Er ist gerade erst 35 geworden, kommt aus Meitingen und sitzt mit Markus Söder am Kabinettstisch: Ein Besuch bei „unserem“ Digitalminister!

AUGSBURG JOURNAL: Herzlichen Glückwunsch zu den ersten 100 Tagen im Amt als bayerischer Digitalminister. Was hat sich im Leben von Fabian Mehring seit der Amtseinführung konkret verändert?
Fabian Mehring: Offen gesprochen schon eine ganze Menge. Wobei ich freilich den Vorteil hatte, dass ich in der vergangenen Legislaturperiode schon Landtagsabgeordneter und Parlamentarischer Geschäftsführer meiner Regierungsfraktion sein durfte. Ein bisschen war ich es deshalb schon gewohnt, eine hohe Schlagzahl zu haben und politische Spitzenverantwortung zu tragen. Als Minister ist das jetzt aber natürlich nochmal eine völlig andere Liga. Besonders spannend sind dabei die vielen neuen Aufgaben. Wie etwa unser Bayern auch überregional zu vertreten, zum Beispiel als „Chief Information Officer“ des Freistaats Bayern auf Bundesebene oder europäischer Ebene. In Berlin und Brüssel für Bayern am Tisch zu sitzen und für den Freistaat zu verhandeln, ist schon etwas Besonders – und traf mich übrigens schon an meinem ersten Tag als Minister. Nachmittags bin ich noch in München vereidigt worden, abends war ich schon auf dem Weg nach Berlin. Also statt Schonfrist – sofort und Vollgas. Und Chef einer obersten Landesbehörde zu sein, ist natürlich auch neu für mich. Man übernimmt da ja quasi über Nacht Führungsverantwortung für eine ganze Menge Menschen. Insbesondere das Digitalministerium zu führen, macht dabei wirklich große Freude. Vor allem deshalb, weil in unserem Ministerium keine typische Ministerialbürokratie-Mentalität herrscht und niemand Standesdünkel pflegt oder Aktendeckel von einem Büro ins andere trägt. In meinem Team gibt‘s stattdessen eine Menge junger Leute, die zuvor bei großen Unternehmen auf der ganzen Welt gearbeitet haben und mit einer gewaltigen Machermentalität ordentlich was bewegen wollen. Weil dieser besondere Spirit gut zu meiner Art passt, Politik zu machen, fühle ich mich an der Spitze dieser Anpacker-Truppe pudelwohl. Gemeinsam wollen wir das Architekturbüro für ein modernes, innovatives und digitales Bayern sein.

AJ: Wer, wenn nicht der Digitalminister, wäre prädestiniert für gelegentliches Homeoffice. Wie sieht’s damit aus?
Mehring: Für mein Team ist das selbstverständlich – lediglich bei mir selber klappt das bislang leider nicht so wirklich (lacht). Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass wir als Staat diese New-Work-Kultur brauchen, um im Wettbewerb um kluge Köpfe bestehen und jungen Familien moderne Lebensmodelle ermöglichen zu können. Hier im Haus haben wir – trotz „Tech-Ministerium“ – aus diesem Grund eine Frauenquote von rund 50 Prozent. Ich selbst bin derzeit bereits froh, wenn ich es mal auf eine Sechseinhalb- statt auf eine Sieben-Tage-Woche schaffe. Aber das ist beim Senkrechtstart in ein solches Spitzenamt vermutlich ganz normal.

AJ: Wie viele Mitarbeiter gehören zu Ihrem Ressort?
Mehring: Im Ministerium selbst sind wir im Moment ungefähr 200 Köpfe. Zusätzlich trage ich noch Verantwortung für „BayKommun“ und „Byte“, zwei Digitalagenturen des Freistaats, in denen gut 70 Leute arbeiten. Darüber hinaus betreiben wir einige Einheiten in der Fläche wie die sogenannten „XR-Hubs“ und KI-Transferzentren, die wir gerade massiv erweitern.

