Brigitte Maugg ist Zweifachmama, trägt keine Size Zero – und modelt: Sie ist Teil des „Fräulein Kurvig Kalenders 2026“, der für Diversität, Bodypositivity und echte Frauen steht. Ende Juni reiste die Augsburgerin nach Brüggen zum großen Shooting – gemeinsam mit 26 weiteren Frauen aus ganz Deutschland.
Warum sie sich beworben hat? Das hat sie dem Augsburg Journal bei einer Tasse Cappuccino bei sich zuhause erzählt. An den Wänden hängen neben Familienfotos professionelle Aufnahmen von ihr. Maugg stand bereits vor der Kamera, ganz bewusst: „Weil ich es satthabe, immer nur perfekte Social-Media-Bilder zu sehen. Jede sieht gleich aus: gleiche gemachte Lippen, gleiche Wimpern, gleiche Figuren. Dabei hat jede Frau etwas Schönes an sich – egal, ob blond oder brünett, mit Narben, Bauch oder Dehnungsstreifen. Wir sollten alle echter werden.“
Zu dick für die einen, zu dünn für die anderen? „Wieso steckt man uns in solche Schubladen?“, fragt Brigitte Maugg
Sie will auch das Schubladendenken aufbrechen: „Manche sagen mir: ‚Ja, aber die anderen Curvy Models sind doch viel dicker.‘ Da sage ich: ‚Ich bin vielleicht zu dick für die eine Seite, aber zu dünn für die andere. Aber warum? Ich bin ja eine ganz normale Durchschnittsfrau. Wieso steckt man uns in solche Schubladen?‘“
Selbst wurde die 36-Jährige in ihrer Jugend von Social Media noch nicht stark beeinflusst. „Aber natürlich hat man sich immer gedacht, wenn man Pamela Anderson gesehen hat, ich möchte auch so aussehen. Aber was ist der Preis dafür? Sind diese Menschen wirklich glücklich?“ Und ergänzt: „Ich finde, das Leben ist so kurz und so schön und wir vergessen das einfach. Wir wissen leider nie, wann der letzte Tag ist. Und ich möchte halt gerne meine Pasta mit Pesto essen und meinen Wein dazu trinken und mir einen schönen Abend machen.“
Sie will sichtbar und ein besseres Vorbild sein. Als Mutter zweier Kinder – acht und sechs Jahre alt – und vor allem bei Teenager-Töchtern von Freunden erlebt Maugg heute hautnah, wie stark junge Menschen unter Schönheitsdruck stehen. Zur Einordnung: Der „Heroin-Chic“ feiert gerade ein Comeback, unter dem kürzlich verbotenen Hashtag „#skinnytok“ sammelten sich in den sozialen Medien extreme Abnehmtipps und -bilder. „Die Jugendlichen sagen: ‚Ich kann das nicht anziehen, ich bin zu dick.‘ Das hat mir so richtig leidgetan und ich habe gesagt: ‚Wieso? Du bist so schön. Wer sagt dir denn, dass du nicht schön bist?‘ Ich finde, dieses Gefühl sollten wir der Menschheit wieder zurückgeben.“
Das will auch der Fräulein-Kurvig-Kalender. Neben anderen Projekten präsentiert CEO Melanie Hauptmanns damit seit 2020 Models verschiedenster Körperformen, Sexualität und Hintergründe. Die Motive sollen laut Website mutig, gesellschaftskritisch, politisch oder einfach witzig sein. Produziert wird der Kalender in limitierter Auflage. Shoppingmöglichkeiten gibts dazu.
Maugg setzte sich für das Shooting zum Motto „Be a Queen“ unter 1.600 Bewerberinnen durch. Auf ihren Vorschlag hin posierte sie im Wasser. „Ich bin so ein Wassermensch, ich bin doch Sternzeichen Fische“, lacht sie. Ungeschminkt, mit Sommersprossen und viel Selbstbewusstsein stand sie vor der Kamera. „Melanie Hauptmanns hat uns begleitet und uns Mut gemacht: ‚Hey, das sieht so toll aus.‘ Und wir waren wirklich 27 ganz verschiedene Frauen: Groß, klein, dick, dünn.“ Weil eine Kamera nicht reicht, war auch RTL West dabei, um über das Shooting zu berichten.
Im Dezember tritt Maugg an, die Fräulein-Kurvig-Krone nach Augsburg zu tragen
Am 13. Dezember folgt die Wahl zur Fräulein Kurvig 2025 in Krefeld. Unsere Vertreterin darf noch hoffen: „Es wäre natürlich total schön, die Krone nach Augsburg zu tragen.“ Online-Beleidigungen zum Kalender nimmt Maugg gelassen. Sie sei wenig auf Social Media aktiv. „Und man traut sich mehr im Internet zu sagen, als jemandem ins Gesicht. Aber die meisten Reaktionen sind positiv: Viele sagen, sie finden es klasse, dass ich ehrlich bin und meinen Bauch nicht verstecke.“ Für sie ist klar: „Ich habe zwei Kinder, natürlich sehe ich nicht aus wie 16. Aber das ist doch normal – und schön.“
Ihr Mann Andreas, 36, ist stolz auf sie. Und ihre Kinder sind neugierig geworden, sich vor der Kamera auszuprobieren: Tochter Clara war schon im ZDF zu sehen, Sohn Elias hat kleine Filmrollen übernommen – er durfte eine Szene mit Ethan Hawke spielen. Mama Brigitte hatte ein paar Rollen etwa in „Der Alte“ und „Frühling“ mit Simone Thomalla.
Für jeden gekauften Kalender bekommt die Augsburgerin etwas Geld, aber das sei nicht der Hauptgrund. Eigentlich arbeitet Maugg als Assistenz der Geschäftsleitung beim Integrationsfachdienst Schwaben, der Menschen mit Einschränkungen fit für den Arbeitsmarkt macht. „Das ist sehr erfüllend und auch wertvoll für die Gesellschaft.“ Ein Beitrag für die Gesellschaft ist auch ihr Kalenderbild: „Ich möchte zeigen, dass man keine Modelmaße braucht, um gesehen zu werden. Dass Selbstliebe möglich ist – auch mit Zweifeln, Narben und einem Alltag, der nicht immer Instagram-tauglich ist.“
Lesen Sie auch: Interview mit Model Marie Rauscher: Keine Angst vor der KI