Der neue Augsburger Rabbiner Asher Goldshmid ist auch Familienvater: Beim Gespräch mit dem Augsburg Journal ist das Handy deshalb dabei. Seine Frau Miriam erwartet zu diesem Zeitpunkt nämlich ein Kind.
Am 1. April hat der 28-Jährige Rabbiner seine Arbeit in der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg aufgenommen. Mit seiner Familie zog er von Israel, wo er geboren wurde, nach Augsburg um. Er wollte von Kindheit an Rabbiner werden, erzählt er. Zwar waren schon sein Großvater und Vater Rabbiner. Aber das hätte ihn nicht verpflichtet, in ihre Fußstapfen zu treten. Während seines Studiums war er drei Jahre als Tutor in Russland und Belarus eingesetzt. Wie hat er sich denn in Augsburg eingelebt? „Natürlich gibt es schon Unterschiede in der Mentalität zwischen Westen und Osten“, übersetzt David Lisowski, der das Gespräch dolmetscht. „Aber er findet es nicht mehr so fremd, denn seine Uroma Gerda (Chaja) kommt aus Österreich. Er fühlt sich hier zuhause. Und seine Oma hat in Deutschland studiert.“
Zwar habe sie deutsch gesprochen, es ihm aber nicht beigebracht. „Ich kann ein bisschen deutsch, kann schon ein paar Wörter sagen“, freut sich Goldshmid. Aber er lernt fleißig mit jedem Gespräch dazu, auch bei diesem hakt er immer wieder nach. Inzwischen, betont Lisowski, sei sein Deutsch schon viel besser als etwa bei Interviews zu Beginn der Amtszeit. Jiddisch konnte Goldshmid bereits ein bisschen, was Deutsch ähnelt. Für seine Arbeit in Russland lernte er Russisch. „Aber russisch ist viel schwieriger, denn deutsch ist sehr ähnlich zu jiddisch. Russisch ist eine ganz andere Sprache.“ Aber der Rabbi kann sich in seiner Gemeinde verständigen, das ist die Hauptsache. Daneben kann er natürlich Ivrit und versteht Aramäisch zum Teil.
Seit April im Amt: Das konnte Augsburgs Augsburger Rabbiner Asher Goldshmid seitdem umsetzen
Am 29. Oktober wurde der Augsburger Rabbiner Asher Goldshmid offiziell in sein Amt einführt. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz. Was hatte er sich zum Antritt vorgenommen, und was konnte er davon bereits umsetzen? An seinem Hauptziel, die Augsburger Jüdinnen und Juden mehr mit Tradition und jüdischem Leben vertraut zu machen, arbeite er bereits: Die meisten Mitglieder kämen aus der ehemaligen Sowjetunion, kennten fast nicht, was es heiße, Jude zu sein. Daneben habe er sich in der Stadt engagieren wollen. Das habe schon gut geklappt, sei es bei interreligiösen Treffen wie dem Runden Tisch der Religionen oder einem Friedensgebet. Parallel suche er etwa Israelis, die zwar in Augsburg wohnen, aber noch nicht in der Gemeinde aktiv sind. Diese könnten für frischen Wind in der Gemeinde sorgen.
Ein Ziel ist nach hinten gerückt: In der Augsburger Allgemeinen hatte Goldshmid im Mai von seinem Plan gesprochen, aus dem Anwesen an der Halderstraße ein großes jüdisches Zentrum für Rabbiner und Gläubige aus Deutschland und Israel zu machen, die zu Veranstaltungen willkommen geheißen werden. Die Gemeinde, sagte der neue Rabbi damals, solle auch nach außen sichtbar werden. Nun darauf angesprochen, räumt Goldshmid ein, das hänge nicht nur von ihm ab. Andere Dinge hätten im Moment Priorität.
Aber insgesamt zeige die Kurve in seiner ersten Zeit nach oben. Auch wenn es seit dem 7. Oktober nicht nur psychisch schwieriger sei, ein normales Leben zu führen. Viele bereits geplante Veranstaltungen wurden wieder eingefroren. Nun komme er aber wieder dazu, sie zu bearbeiten. Er plane etwa gerade Unterricht für Menschen, die arbeiten gehen, und erst ab 18 Uhr Zeit haben. Auch einen zusätzlichen Gottesdienst am Donnerstag. Für die nächsten Monate habe er sich deshalb vorgenommen, einfach weiterzumachen.
Generell gibt es wahrscheinlich einfachere Zeiten als diese, um die Aufgabe als Rabbiner anzutreten. Der Terror in Nahost hat auch seine Spuren in Augsburg hinterlassen: Mehrmals wurde etwa die Israel-Flagge vor dem Augsburger Rathaus heruntergerissen. Vor der Synagoge wurden für mehr Sicherheit Betonpoller aufgebaut. Wie wirkt sich das auf Goldshmids Arbeit und die Gemeinde aus? Goldshmid betont, es habe sich nicht soviel geändert. Man müsse immer vorsichtig sein. Aber Gottesdienste, Versammlungen und die Sonntagsschule würde es weiterhin geben.
Lisowski ergänzt, dass in der ersten Woche nach dem 7. Oktober (dem Tag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel, Anm. d. Red.) alles aus Sicherheitsgründen geschlossen war. Aber er betont: „Hier in Augsburg ist es Gott sei Dank viel ruhiger als in anderen Städten.“ Der Rabbiner erzählt, er fühle sich hier wohl, weil die Gemeinde in Augsburg schon wie eine zweite Familie geworden sei – „sehr offen und warm“ – und er fühle sich sehr wohl in der Gemeinde, obwohl der Großteil seiner Verwandten in Israel lebe.
Friedensflaggen auf dem Augsburger Rathausplatz: Besser als Nationalflaggen
Zur aktuellen Lösung der Stadt, zwei Friedensflaggen und einer „Wir-alle-sind-Augsburg“-Flagge, sagt Goldshmid, es sei die beste Lösung von allen. Denn würden dort wieder nationale Flaggen hängen, würde es immer jemand als Provokation sehen und sich beleidigt fühlen. Mit der aktuellen Lösung seien alle eingeschlossen.
Einen Wunsch hat er für die Augsburger: Frieden. „Weil momentan alles so instabil ist, ist Frieden der größte Schatz.“ Auch wenn Menschen aus andern Ländern kommen, andere Sprachen sprechen, sollte das kein Hindernis sein für ein friedliches Zusammenleben in Augsburg.