Das Thema Sicherheit der Energieinfrastruktur ist in Zeiten, in denen der Krieg international zunimmt und spätestens seit dem amerikanischen Angriff auf Iran vermehrt ins Bewusstsein gerückt. Deshalb fragten wir Rainer Nauerz, den Chef der Stadtwerke Augsburg, nach seinen Einschätzungen zur aktuellen Lage in Augsburg und Deutschland – aber auch was die Zukunft angeht.

AJ REPORTER: Angesichts der großflächigen Stromausfälle zuletzt in La Palma und davor in Spanien: Wie sicher ist das deutsche Stromnetz – und speziell das Netz in Augsburg – aktuell?

Rainer Nauerz: Die aktuellen großflächigen Stromausfälle auf der Insel La Palma und zuvor auf dem spanischen Festland zeigt eindrucksvoll, wie fragil selbst moderne Stromnetze sein können, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen. In La Palma führte ein defekter Generator zum vollständigen Stromausfall. In Spanien stammten zum Zeitpunkt des Blackouts rund zwei Drittel der Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie. Diese liefern zwar klimafreundlich Strom, tragen aber kaum zur Netzträgheit bei – ein Problem bei plötzlichen Schwankungen. Die Netzfrequenz ist das Zünglein an der Waage: Schon kleine Abweichungen von den stabilen 50 Hertz können zu automatischen Abschaltungen führen. In Spanien kam es zu Frequenzschwingungen, die das Netz bei der Unterschreitung der unteren Schwelle aus dem Gleichgewicht brachten.

Vorsorge für möglichen Blackout

Auch wenn ein Blackout selten ist, sollte jede Region und auch jede Privatperson Vorsorge treffen, so müssen Notfallpläne weiterentwickelt werden und das Thema Netzstabilität muss bei dem weiteren Netzausbau Berücksichtigung finden. Damit der Umstieg, weg von wenigen großen Kraftwerken hin zu einer Vielzahl an dezentralen Anlagen (PV, Windkraft, Analgen, etc.) in Verbindung mit neuen Verbrauchern (Ladestationen, Wärmepumpen, etc.) zu meistern ist.

Auch das Augsburger Netz ist sehr sicher, weil wir es auch immer auf dem neusten Stand halten. Dennoch kann es Einwirkungen von außen geben, die zu Stromausfällen führen können. In Augsburg hatten wir das vor zwei Jahren nach zwei Blitzeinschlägen, die dazu führten, dass einige Stadtviertel für bis zu zwei Stunden ohne Strom waren. Andere Einwirkungen von außen, und das ist die größere Gefahr, können Cyberangriffe auf die Netzsteuerung oder direkte physische Anschläge auf Versorgungsanlagen sein.

Rainer Nauerz: Die Lage in Europa hat sich verändert

AJR: Welche konkreten Gefahren und Herausforderungen für die Energieinfrastruktur bestehen heute, die es vor zehn oder zwanzig Jahren noch nicht in dieser Form gab?

Nauerz: Die Versorgungswirtschaft stand schon immer vor der Herausforderung, dass sich sowohl Verbraucher als auch Erzeuger stetig weiterentwickeln, zum einen technisch und zum anderen regulatorisch. Diese stetige Herausforderung hat die deutsche Energiewirtschaft und insbesondere auch die SWA hervorragend gemeistert. Wir haben mit die sichersten Versorgungsnetze mit den geringsten Ausfallzeiten auf der Welt. Allerdings steht die Energieinfrastruktur heute vor neuen Gefahren und Herausforderungen, die es vor zehn oder zwanzig Jahren noch nicht in dieser Form gab. Ein bedeutender Faktor ist die veränderte geopolitische Lage, insbesondere durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, aber auch die neue Lage in den USA oder dem Nahen Osten. Diese Situation hat die Sicherheitslage in Europa verändert und es besteht die Gefahr, dass gezielt Angriffe auf die Energieinfrastruktur in Deutschland ins Visier genommen werden, sei es durch Cyberattacken auf die Netzsteuerung oder durch tatsächliche Anschläge auf Anlagen. Diese Bedrohungen erfordern neue Sicherheitsmaßnahmen und weitere Investitionen in die Cybersecurity sowie den Ausbau von Redundanzen im Netz sowie in den physischen Zugangsschutz von Anlagen und Einrichtungen.

AJR: Wie hoch sind die aktuellen und geplanten Investitionen der swa in die Sicherung und Modernisierung des Energienetzes? Können Sie eine ungefähre Größenordnung nennen – absolut oder prozentual?

