NACHRUF. Ignaz Walter, der es vom Maurerlehrling zum Chef eines Baukonzerns mit 50 000 Mitarbeitern schaffte, starb mit 87 Jahren an Lungenentzündung
von Walter Kurt Schilffarth
Er war einer wie keiner. Mit Ecken und Kanten. Everybody’s Darling zu sein, ließ der Ehrgeiz von Ignaz Walter schon gar nicht zu. Das olympische Motto „schneller, höher, weiter“ war für ihn der Antrieb als Unternehmer, Bauwissenschaftler, Kunstsammler und ganz privat. Sogar über seinen Tod hinaus. Auch noch der Ablauf des bewegenden Requiems trug klar seine Handschrift. Vergleichsweise wäre dafür die Basilika St. Ulrich und Afra angemessen gewesen. Nein, seinem Wunsch entsprechend fand die Trauerfeier nahe seines Gutshofs im heimatlichen Haunstetten statt. In der Pfarrkirche St. Georg.
63 Jahre Ehe mit Frau Sonja
Florian Geis, Kurator der Wieskirche im Allgäu, formulierte seine Predigt sehr persönlich, die ganze Walter-Familie mit Kindern und den sechs Enkeln, die mit Fürbitten ihrem Großvater gedachten, nahm aktiv an dem Gottesdienst teil. „Welch große Zahl das ist“, rühmte Pfarrer Geis die Tatsache, dass die Ehe von Ignaz Walter mit seiner Frau Sonja, die als umsichtige „Privatsekretärin“ eine wichtige Stütze seiner unternehmerischen Anfänge war, 63 Jahre Bestand hatte.
Ganz dem Wunsch des Klassik-Liebhabers Ignaz Walter entsprach die musikalische Gestaltung der Trauerfeier von Jakob Janeschitz-Kriegl mit Augsburger Philharmonikern, Chor-Mitgliedern des Staatstheaters, an der Orgel Peter Bader sowie als Höhepunkt Opernsängerin Cathrin Lange mit dem „Ave Maria“.
Letztes Interview für AJ
Auch die letzte Zeit, als Ignaz Walter an den Rollstuhl gefesselt war, konnte seinen Tatendrang nicht zügeln. Für das Oktoberheft des AUGSBURG JOURNAL gab er, temperamentvoll und engagiert wie immer, ein Interview zur Stadtentwicklung. Als leidenschaftlicher Augsburger, der einst vergebens seiner Heimatstadt unter der Fuggerstraße eine Garage mit 600 unterirdischen Stellplätzen schenken wollte, wetterte er gegen die Pläne, den Rathausplatz und die Maximilianstraße mit Platanen zu bepflanzen. „Es darf nicht sein, dass die einzigartige Architektur des Renaissance-Rathauses und die historischen Fassaden hinter Bäumen versteckt werden sollen. Ich bin schon für mehr Grün in der Stadt, aber nur dort, wo es Sinn macht.“
Die Geschichte seines Aufstiegs zu einem der größten Bauunternehmer Europas mit zeitweise über 50 000 Mitarbeitern sowie das dramatische Ende der WALTER Bau AG am 1. Februar 2005 hat Ignaz Walter in drei Büchern aufgearbeitet. Wie er als ältestes von sechs Kindern, geboren in Augsburg und in den Kriegsjahren aufgewachsen auf dem Land, über eine Maurerlehre, Abendkurse und Hochschulreife schließlich zu seiner ersten eigenen Firma kam, war das Ergebnis von unbändigem Fleiß, Ehrgeiz und kaufmännischem Talent. Patent-Entwicklungen als Pionier der Fertigteil-Bauweise machten ihn zum Professor mit langjähriger Lehrtätigkeit an der Hochschule Biberach. Kennzeichnend für seine Willensstärke war sein Umgang mit gesundheitlichen Schicksalsschlägen. Einmal musste er sich sogar einer elfstündigen Rückenoperation unterziehen – er kämpfte und ließ sich nicht aus der Bahn werfen.
An Ehrungen folgten der Bayerische Verdienstorden, das Bundesverdienstkreuz und der Titel des Ehrendoktors. Die deutsche Bauindustrie wählte ihn zum Präsidenten, dazu kam die Vize-Präsidentschaft im Bundesverband der deutschen Industrie. Auf Augenhöhe mit Staatsoberhäuptern und Ministern wurde aus Ignaz Walter ein viel geachteter internationaler Konzern-Herr, Vorbild, Ratgeber und manchmal sogar Freund für Minister, Banker und Groß-Investoren.
Ignaz Walter verlor nie die regionale Bodenhaftung
Dabei verlor er nie die regionale Bodenhaftung. Sein vor mehr als 50 Jahren gegründeter Mittwoch-Stammtisch im Drei Mohren und später bei KAHN, sowie ein weiterer am Donnerstag im Gasthof Settele, waren ihm ebenso wichtige Termine wie eine Hauptversammlung in Seattle. In Haunstetten spielte er mit Freunden Fußball, der Ski-Winter begann für ihn schon im November mit Ausflügen in die Schweiz, nach St. Moritz und Schmitten. An seinem Feriensitz in der Nähe von Monaco verband er Aktenstudium mit viel Zeit für seine Familie, enge Freunde und die Pflege der mediterranen Botanik. Hier holte sich Ignaz Walter auch sein Knowhow für das Kakteen-Haus auf dem heimischen Grundstück in Siebenbrunn. Einzigartig ist das WALTER-Kunstmuseum im Glaspalast. Die Sammlung präsentiert Werke nahezu sämtlicher Künstler und Künstlerinnen, die im zeitgenössischen Kunstbetrieb Rang und Namen haben.
Ignaz Walter war immer stolz auf den Werdegang seiner Kinder. Tochter Nicole ist verantwortlich für die WALTER-Stiftung, die Söhne Dr. Ralf Walter (neu als Aufsichtsrat) und Dr. Roy Walter (Vorstand) drehen mit der WALTER-Beteiligungen- und Immobilien AG ein großes Rad. Zurzeit entsteht zum Beispiel in Augsburg das 50-Millionen-Projekt „Innovationsbogen“, in mehreren Städten gehören insgesamt rund 400.000 Quadratmeter Grundstücksfläche zum Unternehmensbestand. Als Senior-Chef nahm Ignaz Walter bis wenige Tage vor seinem unerwarteten Tod regen Anteil. Und auch privat hatte er immer noch Pläne.
Beim Treffen zum AUGSBURG JOURNAL-Interview verriet er sein nächstes Ziel. „Ich hab‘ jetzt mehr Zeit. In Kürze starte ich eine wöchentliche Schafkopfrunde mit guten Freunden.“ Dazu ist es leider nicht mehr gekommen. Prof. Dr. h.c. Dipl.-Ing. Ignaz Walter starb am 27. Oktober im Alter von 87 Jahren an Lungenentzündung in einem Münchner Klinikum.
Lesen Sie auch: Der Tisch als Mittelpunkt – desinum-Geschäftsführer Siegfried Hörmann im Interview