Was darf man mit Zootieren machen, mit Nachwuchs etwa, der auf Dauer keinen Platz dort hat? Und was davon darf man problemlos bekannt machen? Fragen, die nach der Abgabe zweier Zoo-Paviane viele Tierfreunde in Augsburg kontrovers und teils hochemotional diskutieren. „Bambi-Effekt“, auch „Bambi-Faktor“, wird es in Anlehnung an das bekannte Kindermärchen genannt, wenn Menschen das Töten (und Verzehren) von solchen Tieren ablehnen, die als süß, niedlich oder dergleichen bezeichnet werden. Auswirkungen dieses Bambi-Effekts muss derzeit der Augsburger Zoo mit seiner Direktorin Barbara Jantschke durchstehen. Auch wenn die Empörung über die Abgabe der beiden Pavian-Männchen an eine Forschungseinrichtung überwiegt, kommt von fachlicher Seite Zustimmung für das Handeln der Zoo-Verantwortlichen.

Es war gerade ein halber Satz, der im November eine sehr emotionale Diskussion startete. „Zwei Pavianmänner erhielt das Deutsche Primatenzentrum in Göttingen und die ersten Nachzuchten der Himmelblauen Zwergtaggeckos kamen in den Tiergarten Straubing.“ So stand es zu lesen im Newsletter vom 22. November des Augsburger Zoos. In diesem Newsletter, so schildert es der „Leiter Partnermanagement“ des Zoos, Philipp Blobel, würden viele Veränderungen am Bestand des Tierparks veröffentlicht, seit Jahren schon. Während die Abgabe der beiden Echsen nach Straubing unkommentiert blieb, machte das Schicksal der beiden Affen große Schlagzeilen. Deswegen, weil die Empfänger-Institution, das Deutsche Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen als Teil des Leibniz-Instituts für Primatenforschung, den Begriff „Forschung“ in sich trägt. Und weil diese Institution selbst keinen Hehl daraus macht, Paviane für die biomedizinische Forschung zu halten.

Am DPZ leben laut eigener Darstellung aktuell 61 Mantelpaviane. Da das Männchen der Gruppe im DPZ im Alter von 19 Jahren eines natürlichen Todes gestorben war, wurden nun zwei neue Männchen in die Gruppe integriert. „Wir haben uns sofort darum bemüht, ein oder zwei erwachsene Männchen zu bekommen“, so Annette Husung, die das Zuchtmanagement am DPZ leitet. Die zwei Männchen aus dem Augsburger Zoo seien am 1. November ans DPZ gekommen. „Wir freuen uns, dass sie von den erwachsenen Weibchen und ihren Jungtieren gut integriert werden“ so Husung.

Blind vom Bambi-Effekt im Augsburger Zoo?

Ganz anders die Perspektive der Tierrechtsorganisation PETA, die befürchtet: Die Tiere sollen zur Zucht eingesetzt werden, ihr Nachwuchs werde künftig höchstwahrscheinlich in Tierversuchen missbraucht, etwa in Xenotransplantationsversuchen. Biologin Dr. Yvonne Würz, PETA-Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsbranche, kommentiert: „Es ist abstoßend, dass Zoos und Tierparks Tiere als Besuchermagneten züchten und den ‚ungewollten Überschuss‘ regelmäßig wie seelenlose Gegenstände geradezu ‚entsorgen‘ – sei es durch Abgaben oder durch Tötungen.“

In diversen Äußerungen in der Leserbriefspalte der Tageszeitung oder in verschiedenen Internet-Foren haben (ehemalige) Zoobesucher dem Augsburger Tierpark die Freundschaft aufgekündigt, ihre Jahreskarte zurückgegeben oder Spendenaufträge storniert.
Eine Verhaltensweise, die für Tierarzt Hermann Kempf erklärbar („Bambi-Effekt“), nicht aber nachvollziehbar ist. Kempf, selbst studierter Tiermediziner, Buchautor, ehemals stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Zootier-, Wildtier- und Exotenmedizin und Chef der „Tierärztlichen Praxis für Exoten“ in Augsburg, kann am Verhalten des Augsburger Zoos aus fachlicher Sicht nichts Verwerfliches erkennen. Mit das Beste an Beschäftigungsmöglichkeit für Tiere in Gefangenschaft sei die Kümmernis um eigenen Nachwuchs, weswegen in praktisch allen Zoos Nachwuchs gezüchtet werde. Ein Aspekt, den auch das Gesetz vorgebe. Was bleibe, sei die Frage nach dem Umgang des tierischen Nachwuchses. Da sei die Kommunikation des Augsburger Zoos via Newsletter – wie im Beispiel der Paviane und der Geckos – eine begrüßenswerte Form von Transparenz. Transparenz, die anderenorts noch deutlich weitergehe. Kempf nennt das weltweit bekannt gewordene Beispiel der Giraffe „Marvin“ aus dem Kopenhagener Zoo. 2014 wurde das (überzählige) Tier – begleitet von heftigen Diskussionen – an Ort und Stelle getötet und an die Löwen des Tierparks verfüttert. Etwas, was an vielen Zoos mit den Babys von Ziegen, Schafen, Antilopen praktiziert – wenn auch nicht derart offensiv kommuniziert – werde. Skandinavische Länder und die Schweiz seien, so Kempfs Einschätzung, bereits weiter, was den Umgang mit all jenen Tieren anbelangt, die dort nicht auf Dauer gehalten werden können. Er hält nichts von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Tierwelt – hüben die hofierten menschlichen Lieblinge in Wohnung und Zoo, drüben jene Tiere aus der immer wieder kritisierten Massentierhaltung oder aus dem Forschungsbereich. Wer hier konsequent sein wolle, der müsse wohl vegan leben und dürfe praktisch kein neues Medikament mehr einnehmen, welches vorschriftsgemäß auch in Tierversuchen getestet worden sein muss.

Kempf sieht die Augsburger Zooleitung auf dem richtigen Weg. Zumal er die Abgabe der Paviane an eine Institution, die deutschen Gesetzen unterworfen ist, als positiver sieht als eine Abgabe in nominell vielleicht klangvollere Hände („Zoo in Lateinamerika“), wo man aber bald nicht mehr nachvollziehen könne, wo die Affen abgeblieben seien. Vielleicht müsse man ja die für manche Menschen (noch) schwer zu ertragenden Botschaften über Zootier-Schicksale anders kommunizieren. si

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