AJ: Wie wirkt sich der neue Job aufs Privatleben aus – was sagt Ihre Frau Franziska?
Mehring: Fanny kennt meine Leidenschaft für die Politik und wir sind es beide gewohnt, viel auf Achse zu sein. Meine Frau ist ja leidenschaftliche Handballerin und hat für Augsburg-Haunstetten in der Zweiten Bundesliga gespielt. Als wir uns kennenlernten, war sie deshalb eigentlich selbst ständig in ganz Deutschland unterwegs. Ich habe parallel dazu schon immer Politik gemacht. Kurzum: Wir sind es gewohnt, uns zu organisieren und nehmen es mit Humor, wenn der Termin-Wahnsinn mal wieder Überhand nimmt.

AJ: Welche Schwerpunkte setzen Sie persönlich für Bayern in den kommenden Jahren und welche
speziell für die Region Augsburg?
Mehring: Ich habe drei wichtige Schwerpunkte. Erstens wollen wir einen modernen Staat mit einer innovativen, digitalen Verwaltung erschaffen. Mein Gefühl ist: Viele Menschen leben zwischenzeitlich weitestgehend digital. Nahezu jeder von uns arbeitet digital. Viele von uns liegen abends auf der Couch und haben das Handy auf dem Oberschenkel. Dann fragen wir Apps, wo der nächste Urlaub hingeht, oder buchen uns einen Tisch im Restaurant. Klappt prima, bis die Bürger auf den Staat treffen: eine Welt von Aktenordnern, Stempelkissen und Faxgeräten. Während Amazon seine Kunden gefühlt stündlich über den Status ihrer Pakete informiert, verschwindet ein Bauantrag im Briefkasten einer Behörde quasi für Wochen in einem schwarzen Loch. Das macht etwas mit dem Image des Staates in den Köpfen der Menschen. Die Bürger haben dann schnell das Gefühl, alles sei modern und gut organisiert – nur der Staat nicht. Und das ist Wasser auf die Mühlen rechter Spinner und linker Ideologen, die als politische Geschäftemacher gegen unser Gemeinwesen hetzen und unsere Gesellschaft auseinanderdividieren wollen. Digitalisierung hat deshalb auch eine demokratietheoretische Komponente. Klug gemachte digitale Transformation beinhaltet die Chance, Verwaltung wieder „cool“ zu machen, damit die Menschen sich positiv mit unserem Staat identifizieren können.
Mein zweiter wichtiger Schwerpunkt ist die digitale Transformation der Wirtschaft. Dabei lautet die Frage nicht: Wollen wir da mitmachen? Denn: Die digitale Revolution passiert sowieso. Mir geht es darum, dass Bayern auf dieser Reise in die Zukunft nicht passiv auf der Rücksitzbank Platz nimmt, sondern im Fahrersitz selbst das Steuer übernimmt. Während die Gesamtwirtschaft in unserem Land stagniert, wächst die Digitalwirtschaft aktuell um 20 Prozent. Der Sound der Zukunft spielt also im Digitalen. Das bedeutet: Wenn wir unseren Wohlstand in die Zukunft tragen wollen, müssen wir Sieger der KI-Zeitenwende werden.
Mein dritter Schwerpunkt könnte daran liegen, dass ich nicht nur „Digital Native“, sondern eben auch ein bisschen „Dorfbub“ bin. Und vor allem Augsburger – und nicht Münchner. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir bei der Digitalisierung erfolgreich sein wollen, müssen wir die Menschen mitnehmen – in allen Schichten und Regionen des Freistaats. Wir müssen der Oma im Bayerischen Wald und dem Bub am Tegernsee gleichermaßen klar machen, wo der Mehrwert des Digitalen für ihre persönliche Lebenswirklichkeit liegt. Dazu will ich die Digitalthemen aus unserer erfolgreichen Münchner Tech-Bubble herauslösen und zusätzlich in die Fläche Bayerns bringen. Das mache ich zum Beispiel mit Initiativen wie „digital verein(t)“, mit der wir – übrigens aus Augsburg – Vereinen und Ehrenamtlern aus ganz Bayern bei der Digitalisierung helfen. Mit unserem europaweit einmaligen Programm KI-Transfer-Plus machen wir Bayerns Mittelstand fit fürs KI-Zeitalter. Bis zu 100 Unternehmen nehmen daran in acht KI-Regionalzentren teil – zukünftig auch in Neu-Ulm und Kempten. Insgesamt investiert mein Haus dort 9,1 Millionen Euro. Darüber hinaus planen wir Unternehmen mit Hilfe virtueller und realer Entwicklungs- und Testumgebungen Möglichkeiten zu bieten, KI-Lösungen schnell und vor allem kostengünstig zu erproben. Das wird ein echter Standortvorteil für Bayerns Mittelstand, der uns zum KI-Standort Nummer 1 in Europa machen soll. Dabei handelt es sich um ein Wirtschaftsförderprogramm par excellence, von dem tausende Unternehmen profitieren können – auch bei uns in Schwaben. Auf die Erfolge unserer Heimat bin ich als Augsburger Minister freilich ganz besonders stolz. Den Digitalminister freut dabei besonders unser KI-Produktionsnetzwerk, für das wir über 90 Millionen Euro von der Isar an den Lech gelotst haben.

