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Freiheit auf vier Rädern dank dem Escalador – die bewegende Geschichte von Martin Jochum

Martin Jochum hat seine Freiheit zurück. Seine Erfindung, der Escalador hilft ihm dabei, ein „normales“ Leben zu führen.

In einer Welt, in der Hindernisse allgegenwärtig sind, beweist Martin Jochum, dass die größten Barrieren oft jene sind, die wir uns selbst setzen. Der 36-Jährige ließ sich nach einem Autounfall 2015 und der Diagnose Querschnittslähmung nicht dabei aufhalten, seine Freiheit zurückzuerlangen. In den letzten Jahren entwickelte er den „Escalador“, ein vollelektrisches Geländefahrzeug, das nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen gehbehinderten Menschen in Zukunft lang verloren geglaubte Möglichkeiten neu eröffnen könnte.

Martin Jochum: „Ich lag 8 Wochen lang im Koma“

Martin Jochum liebt die Natur. Schon als Kind war er viel draußen unterwegs, egal ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Doch am 2. August 2015, einem schönen Sommertag, änderte sich sein Leben innerhalb weniger Momente komplett. Aus immer noch ungeklärtem Grund geriet das Auto, in dem Martin und sein Bruder Andreas saßen, ins Schleudern und knallte gegen einen Baum. Was für Martins Bruder, der am Steuer saß, glücklicherweise keine gravierenden gesundheitlichen Folgen nach sich zog, endete für den Beifahrer weniger glimpflich. „Nüchtern betrachtet muss man sagen, ich habe einen schlechten Platz im Auto gehabt“, erzählt der gebürtige Fischacher im Gespräch mit dem Augsburg Journal. Die Folgen waren schwerwiegend: „Ich hatte eine schwere Kopfverletzung und lag acht Wochen lang im Koma.“ Insgesamt knapp zwei Jahre verbrachte Jochum im Krankenhaus. „Am Anfang habe ich mich an fast nichts aus meinem Leben erinnern können, wusste nicht einmal mehr, wo ich arbeite, und habe die Wochentage immer durcheinander gebracht.“ Die ersten Genesungsschritte seien hart gewesen, „Der Kopf hat sich aber Gott sei Dank mit der Zeit sehr gut regeneriert“, erzählt er. Die Erinnerung, was genau beim Unfall passierte, haben bis heute weder er noch sein Bruder zurückerlangt.

Mit verschiedenen Übungen für das Gedächtnis fand Martin Jochum mental zurück ins Leben. „Heute bin ich von meinem Gehirn her wieder normal leistungsfähig“, sagt er. Anders sieht es bei seinen Beinen aus. Nach dem Unfall war schnell klar, der leidenschaftliche Tüftler würde nie wieder laufen können. Was viele als DIE Schockdiagnose schlechthin betrachten würden, nahm Jochum allerdings überraschend locker auf. „Für mich war das Wichtigste, dass mein Kopf funktioniert. In die Situation, nicht mehr laufen zu können, bin ich über die Zeit reingewachsen.“ Wenn der Entwickler über sein Leben im Rollstuhl spricht, hört man keinen Funken Trauer in seiner Stimme. „Heute denke ich eigentlich gar nicht mehr daran“, gibt er zu und fügt an: „Man kann im Rollstuhl mehr machen, als viele denken.“ Einige Sportarten, unter anderem auch Wintersport. „2019 habe ich mit Monoskifahren begonnen.“ Es sollte sich als Glücksfall herausstellen.

Jochum war bereits als Jugendlicher technisch interessiert, wuchs auf in einem Haushalt, in dem es sowohl eine Freibank als auch eine Fräsmaschine gab. Trotzdem absolvierte er nach der Schule zunächst eine kaufmännische Ausbildung, ehe er während der Finanzkrise 2008 in Kurzarbeit musste. „In dieser Zeit habe ich mir das CAD-Zeichnen beigebracht.“ Auch für das CNC-Fräsen in der Werkstatt eines Unternehmens, das er zunächst nur im kaufmännischen Bereich unterstützen sollte, begeisterte er sich schnell, sodass er innerhalb von zwei Jahren drei Fräsmaschinen gleichzeitig am Laufen halten konnte. Fähigkeiten, die sich bei seinem Projekt, den Escalador zu kreieren, als überaus wertvoll erweisen sollten.