Nauerz: Wir bereiten uns natürlich auf unterschiedliche Szenarien vor. Das geht vom Netzausbau mit Redundanzen, also einer Rückfallebene mit zweiter Versorgungsmöglichkeit, wenn eine ausfällt, bis hin zu Cybersecurity, also die Sicherheit unserer Software, Rechner und Steuerungsanlagen. Zusätzlich erhöhen wir organisatorisch und technisch die Maßnehmen zum Zugangsschutz. Hier investieren wir einen höheren Millionenbetrag.

AJR: Sie sagten bei der Veranstaltung, man befinde sich „im Krieg“, wenn es um den Schutz des Netzes gehe. Wie dramatisch ist die Lage aus Ihrer Sicht wirklich?

Nauerz: Ich zitierte hier einen Vertreter der Bundeswehr bei einer aktuellen Veranstaltung. Hier geht es um die neue Art Kriege zu führen, nicht im klassischen Angriffskrieg, sondern die sogenannte Hybride Kriegsführung, wo durch unkonventionelle Mittel wie Cyberangriffe, Sabotage-Aktionen, Desinformation und wirtschaftlichen Druck versucht wird den vermeintlichen Gegner zu destabilisieren und zu schwächen, ohne einen offenen Krieg zu führen. Auch das sind die Themen, die uns beschäftigen.

Dass es russische oder von Russland gesteuerte Cyberangriffe auf Energieversorger zuhauf und tagtäglich gibt, steht mittlerweile außer Frage. Die Abwehrmechanismen haben bisher gehalten. Wichtig ist, dass sich jedes Energieunternehmen für sich, aber auch im lokalen Verbund, sowie Deutschland und Europa insgesamt wappnen. Das gilt dann auch für physische Anschläge auf Anlagen sowie Krisenszenarien bei einem Versorgungsausfall.

Umdenken der Gesellschaft ist nötig

AJR: Muss ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden, wenn es um unsere Energieversorgung und deren Verwundbarkeit geht? Wird das Thema unterschätzt?

Rainer Nauerz: Wir müssen uns der möglichen Gefahren bewusst sein, uns vorbereiten und Vorkehrungen treffen, ohne Angst zu schüren und in Panik zu geraten. Nach dem Kalten Krieg und dem Fall des Eisernen Vorhangs haben wir das Wort „Krieg“ oder Wehrhaftigkeit aus unserem Wortschatz in Europa gestrichen. Das hat sich mit der russischen Aggression und der weltweiten Entwicklung leider geändert. Unsere Gesellschaft muss das Thema, egal wie unangenehmen es ist, aktiv thematisieren und sich mit der geänderten Lage schnellstmöglich beschäftigen.

AJR: Welche kurz- und langfristigen Maßnahmen können Stadtwerke wie die swa ergreifen, um das Netz sicherer und widerstandsfähiger zu machen – und wo liegen die Grenzen?

Nauerz: Wir bereiten uns natürlich auf unterschiedliche Szenarien vor. Das geht vom Netzausbau mit Redundanzen, also einer Rückfallebene mit zweiter Versorgungsmöglichkeit, wenn eine ausfällt, bis hin zu Cybersecurity, also die Sicherheit unserer Software, Rechner und Steuerungsanlagen. Klar ist aber auch, dass ein Stromnetz gerade auch mit Freileitungen nie hundertprozentig geschützt werden kann.

AJR: Arbeiten die swa in diesem Bereich eng mit staatlichen Stellen oder überregionalen Partnern zusammen? Welche Rolle spielt dabei die Politik?

Nauerz: Ja, das tun wir. Die Kontakte sind auf unterschiedlichen Ebenen, vor Ort und auch überregional. Die Politik und die dahinterliegenden Verwaltungen haben hier steuernde und koordinierende Funktion. Es macht ja auch keinen Sinn, wenn jeder blindlings selber losrennt. Jedoch ist die Lage für alle eine neue Herausforderung.

AJR: Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, auch die Bürgerinnen und Bürger stärker für das Thema Energiesicherheit zu sensibilisieren?

Nauerz: Wir leben in einem sehr sicheren Land, einem der sichersten weltweit. Auch die Energieversorgung ist gerade auch in Augsburg sehr sicher mit nur sehr geringen Ausfallzeiten. Das ist ein hohes Gut, an das wir uns gewöhnt haben. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass diese Sicherheit mittlerweile bedroht wird. Deshalb werden auch wir für das Thema Sicherheit in unserem Bereich stärker sensibilisieren, ohne Panik zu schüren.

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