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Neues Wahlrecht, mehr Parteien und X-Faktor Trump – warum die nächste Wahl eine ganz besondere wird

Dr. Stefan Lorenzmeier erklärte im Gespräch seine Perspektive zur Wahl.

Was passiert, wenn wenig Winter-Wahlkampf auf neues Wahlrecht trifft und beides in die Zeit der beginnenden zweiten Trump-Ära in den USA fällt? Diese Frage vor der anstehenden vorgezogenen Bundestagswahl zu beantworten, ist praktisch die Königsdisziplin unter den Zukunftsvorhersagen, findet der Augsburger Staatsrechtsexperte Dr. Stefan Lorenzmeier von der Universität Augsburg.

In seinem Leben hat sich der Jura-Dozent intensiv mit Europa-, Völker-, nationalem sowie internationalem Recht auseinandergesetzt und publiziert. Darüber hinaus veröffentlichte er immer wieder im Tagesspiegel, der Zeit, dem Münchner Merkur und trat auch als Experte für BBC World Service in Erscheinung. Im Gespräch mit dem Augsburg Journal teilte Lorenzmeier nun seine Einschätzungen und Prognosen zur richtungsweisenden Bundestagswahl mit.

Besonders sei die anstehende Wahl laut Lorenzmeier auf alle Fälle: „Aus juristischer Perspektive ist da alleine schon das neue Wahlrecht zu nennen, politisch ist es dahingehend spannend, dass man eventuell mehrere Parteien hat, die über Direktmandate in den Bundestag einziehen können, weshalb uns ein sehr buntes Parlament erwarten könnte.“ Konkret bedeutet die Wahlrechtsreform von 2023 folgendes: Die Zahl der Abgeordneten wird nun fest 630 betragen und damit über 100 weniger als aktuell (736). Das liegt daran, dass Überhang- sowie Ausgleichsmandate abgeschafft wurden. Diese entstehen nicht mehr, da Direktmandate nur dann vergeben werden, wenn sie durch das Zweitstimmenergebnis der jeweiligen Partei gedeckt sind. Womit gleichzeitig die Zweitstimme an Bedeutung gewinnt.

Lorenzemeier hält diese Reform für richtig. „So ein großes Parlament wie aktuell ist nicht unbedingt nötig, um einen Staat wie Deutschland zu führen.“ Außerdem biete diese Neuregelung kleineren Parteien, wie den Freien Wählern oder den unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallenen Linken die Chance, durch das Erreichen mindestens dreier Direktmandate doch noch in den Bundestag einzuziehen. Das streben die FW in Bayern an, weshalb auch Gersthofens Bürgermeister Michael Wörle im Wahlkreis Augsburg-Stadt aufstellen ließ. Ob dieser Plan aufgeht, sei aber schwer einzuschätzen und wahrscheinlich eine „Fifty-Fifty-Entscheidung”. Zu bedenken gibt der Experte ebenfalls: „Es lässt sich schwer vorhersagen, ob die Wähler bei der Bundestagswahl auch den Landrat wählen oder ob sie sagen, bei der Bundespolitik vertraue ich lieber anderen Leuten.“

Ganz sicher voraussagen lasse sich laut dem gebürtigen Bielefelder aber eines: „Die CSU wird durch das neue Wahlrecht an Sitzen verlieren. Sie hat in der Vergangenheit stets mehr Abgeordnete gesendet, als sie Prozente hatte, das ist nun nicht mehr möglich.“ Anderen Parteien könne zwar eine ähnliche Entwicklung drohen, „aber nicht in diesem Ausmaß.“

Bundestagswahl: Verkürzter Wahlkampf für die Parteien

Für die Parteien gestaltet sich der Wahlkampf in diesem Jahr, im Vergleich zu den letzten Wahlen deutlich verkürzt. Erst seit Mitte Januar hängen die Wahlplakate, viel Zeit, noch Boden in den Umfragen gutzumachen, bleibt nicht. Entsprechend hart wird der Kampf mittlerweile geführt. CDU/CSU betonen beinahe täglich, eine Koalition mit den Grünen auszuschließen, während diese der Union vorwerfen, sich zu wenig von der AFD abzugrenzen. Ganz normaler Wahlkampf oder eine bedrohliche Entwicklung mit dem Risiko, nicht mehr zueinander zurückzufinden, wenn nötig? Zwar scheint aktuell die Große Koalition am wahrscheinlichsten, in Stein gemeißelt sei diese laut Lorenzmeier aber nicht. „Sollten die Linken und die Freien Wähler tatsächlich in den Bundestag einziehen und die FDP die 5-Prozent-Hürde schaffen, dann würde das einiges bewegen und die GroKo mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr reichen.“

