, wir haben das ganz gut gemeistert.“ Die goldenen Ornamente seien zum Beispiel typisch chinesisch.

Recht blutig: Das Bühnenbild für “Turandot”. Foto: Jan-Pieter Fuhr

„Mehr Blut“ wollte Staatsintendant André Bücker, Spankak lieferte. Jetzt deuten noch mehr leuchtend rote Blutspritzer den Henkerraum an. Aber besonders nach der Pause sollen große Lichtprojektionen dem Stück die richtige Stimmung verleihen: „Das ganze Bühnenbild wird rot, das ganze Stück ist ja so blutig“, so Spanhak.

Mit ein paar Änderungen können auf der Freilichtbühne Augsburg Nonnen statt Kaiserstöchter singen

Kaum zu glauben, dass im selben Bühnenbild mit ein paar Änderungen auch die Nonnen von „Sister Act“ ihren großen Auftritt haben – aber dank Tüftelei von Spanhak und Team geht das: Dazu kommen auf eine runde Plattform in der Bühnenmitte Kirchenfenster in Einlassungen am Boden. Die roten Flaggen werden ersetzt. Und „auf der Freilichtbühne spielt das Licht eine ganz, ganz große Rolle.“

Schwarz-Rot-Gold, aber ohne EM: Karel Spanhak im Bühnenbild.

Trotz der Herausforderung – Augsburg sei eine der schwierigsten Bühnen, weil immer der mittelalterliche Hintergrund da ist – schwärmt Spanhak, der seit 1968 bereits etliche Bühnen eingerichtet hat und sein Atelier im Schwarzwald hat, von der Freilichtbühne in der Fuggerstadt: „Sehr viel Atmosphäre und Akustik, und mitten in der Stadt, wo gibt’s das schon?“ Spanhak war in Augsburg bereits bei „Jesus Christ Superstar“ im Einsatz und erinnert sich positiv daran: Eine echte Hydraulik unter der Bühne hievte das Kreuz empor. „Und damit war das Stück sozusagen zu Ende, wie das Kreuz stand. Das hat mich sehr berührt und fand ich echt toll. Deswegen freue ich mich auch, nächstes Jahr bei ‚Evita‘ wieder hier zu sein.“

Kostüme für “Chicago” – und nun auch für “Sister Act” und “Turandot” auf der Freilichtbühne Augsburg

Kica, die die Kostüme entworfen hat, war bereits für „Chicago“ in Augsburg im Einsatz: „Es hilft schon sehr, dass ich bereits hier war. Bei ‚Chicago‘ waren zum Beispiel Löcher im Boden eine Herausforderung beim Tanzen.“ 103 Stücke gestaltete sie mit, „Sister Act“ ist ihre neunte Premiere in dieser Saison.

Und dann gleich zwei Stücke in Augsburg. Kostüme wiederverwenden? Nein, das machen sie nicht, die Stücke seien wahnsinnig unterschiedlich in Genre und Aussage. „Aber das ist logistisch auch wahnsinnig schwer, weil sich das überschneidet und es ist sowohl ästhetisch, thematisch wie auch von Personal nicht dasselbe“, betont Kica. Während sie beim Märchen „Turandot“ viel Fantasie in die Kostüme legen könne, sei „Sister Act“ mehr naturalistisch. „Sister Act spielt ja Ende der 70er, Anfang der 80er. Ich liebe diese Zeit und ich liebe Naturalismus auf der Bühne, vor allem im Musical, weil man das selten so macht. Und deswegen sind die Kostüme dort ziemlich authentisch, weil ich quasi nur mit alten Sachen arbeite. Deswegen war ich jetzt gerade noch im Fundus.“ Und das ist authentisch? Sie lacht: „Ich war selbst auf einer Klosterschule.“

Aleksandra Kica mit ihren Kostümen für „Sister Act“: Links der Klassiker, rechts die glitzernden Kleider fürs große Finale.

Dort hat sie auch mitbekommen, dass die älteren Nonnen etwa dunkleren Stoff anhatten als die neueren, weil er anders genäht war. Deshalb sollen auch die Kostüme der Show-Nonnen nicht zu perfekt sein: „Das sage ich auch immer meinen Meistern: Schauen wir nicht, dass wir zu perfekt sind, weil das ist dann so aus dem Ei gepellt. Wir erzählen die Geschichte, dass die kein Geld haben. Deswegen bleiben wir ein bisschen authentisch, indem die Sachen nicht passen.“ Im Finale drehen die Nonnen dann aber richtig auf mit Glitzerkleidern.

„Turandot“ sollte ganz anders werden: Den Albtraum, in dem Calaf sich wiederfindet, wollte Kica in eleganten Horroroutfits erzählen. Die fallen auf: „Wenn sich die Chorsänger am Brunnen etwas zu trinken holen, also in der „zivilen Zone“, drehen sich wirklich Leute um“, hat sie beobachtet. Im Gegensatz dazu die Tartaren in Erdtönen: „Die sind ein bisschen an den ‚Mad Max‘-Filmen und an apokalyptische Welten angelehnt, weil die ja versklavt sind in dem Stück.“

Warum der Henker aus “Turandot” der Liebling der Kostümdesignerin ist

Die Schauspieler haben ein kleines Mitspracherecht bei ihren Kostümen, müssen sich ja auch wohlfühlen, sagt Kica. Aber insgesamt müssten die Kostüme aus einem Guss sein. „Mein Highlight ist natürlich der Henker. Nicht nur, weil ich das liebe, weil er das Kostüm so spürt.“ Inspiriert sei der Latexanzug von norwegischen Deathmetal-Musikern. Und Sally du Randt als Turandot: „Turandot muss immer anders sein als andere. Man muss verstehen, wieso sie alle in ihren Bann lockt. Und ich hatte so meine Bedenken, beim Entwurf bin ich auch ziemlich lang gesessen. Aber dann ist es doch super geworden.“

Trotz einem Jahr Vorbereitung kann man nicht alles vorhersehen. Kica machte das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Dem Chor waren die Latexleggings bei den Anproben noch zu warm. Sie bekamen stattdessen Latexkniestrümpfe – und kalte Temperaturen.
Kica arbeitet für die Kostüme mit drei Meistern, der Kostümchefin, Garderobiere, der Schneiderei und dem Fundus zusammen. Und ihr unterliegt die Maske. Auf dem Kopf tragen fast alle eine Perücke – Calaf (Xavier Moreno) etwa nicht. Er kommt aus dem Publikum auf die Bühne, im Businessanzug und bequemen Schuhen.

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