Braucht Augsburg noch mehr E-Scooter? Kaum ein Fortbewegungsmittel spaltet die Gesellschaft so wie diese Leih-Roller. Befürworter sehen sie als Errungenschaft, viele hingegen hassen die Gefährte geradezu leidenschaftlich. Während Fans und Betreiber die Scooter als „aktiven Beitrag zur lokalen Mobilitätswende“ anpreisen, ist er in manchen Städten wie Madrid, Paris, Melbourne, Gelsenkirchen – und in ganz Großbritannien – inzwischen verboten, weil zu viele Fahrer damit verunglücken. Auch in der Fuggerstadt schaffen es E-Roller-Unfälle und -Vergehen fast täglich in den Polizei-Bericht. Optisch ist der „Roller-Verhau“ der wildgeparkten Gefährte zudem selten ein schöner Anblick, gerade vor historischer Kulisse. Aller Kritik zum Trotz, seit vergangener Woche hat sich die Zahl der Scooter in Augsburg schlagartig erhöht, denn der Roller-Verleiher „Lime“ hat nach zweijähriger Pause seine Rückkehr vollzogen.
„Eine hohe dreistellige Zahl“ an Fahrzeugen erweitert jetzt das Angebot der bisherigen Anbieter Voi (rund 700 Roller), Bolt (über 500) und Hopp (etwa 100). Doch wohin mit den Zweirädern? Die Stadt verweist auf ihren „hybriden Ansatz“: Im Klartext werden zur Not weitere Autostellplätze geopfert – auch in den Stadtteilen. Dass man eine Pause einlegte, erklärt Lime-Operationsmanager Sebastian Krais so: „In Augsburg sahen wir zuletzt 2022 keinen langfristig nachhaltigen Betrieb mehr gewährleistet.“ Nun seien die Voraussetzungen deutlich verbessert.
Lime sieht Vorteile im Wettbewerb
Dabei sind sich die Verantwortlichen der Kritik bewusst: Um das Stadtbild zu entlasten, setzt Lime auf verpflichtende Abstellzonen, etwa am Kö und am Hauptbahnhof. Nutzer würden in der App auf Parkregeln hingewiesen. Meldungen über falsch geparkte Roller bearbeite Lime innerhalb von 24 Stunden. Erfahrungen aus anderen Städten, wo sich laut Krais „deutliche Verbesserungen im Stadtbild durch verpflichtende Abstellzonen und engmaschige Kontrolle“ gezeigt haben, fließen in das Konzept ein.
Dass die Stadt bereits mehrere Anbieter hat, die mit ihren Rollern das Stadtbild teils auch problematisch prägen, sieht Lime nicht als Nachteil: „Wettbewerb fördert Qualität und Nutzerorientierung – auch das kommt letztlich der Stadtgesellschaft zugute.“
Genaue Zahl der Roller: „Geheimsache“
Rechtlich gesehen fällt der Betrieb von E-Scootern in Bayern unter den sogenannten „Gemeingebrauch der Straße“ und ist somit genehmigungsfrei, erklärt ein Sprecher des Tiefbauamtes. Sprich: Die Stadt hat praktisch kein Mitspracherecht, schaffe trotzdem freiwillig Rahmenbedingungen. Das Ziel: mögliche Beeinträchtigungen, insbesondere für den Fußverkehr und mobilitätseingeschränkte Personen, zu minimieren. Die Zahl der Roller sei der Stadt bekannt, die verweist aber auf Datenschutz.
Keine schlaflosen Nächte bereiten die neuen Scooter der Augsburger Polizei. Nach Worten von Sprecherin Johanna Kruger sei „nicht vorhersehbar, wie sich die Anzahl der E-Scooter auf die Zahlen der Verkehrsverstöße, die polizeiliche Mehrbelastung oder die Fahrten mit E-Scootern auswirken werden. Aus Sicht der Polizei kann nicht beurteilt werden, ob das größere Angebot angenommen wird.“ Das Problem „herumliegender Fahrzeuge“ sei anbieterseits durch eine technische Lösung reduziert worden: Ausloggen sei nur noch an definierten Abstellörtlichkeiten möglich.
Alexandra Seemann, 53, Erzieherin, Gersthofen: „E-Scooter sind für die Menschen, die sie nutzen und brauchen, bestimmt gut, aber man sollte damit vorsichtiger fahren. Diese Roller sind schnell und gefährlich. Meine 87-jährige Mutter muss im Straßenverkehr ständig sehr aufpassen und jetzt kommen noch so viele E-Scooter dazu. Die Stadt muss sich um die Geschwindigkeitsbegrenzung und um das korrekte Parken kümmern. Oft liegen die Roller mitten auf dem Gehweg, obwohl sie wenigstens gescheit am Straßenrand abgestellt werden könnten.“
Giuseppe S., 45, Gastronom, Augsburg: „Mich stören E-Scooter nicht, sie sind bestimmt für viele Leute praktisch. Ich selbst fahre nur Auto und habe nicht vor, umzusteigen. Nur das falsche Parken ist ab und zu zu bemängeln und dass die Roller hin und wieder auf dem Boden liegen. Das wäre noch zu ändern.“
Angelina McElroy, 33, Disponentin, Augsburg: Ich radle viel, aber auch mit dem E-Scooter fahre ich oft: circa drei bis vier Mal die Woche, diese sind schneller und deswegen weiche ich gerne auf sie aus. Ich finde nicht, dass wir in der Stadt einen weiteren E-Scooter-Anbieter brauchen. Zu viele Roller würden dann querbeet stehen. Ich bevorzuge Voi, da sie sich am bequemsten fahren lassen.“
Max Z., 31, Programmierer, Augsburg: „Ich nutze E-Scooter sehr oft, mindestens zwei bis drei Mal die Woche. Ich fahre meistens mit Voi. Früher fand ich Lime-E-Scooter teuer. Mich würde es nicht stören, wenn es in Augsburg mehr E-Scooter und mehr Anbieter gäbe – Konkurrenz könnte die Preise für den Endverbraucher möglicherweise senken.“
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