„Früher galt mein größter Respekt einem CEO mit viel Verantwortung. Heute ist für mich eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern das Maß aller Dinge“, sagt einer, der es wissen muss. Matthias Ziegert, 37-jähriger Staatsanwalt in Elternzeit, hat nämlich eine ähnliche Rolle, seit die gut einjährige Tochter auf der Welt ist. Er kümmert sich im „Erziehungsurlaub“, ein Begriff, über den er herzlich lachen muss, um die Kleine und ihren vierjährigen Bruder, während Ehefrau und Mama Nora als Augsburgs erste Notarin in die Geschichte eingeht – mit einem über Wochen ausgebuchten Terminkalender für Beratungen und Beurkundungen im Notariat, das früher 30 Jahre lang von Kollege Bernhard Hille geführt wurde.

„Familientreffen ist meist mittags beim Italiener“, berichtet die 38-jährige Top-Juristin. Auch, um das Töchterchen zu stillen. „Solange die Kleine mag, mache ich noch weiter“, sagt die gebürtige Münchnerin aus bekanntem Elternhaus: Ihr Vater, Professor Ulrich Ziegert, ist ein prominenter Strafverteidiger, der unter anderem den Fall des ehemaligen Augsburger Gastronomen Luigi Ferrari betreute, der fünf Jahre unschuldig im Gefängnis saß. Auch ihre Mutter Dr. Hanna Ziegert hat durch psychiatrische Gutachten bei Schlagzeilen-trächtigen Fällen wie Justizopfer Gustl Mollath ebenfalls einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt, nicht nur unter Juristen.

Dass Tochter Nora jetzt in Augsburg lebt, liegt an der familiären Konstellation. „Mein Mann und ich hatten den Deal: Meinen Namen, seine Stadt“, so die Wahl-Augsburgerin, die sich pudelwohl in der Fuggerstadt fühlt, auch wenn ihr Leben momentan ausschließlich aus Arbeit oder Kindern besteht.

Dankbar über Perspektivenwechsel

Weder für Sport noch Gesang im Chor bleibt Zeit. „Aber ich fahre zumindest täglich aus Göggingen mit dem Fahrrad ins Büro“, freut sich die ehemalige Geschäftsführerin der Bayerischen Notarkasse mit rund 1000 Mitarbeitern.

Ihr Ehemann ist gebürtiger Augsburger, hieß früher mit Nachnamen Sauer und war während der Corona-Pandemie als Jurist in der obersten Etage des bayerischen Gesundheitsministeriums angesiedelt. Trotz großer Erschöpfung – „das ist der härteste Job, den ich je gemacht habe!“ – ist er dankbar für den Perspektivwechsel, den ihm die Erfahrung als Fulltime-Papa beschert: „Arbeit ist, egal wie anstrengend, „Me-Time“. Ich kann selbst über mich bestimmen, mir die Dinge einteilen und am Abend bin ich fertig. Als Elternteil hast du 24/7 Dienst, keinerlei Selbstbestimmung und abends bin ich einfach mit den Nerven durch.“

Zur Erholung darf der Papa, der im neuen Jahr eine 50-Prozent-Stelle als Richter anstrebt, regelmäßig seinen sportlichen Leidenschaften nachgehen: Eishockey beim TSV Haunstetten und Fußball. Als Kapitän der Augsburger Türkspor-Kicker spürt er dort auch gelegentlichen Gegenwind in Sachen familiäre Rollen-Verteilung. Doch gerade deswegen kann er nur raten: „Die Männer sollten mehr reflektieren, die Frauen sollten sich mehr trauen!“

Die ersten Monate die Tochter im Notariat stundenweise dabei – und manchmal musste die Mama auch beim Beurkunden stillen.

Mit dem Kinderwagen in der City unterwegs – das gehört für den Augsburger Juristen Matthias Ziegert seit einem Jahr zum Alltag.

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