Leere Stände, überzogene Preise und kaum Besucher: Einige besorgte REPORTER-Leser haben uns gegenüber ein düsteres Bild der Situation auf dem Augsburger Stadtmarkt gezeichnet – sie fürchten, dass es schlecht steht um ihr Innenstadt-Juwel. Die aktuelle wirtschaftliche Situation hat eine starke negative Auswirkung auf die gesamte City. Doch wie schlägt sich in dieser angespannten Lage der Augsburger Stadtmarkt? Wir haben uns bei Standbetreibern umgehört. Und sind am Rosenmontag gegen zwölf Uhr aufgeschlagen – eine faire Chance für den Stadtmarkt, zu zeigen, was in ihm steckt.

Das sagen Besucher, Standbetreiber und die Stadt zur Lage auf dem Augsburger Stadtmarkt

Ibrahim Erbas ist gerade auf dem Weg zu seinem Feinkost-Stand in der Viktualienhalle. Dort holen sich zur Mittagszeit viele Besucher einen Espresso Macchiato oder einen Cappuccino mit Herzmuster im Schaum ab. Der 60-Jährige ist seit 34 Jahren auf dem Stadtmarkt und weiß: „Eigentlich ist im Januar und Februar immer die ruhigste Zeit im Jahr.“ Der Andrang sei trotzdem auf lange Sicht etwas weniger als früher. „Das liegt aber auch daran, dass viele Stände leer sind. Und die Optik spielt eine Rolle, da müsste man erneuern. Der Boden in der Käsehalle wurde bei der Renovierung zum Beispiel nicht mitgemacht“, betont er. „Und wir brauchen was Neues auf dem Stadtmarkt, die Stadt muss investieren.“

Erbas fährt fort: Das Wochenende sei immer gut besucht, „die Leute sind gut drauf“, die Wochentage dagegen nicht. Während gerade der Gaudiwurm durch die Innenstadt gezogen ist, sei „während Fasching fast nix los“ auf dem Stadtmarkt. „Keine Stimmung, keine Maskierten“. Ein paar haben wir dann aber doch getroffen, aber dazu später mehr.

„Ich empfinde es eher als voll“

Ein Gast, der sich gerade frischen Kaffee geholt hat, empfindet die Situation als okay. Mehr noch: „Klar stehen ein paar leer. Aber ich empfinde es eher als voll.“ Alexandros Kanellos ist öfter am Stand von Erbas und verbringt dort seine Mittagspause. Der 18-Jährige überlegt einen Moment: „Man mag ja argumentieren, dass die Leerstände noch von Corona kommen. Leer würde ich es nicht nennen. Es kommt auf den Tag an, denn es fluktuiert viel.“ Und so tragisch sieht er die Situation nicht: „Die Stände, die leer stehen, werden wieder übernommen.“
Auf der gegenüberliegenden Seite der Halle bedient Dana Trpković, Inhaberin des „Salatblatt“, gerade Kunden. Ihr zufolge komme ein kleiner Prozentsatz weniger Kunden. „Das liegt auch am Homeoffice. Weil viele Kunden sagen, dass sie zwei Tage mindestens zu Hause sind.“ Das sei aber eine allgemeine Situation und nicht nur auf dem Stadtmarkt so.

Vor der Halle hat sich bei einem Bäckerstand inzwischen eine kleine Schlange gebildet. Darin steht auch Cäcilia Vesely aus Augsburg an. Die Augsburgerin ist gern und oft auf dem Stadtmarkt. Mindestens einmal in der Woche finde man sie dort, im Sommer auch öfter. Sie bestätigt die Wahrnehmung der REPORTER-Leser: „Ich empfinde das genau so. Die halbe Fleischhalle steht leer. In der Mittagszeit hat dort nur die Hälfte auf und macht schnell zu. In der Viktualienhalle auch.“ Sie sieht aber auch das Potenzial der Augsburger Institution – und hat eine klare Forderung an die Organisatoren: „Es ist auch ein touristischer Anziehungspunkt und alles in allem würde ein neues Konzept gut tun. Wie wäre es, jüngere Leute reinzuholen, nicht so starr an städtischen Bestimmungen festzuhalten, Zugeständnisse zu machen? In vielen anderen Städten sind zum Beispiel auch kulturelle Veranstaltungen.“

„Ich merke die Leerstände extrem. Es ist auch extrem teuer“

Die Besucher des Gaudiwurms tröpfeln auch auf den Stadtmarkt: Kleine Astronauten in silbernen Raumanzügen toben zwischen den Ständen, begleitet von bunt verkleideten Erwachsenen. Auch Frieda Wittmann kommt gerade vom Faschingsumzug. Die 69-Jährige aus Ried schaut hier immer vorbei, wenn sie gerade in der Fußgängerzone unterwegs war. Und da hat sie über die Zeit auch eine Veränderung bemerkt: „Ich merke die Leerstände extrem“, sagt sie. „Es ist auch extrem teuer. Der Ingwer hier ist wahnsinnig schön, aber der Preis! Oder neun Tulpen für 15 Euro, das gebe ich nicht aus.“ Dabei findet sie nicht alles schlecht: „Ich mag das Ambiente, aber der Stadtmarkt lässt sehr nach. Aber allgemein schläft die Stadt ein. Denn auch in der City Galerie ist nix los.“ Sie sieht aber auch verschiedene Gründe für die sterbende Stadt: „Auch der Onlinehandel spielt mit rein und macht es kaputt.“

