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Samstag, 27. Dezember 2025

So stemmt Jürgen Enninger alles zwischen Rosenau und Staatstheater

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Jürgen Enninger ist seit Oktober 2020 Kultur- und Sportreferent der Stadt Augsburg. Mitten in der Pandemie angetreten, ist seine Amtszeit geprägt von Krisenmanagement, aber auch von großen Visionen für Kultur und Breitensport. Im Gespräch mit dem Augsburg Journal nimmt er Stellung zum aktuellen politischen Klima, seinen Plänen für die Stadt und der Chance auf Olympia 2040.

Augsburg Journal: Herr Enninger, wie blicken Sie auf den derzeit startenden Wahlkampf? Es herrscht viel Gegenwind für die Grünen. Ist das für Sie überraschend?

Jürgen Enninger: Ich habe das Gefühl, dass aktuell unser Tagesgeschäft hochgespielt wird. Themen, die früher keine große Rolle gespielt hätten, schlagen aktuell beinahe seismografisch auf. Nehmen wir zum Beispiel die Bäderöffnung, die jetzt öffentlich sehr diskutiert wird. Das hat mich tatsächlich überrascht, auch wenn mir klar ist, dass so etwas im Wahlkampf hochkochen kann. Als Referent trage ich Verantwortung für meine Themenfelder. Dass diese Arbeit dann Grün verstanden wird, ist ein neues Learning für mich. Es motiviert mich aber auch, meine Arbeit in einer breiteren politischen Verantwortung zu sehen. So wirkt meine Arbeit für eine Vielfalt der Menschen in der Stadt. Ich arbeite so tagtäglich daran, Menschen für ihre Stadt zu begeistern.

AJ: Dennoch besteht der Eindruck, die Zusammenarbeit mit der CSU läuft gut aus Sicht der Grünen. Wie erleben Sie die Kooperation in der Stadtregierung?

Enninger: Die Zusammenarbeit mit der CSU läuft bei allen inhaltlichen Unterschieden gut. Besonders bemerkenswert finde ich, dass die Beziehung zwischen Martina Wild und Eva Weber sehr gut ist. Sie räumen viele Probleme scheinbar unsichtbar aus dem Weg. Unsere Arbeit für die Stadt steht dabei immer im Mittelpunkt. Natürlich werden die Karten bei der Wahl neu gemischt. Da sollte man sich nicht in Sicherheit wiegen. Wir sind aus grüner Perspektive aber gut aufgestellt und verfolgen klar inhaltliche Ziele.

AJ: Was ist das zentrale Alleinstellungsmerkmal der Grünen für diesen Wahlkampf?

Enninger: Ich glaube, das Besondere an der grünen Perspektive ist, dass wir die gesamte Vielfalt der Stadtgesellschaft im Blick haben und diese Diversität auch als Chance verstehen. Deswegen ist unser Claim „Stadt der 300.000 Chancen“ für uns keine plakative Behauptung, sondern eine echte Haltung zur Stadt.

AJ: Im Kulturbereich wird diese Haltung auch beim Römermuseum sichtbar, das ja ein Dauerbrenner ist. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Enninger: Das Römermuseum ist für mich keine politische Debatte, sondern eine Notwendigkeit. Es muss die erste Aufgabe als Kulturreferent sein, dieses Museum zu bauen. Wir haben die klare Perspektive, dass sich die Grundhaltung der Stadt, die von Menschen aus dem gesamten Mittelmeerraum gegründet wurde, auch im Museum widerspiegeln soll. Aktuell arbeiten wir mit Hochdruck daran, dass es ein Museum geben wird – unsererseits stehen alle Ampeln auf Grün.

AJ: Woran hat es anfangs noch gehapert?

Enninger: Als ich hier anfing, war mein Schreibtisch zu diesem Thema überraschenderweise leer. Ich fing an mir die Informationen zusammenzusuchen, Einzelgespräche zu führen. Es gab eine vage Festlegung auf den Predigerberg und viele Standortdiskussionen. Auf dieser Basis entwickelten wir einen Dreistufenplan (Neuausrichtung der Ausstellung, Römerapp, Öffnung der Dominikanerkirche). Außerdem fehlte anfänglich das Commitment des Freistaats. Das haben wir nun. Glücklicherweise haben sich Kunstminister Markus Blume und andere sehr deutlich dazu bekannt, und auf dieser Zusage bauen wir jetzt auf. Wir haben dazu eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um Standorte abzuwägen. Diese wird voraussichtlich entweder im Dezember oder im Januar veröffentlicht werden.