Doch zurück zum Monoskifahren. „Dort lernt man die richtigen Leute kennen“, erzählt der Rollstuhlfahrer, der seine Leidenschaft für den Sport weiter auslebt. „Man begegnet vielen Menschen, die auch gehbehindert sind, aber an der Situation nicht verzweifeln, sondern mit einem positiven Mindset ihr Leben weiterleben und versuchen, so normal wie möglich an der Gesellschaft teilzuhaben.“ Einer riet ihm: „Fahr mal nach Berlin, da gibt es jemanden, der verleiht einen Geländerollstuhl.“ Wenig später fuhr er in die Hauptstadt und testete das Gefährt. „Viel mehr als über einen Feldweg zu fahren war damit aber leider nicht möglich“ – sein Erfindergeist war jedoch geweckt. Obwohl er nicht vollends überzeugt war, versuchte er das Fahrzeug seinen Bedürfnissen entsprechend anzupassen. „Das hat aber nur zwei Wochen gedauert, dann habe ich gesehen, das bringt nichts, ich muss ein eigenes Fahrzeug bauen“, sagt Jochum. Das war der Startschuss für den Escalador.
Mit dem Ziel, die Bereiche befahrbar zu machen, die mit einem normalen Elektrorollstuhl niemals befahrbar wären, machte sich der talentierte Tüftler an die Arbeit: „Zunächst habe ich ganz alleine angefangen zu zeichnen, zu planen. Irgendwann brauchte ich dann einen Partner, der mir einen Stahlrahmen fertigen kann.“ Die Wahl fiel schnell auf die Holzer Group in Bobingen, einen High-Tech Dienstleister im Motorsport. „Günther Holzer kenne ich schon seit 20 Jahren, da war es naheliegend, das zusammen zu konstruieren. So hat sich auch die weitere Zusammenarbeit ergeben.“ Eine Zusammenarbeit, die Früchte getragen hat. Nach mehreren Jahren der Entwicklung befindet sich der erste Prototyp des Escalador bereits seit 1,5 Jahren im Einsatz. „Mittlerweile haben wir drei weitere Testfahrzeuge und über 3.000 Kilometer im Gelände getestet“, freut sich Jochum über den aktuellen Entwicklungsstand.

Reichweite des Escalador über 100 Kilometer

Mit dem Escalador, der über einen Allradantrieb verfügt, kann man bis zu 45 km/h schnell fahren und Steigungen von über 100 Prozent ohne Probleme erklimmen. Und das alles bei einer Reichweite, die weit über 100 Kilometern liegt. Zudem besitzt „der Kletterer“ (das bedeutet Escalador auf Spanisch) über eine Straßenzulassung und kann damit problemlos auch im Straßenverkehr genutzt werden. Damit ist das Geländefahrzeug ein wahres Unikat auf dem Markt und die Gründe, warum sich die Holzer Group für die Produktion und den Vertrieb dafür entschieden hat, offensichtlich. „Geplant ist es, den Escalador dieses Jahr im Herbst für etwa 30.000 Euro zum Verkauf anzubieten.“ Das Interesse sei dabei sogar größer als zunächst angenommen.

Das sind tolle Nachrichten für Martin Jochum, der anfangs den Escalador hauptsächlich für sich selbst bauen wollte, um ein großes Stück Freiheitsgefühl und individuelle Mobilität wiederzuerlangen. In Zukunft möchte er dieses Gefühl mit dem Escalador an andere Menschen mit ähnlichen körperlichen Problemen weitergeben.

Mehr Infos zum Escalador gibt es auf escalador.de

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