Eines der größten Themen, wenn nicht gar das größte Thema ist auch in diesem Wahlkampf wieder die Migrationsdebatte. Dies lenke, so Lorenzmeier von anderen wichtigen Themen wie der wirtschaftlichen Entwicklung oder der Klimakrise ab. „Migration ist natürlich auch ein wichtiges Thema, aber ich persönlich würde den Korridor nicht so verengen.“ Doch warum ist die Migration überhaupt vor jeder Wahl wieder ein Hauptthema? „Natürlich ist es ein Problem, aber die Hauptgründe liegen meiner Ansicht nach darin, dass es leicht populistisch ausbeutbar ist, denn man trifft Personen, die sich nicht wehren können.“

Für Augsburg ist der bevorstehende Mangel an Repräsentation aus der Region ein wichtiger Faktor. Aktuell sitzen mit Volker Ullrich (CSU), Maximilian Funke-Kaiser (FDP), Claudia Roth (Grüne), Ulrike Bahr (SPD) sowie Hansjörg Durz (CSU) und Heike Heubach (SPD) sechs Augsburger Abgeordnete im Bundestag. Diese Zahl wird sich aller Voraussicht nach deutlich reduzieren. Experte Lorenzmeier erwartet dadurch allerdings kaum Veränderungen für die Fuggerstadt, davon abgesehen, „dass die Bürger nun nicht mehr von jeder Partei einen Repräsentanten in Berlin haben.“

Seitens der Europäischen Union scheint es hingegen Zuversicht zu geben, was die nächste Regierung betrifft: „Nachdem was ich gehört habe“, so Lorenzmeier, „freut man sich darüber wenn es wieder eine stabile Regierung gibt, die nicht die berühmte deutsche Abstimmung macht. Diese bestand in den vergangenen Jahren darin, sich zu enthalten, weil man sich nicht einigen konnte.“ Dieses Signal der scheidenden Bundesregierung verfestigte sich auch international. „Wirklich instabil hat Deutschland zwar nie gewirkt, aber man hat schon den Eindruck hinterlassen, dass so eine Drei-Parteien-Koalition offenbar schwierig zu managen ist.“

Wie sich Trump auf die Wahl auswirken könnte

Laut aktuellen Umfragen sieht es zwar gut aus für ein Bündnis zwischen Union und SPD, die Dinge könnten sich im Februar aber noch ändern, vor allem durch X-Faktor Trump. Seitdem der Milliardär zum zweiten Mal US-Präsident wurde, ist vieles in Bewegung. „Da werden wir noch Impulse aus den USA sehen”, ist sich der Dekan sicher – und das auf vielen Ebenen. „Das wird mit der Ukraine sein, mit den Strafzöllen geht es auch um wirtschaftliche Fragen, aber auch auf die Migrationsdebatte könnte es Auswirkungen geben. Nach dem Motto, wenn der das kann, warum sollen wir das nicht auch können?“ Noch sei aber alles ungewiss, die Auswirkungen schwer voraussehbar.
Das gelte ebenfalls für die Wahl an sich. „Am Ende des Tages ist die große Frage, ob es Wahlanfechtungsgründe geben wird. Bei der letzten Bundestagswahl hatten wir das Problem in Berlin ja ganz massiv, als es auch wegen des Marathons zu Verzögerungen kam und zu wenige Wahlzettel gab.“ Im Nachhinein wurde eine Teilwiederholung der Wahl in etwa 431 Berliner Wahllokalen notwendig, die erst im Februar 2023 stattfand. Trotz der kurzen Organisationszeit seien laut Lorenzmeier ähnliche Probleme aber nicht flächendeckend zu befürchten, womit die Wahl aller Voraussicht nach reibungslos über die Bühne gehen dürfte. „Weitere Fallstricke sehe ich nicht“, so der Experte abschließend.

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