„Der Glanz der Rosenau war bei den Centurions besonders spürbar“

AJ: Ein großer Fokus Ihres Referats liegt auf dem Breitensport, Stichwort „Sportgespräche“. Was sind die greifbaren Ergebnisse dieser Dialoge?

Enninger: Das Wichtigste ist, dass wir Sport als Erstes von den Menschen aus denken, die im Breitensport aktiv sind. Ein großes Thema war der Bedarf an niedrigschwelligen Sportmöglichkeiten in den Stadtteilen. Wir haben daraufhin eine referatsübergreifende Arbeitsgruppe geschaffen, die sich nur um die Erschließung von Bewegungsflächen kümmert. Ein konkreter Impuls aus den Stammtischen war der Wunsch, schnell und kurzfristig sehen zu können, wann Sporthallenzeiten frei werden. Wir haben daraufhin ein Digitalangebot gebaut, über das man freie Zeiten transparent einsehen und buchen kann.

AJ: Auch der Spitzensport birgt Herausforderungen: Dürfen die Footballer der Augsburg Centurions nächste Saison in der Rosenau spielen?

Enninger: Die Centurions dürfen im Rosenaustadion spielen. Im letzten Sportausschuss haben wir einen einstimmigen Beschluss dazu gefasst. Beim Testspiel in der Rosenau hat man gesehen, wie voll das Stadion war und wie großartig es angenommen wurde. Der Glanz der Rosenau war bei den Centurions besonders spürbar. Dennoch wird es eine starke Beanspruchung der Fläche geben, die sportfachliche Beurteilung ist dort durchaus kritisch. Gleichzeitig wollen wir uns als Stadt die Chance nicht nehmen lassen, die Centurions in der Rosenau spielen zu lassen.

AJ: Warum gab es anfangs Probleme damit? Das wurde von vornherein von Ihrer Seite niedergebügelt.

Enninger: Wir haben eine große Verantwortung in der optimalen Belegung unserer Sportflächen. Daher geht es nie um niederbügeln, es geht um abwägen. Die Sportverwaltung hatte eine sportfachliche Einschätzung, die ganz klar dagegen gesprochen hat. Die engagierten Mitarbeitenden im Greenkeeping versuchen, jedes Prozent Verlust an Narbendichte und Rasenqualität zu vermeiden. Aber ich habe mich letztendlich für die Lust am Experiment entschieden. Ich glaube, diese Kombi aus der Lust, Dinge auszuprobieren, der Notwendigkeit, Sportflächen optimal zu nutzen, und dieser Begeisterung für den Sport in der Rosenau ist dann die Gemengelage, die zur Neuausrichtung geführt hat. Diese Lust Neues auszuprobieren, steht auch für meine Haltung als Referent.

„Wer Klimawandel sehen will, kommt an den Eiskanal“

AJ: Der Eiskanal hatte dieses Jahr große Wasserprobleme. Wie geht es da jetzt weiter?

Enninger: Wer den Klimawandel beobachten will, kommt an den Eiskanal. Wir hatten im ersten Halbjahr dieses Jahres doppelt so viele Trockentage wie im schlimmsten Jahr der Vergangenheit. Wir arbeiten mit Hochdruck an Lösungen. Es gibt zwei Optionen. Entweder zwei Bauwerke errichten, die das Wasser stauen und so den Großteil der Wasserknappheit einfangen. Das ist eine günstige und sehr effektive Variante. Die teurere Pumplösung wäre eine aufbauende Weiterentwicklung, die allerdings deutliche Eingriffe zur Folge hätte.

AJ: Wie meinen Sie das?

Enninger: Mein Vorschlag wäre tatsächlich, erstmal diese Staubauwerke zu errichten und zu beobachten, wie es sich dann entwickelt. Da wir damit einen Großteil der Trockenheit abbilden können, wäre das Risiko gering. Man vergibt sich also nichts, weil man die Bauwerke auch für die Pumpenvariante bräuchte. Wir können damit starten, und falls sich die Situation verschärft, könnten wir die Pumpanlage immer noch bauen und wären immer noch rechtzeitig dran für die Olympiade 2040. Bis zur Umsetzung dauert es aber mindestens zwei bis drei Jahre, da wir die notwendige Kanalauskehr abwarten müssen. Kurzfristig bleibt uns eine situative Abstimmung mit Uniper, die bisher immer gut funktioniert hat.

AJ: Ein Blick in die sportliche Zukunft: Wie stehen Sie zu dem Konzept, mit München die Olympischen und Paralympischen Spiele 2040 auszurichten?