AJ: Ihr Digitalministerium darf sich jetzt über 17 Prozent Etat-Erhöhung freuen. Das ist prozentual der höchste Anstieg aller Ministerien. Handelt es sich um einen echten Geldsegen oder trotzdem nur um einen Tropfen auf den heißen Stein?
Mehring: Das Ergebnis meiner Haushaltsverhandlungen mit dem Finanzminister ist schon ein „Gamechanger“ für uns. Weniger wegen der Euros als wegen des Signals, das damit verbunden ist. Als Markus Söder 2018 das erste Digitalministerium in Deutschland gegründet hat, startete meine Amtsvorgängerin Judith Gerlach mit 18 Leuten – ohne Tische und Stühle. Das Digitalministerium war quasi so eine Art „Polit-Start-up“ der Staatsregierung. Im neuen Koalitionsvertrag haben wir aller Unkenrufe zum Trotz entschieden, mein Haus massiv zu stärken. Das betrifft auch unsere Kompetenzen – zum Beispiel den „Digitalcheck“. Als einziges Ministerium innerhalb der Staatsregierung werden wir zukünftig alle neuen Gesetze auf ihre Digitaltauglichkeit überprüfen, egal aus welchem Haus sie kommen. Digitalisierung ist eben Querschnittsaufgabe, die alle Lebensbereiche betrifft. Deshalb hat unser Haus zu Recht eine Sonderrolle unter den Ministerien in Bayern. Wir sind Bayerns jüngstes Ministerium und erleben zeitgleich einen rasanten Bedeutungszuwachs, weil sich die Digitalisierung zum Masterthema unserer Zeit entwickelt hat – dieser Aufgabenzuwachs muss sich schrittweise auch bei Personal und Haushalt abbilden. Durch unseren neuen Koalitionsvertrag ist das Staatsministerium für Digitales im Zuge dessen von Bayerns Polit-Start-Up zu einem echten Zukunftsministerium geworden. Das spiegelt sich unter anderem in einer Organisationsreform, mit der ich mein Ministerium neu aufgestellt habe. Es zeigt sich aber auch im satten Haushaltszuwachs, den ich verhandeln konnte. Während die Berliner Ampel gerade im Haushaltsloch versinkt und an der Zukunft spart, setzen wir in Bayern voll auf Innovation durch Zukunftstechnologien. Ich finde das richtig, denn: Unser Bayern soll kein Museum für „Fax und Funkloch“ sein, sondern die Heimat von Hightech und Fortschritt werden.


