Wie Tina Rupprecht ihren großen Kampf erlebte

Wer in Augsburg oder in Deutschland „Tiny Tina“ boxen sehen wollte, der musste lange wach bleiben – oder früh aufstehen. Erst nach fünf Uhr morgens begann der heiß erwartete Kampf zwischen Tina Rupprecht und Seniesa „Superbad“ Estrada in der Nacht der Zeitumstellung. Doch es lohnte sich. Boxfans bekamen den erwartet spannenden Schlagabtausch der zwei besten Boxerinnen im Minimalgewicht zu sehen, bei dem es für beide um alles ging. Schließlich standen mit dem WBC, dem WBA und dem Ring Magazine ganze drei Titel auf dem Spiel.


Doch die Hypothek, mit der Tina Rupprecht ihre Reise nach Fresno, Kaliforniern antrat, war groß. Zum ersten Mal vor so einer Kulisse zu kämpfen – 12.000 Zuschauer fanden den Weg in das Save Mart Center in Fresno – gegen die favorisierte US-Amerikanerin Seniesa Estrada, die sowohl was die Fans, als auch die Richter anging, ein Heimspiel hatte. Dennoch stellte sich Tiny Tina der größten Herausforderung ihrer Karriere. „Die Atmosphäre war mega krass. Am Anfang haben mich die Fans ausgebuht, aber damit habe ich gerechnet, das hat mich eher gepusht“, erzählte die 30-Jährige nach ihrem Kampf dem Augsburg Journal REPORTER. Trotz eines starken Starts der Augsburgerin mit vielen klaren Treffern, musste sie sich am Ende der Favoritin geschlagen geben. Die US-amerikanischen Punktrichter werteten sogar jede Runde für die Lokalmatadorin, 100 zu 90 stand es. „Der Sieg für Estrada geht absolut in Ordnung, ich habe damit keine Schmerzen, aber so einseitig wie sie es gepunktet haben, war es nicht. Ich finde mindestens drei bis vier Runden waren auch bei mir.“ Ähnlich sahen es auch Boxkommentator Jens-Jörg Rieck und Kickbox-Weltmeisterin Tina Schüßler aus Diedorf, die den Kampf auf BR24 kommentierten. „Mindestens ein Unentschieden wäre verdient gewesen“, befand Schüßler.


Dennoch bereut Tina Rupprecht, ihre Entscheidung für den Vereinigungskampf keine Sekunde. „Ich finde, man muss erst mal an diesen Punkt kommen, wie ich es geschafft habe und dann auch noch ins Ausland zu gehen und zu sagen: Ich komme hierhin, riskiere meinen Titel und boxe gegen die Nummer Eins der Welt. Das machen ja nur die aller wenigsten und wenn, dann boxen sie lieber zu Hause, wo es sicherer ist“, ist Tiny Tina stolz auf ihre Leistung. „Ich habe einen richtig geilen Kampf abgeliefert.“ Tinas Einsatz und Leidenschaft honorierten auch die Fans in der Arena, die sie mit „Hey Tina“ Rufen anerkennend aus der Arena verabschiedeten.
Obwohl es, wie im Boxen üblich, von Rupprecht und Estrada im Vorfeld des Kampfes kleine Sticheleien gab, war das Verhältnis der beiden nach Ende des Kampfes sehr respektvoll, fast freundschaftlich. Das beweist auch ein Bild, auf die Kontrahentinnen zusammen mit Burger in der Hand zu sehen sind. „Im Hotel habe ich sie gefragt, ob sie einen Burger möchte, weil wir welche da hatten und dann haben wir die zusammen gegessen und ein Bild gemacht. Das finde ich schön“, erzählt die Ex-Weltmeisterin. Eine schöne Geste nach einem intensiven Fight. „Es ist Sport, man gewinnt, man verliert, deshalb muss man sich ja als Mensch nicht hassen oder so.“

Auch im Boxclub Haan, dem Heimatverein von Tina Rupprecht, blieb man länger wach, um die 30-jährige Augsburgerin anzufeuern.


Trotz der Niederlage will sich Tina Rupprecht in ihren Karriereplänen nicht beirren lassen. Darüber hinaus überlegt sie, in einer anderen Gewichtsklasse anzutreten. „Ich spiele schon länger mit dem Gedanken, auch mal im Atomgewicht zu Boxen, weil ich ja praktisch mein ganzes Leben mit meinem Kampfgewicht rumlaufe.“ Seit wenigen Jahren gibt es eine Rangliste in der Atomgewichtsklasse, eine Herausforderung, die die aktuelle Minimalgewichtlerin reizen würde. „Wenn ich eine Gewichtsklasse tiefer gehe, also auf 46 Kilo, dann bin ich auch physisch etwas krasser, weil aktuell alle meine Gegnerinnen von 50 Kilogramm runterkommen und ich das Gewicht nicht habe. Das heißt, die stehen am Kampftag immer mit drei bis vier Kilo mehr im Ring, das ist natürlich schon ein Vorteil.“
Zurück in Deutschland will sich die Profiboxerin erst einmal um ihren Schrebergarten kümmern und dann mit ihrem Freund Markus Fritschi in den Urlaub nach Island fahren, bevor es in ein paar Wochen mit dem Training weitergeht.

KEINE AUSGABE MEHR VERPASSEN

Erfahren Sie als Erster, wenn unser neues Magazin veröffentlicht wird – exklusiv vor allen Anderen!