Auch beim bekannten Augsburger Gastronom Tobias Emminger, der auf dem Stadtmarkt das „Fritts“ betreibt fragten wir nach: „Grundsätzlich ist am Stadtmarkt immer etwas los, aber einfach ist es nicht. Ich sehe es ja an mir selbst beim Einkaufen: Es ist einfach alles teurer geworden. Da können die Leute nicht mehr jeden Tag auf den Stadtmarkt gehen. Und wie andere Gastronomien leben wir eben auch vom täglichen Besucher und nicht weniger vom Gelegenheits-Besucher“. Ein Hauptproblem sei das fehlende Personal: „Einige Standbetreiber müssen aus Personalmangel andere Öffnungszeiten einführen. Wenn einige montags und dienstags geschlossen haben, macht das einen Stadtmarktbesuch an diesen Tagen unattraktiver. Das vereinfacht die Situation nicht für die, die wie wir jeden Tag geöffnet haben“. Unterkriegen will sich Emminger aber noch lange nicht: „Insgesamt bin ich dem Stadtmarkt gegenüber positiv gestimmt, ich glaube schon, dass er eine große Rolle im Stadtgeschehen spielt. Es ist aber trotzdem eine Herausforderung“. jg,ahö,mk

Das sagt Referent Wolfgang Hübschle

Zu wenige Besucher auf dem Stadtmarkt? An der schieren Personenanzahl kann es laut Wirtschafts- und Markt-Referent Wolfgang Hübschle nicht liegen. „Der Stadtmarkt ist laut unserer Frequenzmessungen noch immer das wichtigste Einzelziel in der City“. Die gesamte Innenstadt könne sich aktuell über eine Spitzen-Frequentierung freuen: „Die Frage ist also nicht, ob es die Menschen in die City oder den Stadtmarkt zieht, sondern wie viel Geld sie ausgeben“. Die Kaufbereitschaft sei aktuell schlicht gering, von einer Verödung könne aber keine Rede sein.
Zudem würden die wirtschaftlichen Verwerfungen den Markt nicht mit voller Härte treffen. Das Essensangebot ist vergleichsweise günstig und auch die Mieten für die Stände wären auch weiter auf niedrigem Niveau. So kostet die teuerste Variante – ein Imbissstand in der Fleischhalle – unter 300 Euro im Monat. Aber woher kommen dann die oft bemängelten Leerstände? Die Gründe hier wären, wie Hübschle betont, mannigfaltig, von Verzögerungen in der Ausschreibung, über langwierige Vertragsverhandlungen, bis hin zum Handwerkermangel bei nötigen Umbauten. Am fehlenden Interesse von potentiellem Beschickern liege es nicht. Aber, man werde in Zukunft noch mehr Fluktuation sehen. „Die Zeiten, in denen ein Stand von Generation zu Generation weitergegeben wurde, sind vorbei“, erklärt der Markt-Referent. Auch den Vorwurf, die Verfahren seien zu bürokratisch, lässt er nicht gelten: „Das Bewerbungsverfahren ist unkompliziert“.

Photo by: Martin Augsburger (www.martin-augsburger.de) Portrait Wolfgang Hübschle, Wirtschaftreferent Referat für Wirtschaft, Arbeit, Liegenschaften und Marktwesen Goldener Saal

Ein massives Problem stelle jedoch der Personalmangel dar, der auch die anvisierten Kernöffnungszeiten schwierig mache. So würden immer mehr Stände während der Öffnungszeiten geschlossen bleiben, weil niemand da ist, um sie zu betreiben. Das schade der Attraktivität: „Der Stadtmarkt lebt von seinem breiten Angebot, wenn es das aber nicht zu jedem Zeitpunkt gibt, ist das kontraproduktiv“.

Aber die Stadt sei in ihrer Zukunftsplanung für den Stadtmarkt bereits weit fortgeschritten: „Wir haben gleich mehrere Pfeile im Köcher“. So soll über ein sogenanntes Corporate Design die Außenwirkung des Stadtmarktes vereinheitlicht und professionalisiert werden. Hier sei man bereits bei den Abstimmungen mit den Marktkaufleuten. Des Weiteren im Bereich des Bauernmarktes eine umfangreiche Aufwertung mit Sitzmöglichkeiten, Begrünung, Brunnen und Kinderspielplatz in der Planung. Und auch in Sachen Öffnungszeiten arbeite man an einem Plan B. So wird überlegt, Teile des Stadtmarktes abtrennen zu können, damit beispielsweise der Bereich der Gastronomie und des Bauernmarktes länger geöffnet bleiben können.

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