Wenn Jennifer Zienert über ihren Sport spricht, dann wird schnell klar: Hier geht es um weit mehr als nur um Muskeln. Seit fast einem Jahrzehnt steht sie auf Bodybuilding-Bühnen weltweit, hat sich als mehrfache Deutsche Meisterin, internationale Siegerin und vierfache Mr.-Olympia-Teilnehmerin einen festen Platz in der Szene erarbeitet. Doch ihr Weg dorthin war alles andere als selbstverständlich.
„Ich trainiere seit 15 Jahren“, sagt die 1994 in Schweinfurt geborene Athletin – und räumt gleich mit einem Missverständnis auf: „Viele denken, sie trainieren zwei Jahre und sind dann gleich auf einem ähnlichen Level – aber das benötigt einfach Zeit, Geduld und Hingabe.“ Aktuell trainiert Zienert fünfmal pro Woche. Dazu kommt ein strikter Essensplan mit sechs genau geplanten Mahlzeiten pro Tag – eine Routine, die nicht nur in der Wettkampfphase entscheidend ist. Sondern zeigt, dass der Leistungssport vielmehr ein 24/7-Vollzeit-Job ist.
Zum Bodybuilding kam die heutige Vorzeigeathletin kurioserweise aus Zeitgründen. „Während ich mein Abitur gemacht habe, habe ich gemerkt, dass ich keine Zeit mehr fürs Wettkampftanzen, meinen damaligen Sport, habe.“ Deshalb suchte sie sich ein flexibleres Hobby – und ging ins Gym. Dort lernte sie neue Freunde kennen, unter anderem einen, der 2013 auf der Bayerischen Meisterschaft auftrat. „Wir waren eigentlich nur dabei, um ihn anzufeuern – doch dann habe ich die Frauen auf der Bühne gesehen und mir gesagt: Das würde ich auch gern machen.“ Gesagt, getan.
Wie es die Wahl-Augsburgerin Jennifer Zienert in die Bodybuilding-Elite geschafft hat
Ihren ersten Wettkampf absolvierte sie 2015 als Juniorin, 2016 und 2017 wurde sie Deutsche Juniorenmeisterin – und legte zusätzlich 2017 mit dem Gesamtsieg bei der regulären Deutschen Meisterschaft nach. Internationale Titel folgten, unter anderem der erste Platz beim bekannten Fitness-Festival EVLS in Prag und eine Bronzemedaille bei der Junioren-WM in Rumänien.
Trotz ihrer sportlichen Erfolge blieb sie beruflich lange im Krankenhaus – als OP-Schwester in Augsburg. Erst die Corona-Pandemie brachte die Wende: „Ich war im Josefinum, hatte dreimal pro Woche eine 24-Stunden-Schicht – das war einfach super viel“, erzählt sie. Ihr Mann Daniel Zienert, selbst sportlich aktiv, schlug eine Alternative vor: den Schritt in die Selbstständigkeit. Gemeinsam gründeten sie 2020 ein eigenes Geschäft für Nahrungsergänzungsmittel in Augsburg und betreiben es seither erfolgreich in Kombination mit einem Onlineshop.
Trainiert wird meist im „Eddis Fitness“, einem bekannten Studio in Augsburg, das Antonio Murania gehört – selbst mehrfacher Deutscher Meister und Europameister im Bodybuilding. „Man spürt einfach, dass dort ein Herz für den Sport schlägt“, sagt Zienert. Dass sie inzwischen auf einem Level mit den Besten der Welt mitmischt, ist kein Zufall: „2021 habe ich bei der NPC Ben Weider Classic in England den Gesamtsieg geholt und meine IFBB Pro Card bekommen.“ Seitdem war sie viermal in Folge für den Mr. Olympia, den renommiertesten Wettkampf im Bodybuilding, qualifiziert, belegte unter anderem den achten Platz bei ihrem zweiten Start. Das Ziel für die Teilnahme in Las Vegas ist klar: „Ich will gewinnen, keine Frage!“
„Ich coache nur Leute bei denen ich genau weiß, dass ich ihnen helfen kann.“
Trotz aller Bühnenauftritte: Für Zienert ist Bodybuilding kein Einzelsport. „Um mich herum ist ein komplettes Team – Trainer, Sportpsychologin, Physiotherapeuten – das vergisst man oft, wenn man nur die Wettkämpfe anschaut“, betont sie.
Auch das Coaching liegt ihr am Herzen. „Ich coache nur Leute, bei denen ich genau weiß, dass ich ihnen helfen kann. Manche suchen mehr eine beste Freundin oder eine Psychotherapeutin – das bin ich nicht.“
Dabei bringt sie nicht nur sportliches Know-how ein, sondern auch eine intensive persönliche Geschichte. In ihrer Jugend litt sie an ihrem schlechten Essverhalten, wurde gemobbt und entwickelte früh ein verzerrtes Selbstbild. „Ich hab mit 13 Jahren versucht dazu zupassen und gemocht zu werden, dass ich unter anderem 25 Kilo in drei Monaten radikal abgenommen habe. Ich war immer die, die in der Schule beim Sport als Letzte in ein Team gewählt wurde.“ Heute ist sie jedoch komplett mit sich im Reinen: „Ich hab wirklich die Hälfte meines Lebens damit verbracht, diese alten Dinge aufzuarbeiten – und fühle mich jetzt angekommen bei mir selbst.“
In Augsburg angekommen
Angekommen fühlt sich Zienert auch in Augsburg, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann in Lechhausen lebt. Schwer gefallen ist ihr der Umzug von Schweinfurt damals nicht. „Hier ist es super schön – egal ob Altstadt oder Stadtwald, ich fühle mich super wohl.“ Das sieht man auch auf ihren sozialen Kanälen. Sowohl auf YouTube als auch auf Instagram erzählt Zienert authentisch vom Leben als Bodybuilderin, zeigt ihr Training, gibt Tipps, Tricks – und motiviert ihre Zuschauer. Pläne für die Zeit nach der Karriere gibt es aktuell noch keine. Ebenso ist der Wunsch nach einem Kind bei der 30-Jährigen „aktuell gar kein Thema“. Stattdessen stehen Ehe, Freiheit und das gemeinsame Geschäft im Fokus. Und auch wenn die Bühnenform nicht ewig zu halten ist, blickt sie gelassen nach vorn: „Natürlich kommen Gedanken, wenn man nicht mehr so definiert ist – aber das spielt keine Rolle mehr für meinen Selbstwert.“
Was bleibt, ist die Vision. „Ich wusste schon mit 18, als ich die Mädels beim Olympia gesehen habe: Ich stehe da eines Tages.“ Inzwischen hat sie es mehrfach bewiesen. Und sie ist noch nicht fertig.
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