AJ: Kein Empfang, schlechtes Netz – in vielen Regionen Bayerns gibt es Verbindungsprobleme. Was können Sie konkret dagegen tun?
Mehring: Zugang zu digitaler Infrastruktur muss in einem Hightech-Land wie Bayern genauso selbstverständlich werden wie die Versorgung mit Wasser oder Strom. Ich bin dabei zuständig für den „Pakt Digitale Infrastruktur“, mit dem ich unser Land aus dem digitalen Schlafwagen in den Schnellzug bringen will. Unser Ziel bis Ende 2025: 3,1 Millionen neu Glasfaser-Anschlüsse auf Gigabit-Niveau und 2000 neue Funkmasten. Zusätzlich werden wir tausende alte Funkmasten ertüchtigen. Zeitgleich haben wir im Baurecht bereits ordentlich Bürokratie weggeräumt, um bei den zugehörigen Genehmigungen besser und schneller zu werden. Meine Analyse ist, dass es aktuell zwei Themen gibt, die ein echter Flaschenhals für unseren Wohlstand sind: Das eine ist Bürokratie und das andere ist Demografie – also Fachkräftemangel. Für beides heißt die Lösung: Digitalisierung. Wir müssen KI überall da klug einsetzen, wo sie monotone Arbeiten und standardisierte Prozesse ersetzt, für die wir heute ohnehin kein Personal mehr finden, damit sich unsere Fachkräfte höherwertigeren Aufgaben zuwenden können. Das gilt auch in der Verwaltung, zum Beispiel bei Asylverfahren. Solche standardisierten Prozesse können gut von einer KI vorbearbeitet werden, bevor sie dann einem Menschen zur Entscheidung vorgelegt werden. Wir müssen konsequent auf KI setzen, sonst werden wir die Wohlstandsverluste, die wir schon aktuell erleiden, nicht abfedern können. Digitalisierung kann zudem ein Booster für Entbürokratisierung sein. Jedoch nur dann, wenn wir nicht einfach sinnlose Formulare ins Internet verlagern, sondern uns trauen, unnötige Bürokratie beherzt über Bord zu werfen. Wir müssen den Mut finden, unsere Prozesse neu zu denken. Dann kann es uns gelingen, durch Digitalisierung einen schlankeren, schnelleren und bürgerfreundlicheren Staat zu erschaffen.

AJ: Sie führen einen symbolischen Kreuzzug gegen Faxgeräte – wie läuft der?
Mehring: Dieser Kreuzzug ist keine Symbolpolitik. Mein Fax-Bann für unsere bayerischen Amtsstuben hat einen handfesten technischen Grund. Ich teile nämlich die Vision unseres Ministerpräsidenten von einem modernen Staat mit einer innovativen Verwaltung, die auf die Chancen von KI setzt. Im Ministerrat herrscht Einigkeit: Bayerns Verwaltung soll schlanker, effizienter und bürgerfreundlicher werden. Mittelfristig will Markus Söder sogar 5000 Stellen mithilfe von KI einsparen. Hier schließt sich der Kreis zum Fax. Was wir für KI-Anwendungen brauchen, sind maschinenlesbare, digitale Daten. Das klappt leider nicht per Fax. KI braucht Ende-zu-Ende Digitalisierung und GPUs in der Cloud. Meine Botschaft ist daher: Wir können nicht zeitgleich das Hohelied auf die KI singen und sentimental am Fax hängen! Wer auf den Mars fliegen will, muss zuerst aus der Pferdekutsche aussteigen. Kurzum: Wir müssen dem Fax als Dinosaurier des KI-Zeitalters den Stecker ziehen. Nicht als PR-Gag, sondern als technisches Erfordernis auf unserem Weg ins KI-Zeitalter!

AJ: Wo sind Sie als Digitalminister denn „besonders digital“ unterwegs – im Vergleich zu den Kolleginnen und Kollegen?
Mehring: Offen gesprochen war ich schon vor meiner Berufung zum Digitalminister recht digital aufgestellt, was zum Beispiel Terminkalender oder Aktenbearbeitung angeht. Dass wir im gesamten Digitalministerium papierfrei arbeiten, kommt mir allerdings schon zugute. Während meine Ministerkollegen fürs Wochenende kofferweise Akten in ihr Auto laden, steige ich am Freitagabend völlig entspannt ein – mit nichts außer meinem Tablet unterm Arm, über das ich Zugang zu allem habe, was ich brauche, um von überall auf der Welt aus zu arbeiten. So geht digital!

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