Enninger: Ich sehe das Projekt erstmal sehr positiv. Die Bewerbung ist stark, weil sie auf Nachhaltigkeit setzt. Augsburg wird mit Kanu und Fußball eine Rolle spielen. Zusätzlich haben wir auch vorgeschlagen, ähnlich wie in Paris, innerstädtische Flächen anzubieten, um den Sport in die Stadt zu bringen. Die deutsche Entscheidung, in der noch drei andere Städte teilnehmen, fällt im Herbst nächsten Jahres. Ich setze darauf, dass wir mit München+ den Zuschlag bekommen.

AJ: Wäre so eine Strahlkraft nicht auch von der Frauen-EM 2029 ausgegangen?

Enninger: Olympia setzt für den Breitensport und die Stadtentwicklung viel umfangreichere Impulse. Die Entscheidung gegen die Frauen-EM hatte einfach mit der Finanzierung zu tun. Viel Geld für eine Sportart bei kritischem Feedback von allen, die mit der Frauen WM 2009 damals befasst waren. Deshalb ist es uns wichtiger, sich um die Vereine hier vor Ort zu kümmern, die Frauenfußball anbieten, etwa über Projekte wie Mädchen an den Ball.

Jürgen Enninger: „Die Theatersanierung ist alternativlos“

AJ: Kommen wir zum Staatstheater. Das ist ja auch ein großes Politikum in Augsburg. Was sagen Sie zur Diskussion um die Kosten?

Jürgen Enninger: Was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist dieses Reden von einer Kostenexplosion. Der Baureferent hat klar nachgewiesen, dass das eine indexierte Kostenentwicklung ist. Die Kosten haben sich von 320 auf 417 Millionen Euro gesteigert und da werden sie auch bleiben. Wichtig ist: 75 Prozent der förderfähigen Kosten fördert der Freistaat. Außerdem ist das Projekt praktisch alternativlos. Denn die Alternative wäre eine Baugrube vorne am Kennedyplatz. Es ist kein Luxusprojekt, sondern etwas, was notwendig war und 2030 endlich fertig sein wird. Nach Fertigstellung fragt keiner mehr, wie viel es gekostet hat. Theater in der Stadt ist Voraussetzung für eine gelingende und eine wirtschaftlich erfolgreiche Stadt. Ich denke, auf Basis der neuen Architekturvorschläge können wir uns jetzt freuen. Freuen auf die Vision eines neuen kulturellen Herzens im Zentrum der Stadt mit großer Wirkung weit über Augsburg hinaus.

AJ: Sie haben Ihr Amt im Dezember 2020 angetreten. Wie blicken Sie auf die ersten zwei Jahre zurück, die komplett von der Pandemie geprägt waren?

Enninger: Es war ehrlich gesagt furchtbar. Man fängt völlig neu in der Stadt an und schaut nur auf Kacheln. Wir haben dann das Programm „Augsburg bewegt“ gestartet und unsere gesamte Arbeit auf Dienstleistungen für die Vereine umgestellt. Teilweise war es dann auch durchaus unterhaltsam, dann die Personen, die man zuvor nur online kannte, im echten Leben zu sehen, da ich mir die Körpergröße teils anders vorgestellt hatte. Insgesamt sind die Vereine aber recht gut durch die Zeit gekommen, das sieht man an den verhältnismäßig starken Mitgliederzuwächsen. Die Kanu-WM war zum Ende dieser Zeit ein wichtiges Signal für den Aufbruch. Ich weiß genau, wie es ist, wenn man keine Events und Veranstaltungen machen kann, keine Menschen trifft – das will ich nie wieder haben.

„Mein Glas ist immer Halb voll“

AJ: Vereine und Opposition werfen Ihnen teils „Schönreden“ vor, wenn Projekte sich verzögern. Wie begegnen Sie diesem Eindruck?

Enninger: Mein Glas ist immer halb voll. Ich bin mit der oberbayerischen „Mia san Mia“-Haltung aufgewachsen. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein kann unserer Stadt nicht schaden, und das würde ich gerne von mir mit auf Augsburg übertragen. Ein Staatstheater zu bauen, ein Schwimmbad zu bauen, gleichzeitig noch an ein römisches Museum zu denken. Dazu die Sport- und Kulturförderung kontinuierlich weiterzuentwickeln, das machen aktuell nicht alle Städte in Bayern. Darauf können wir stolz sein.

AJ: Sie schauen in die Glaskugel: Möchten Sie Ihr Amt als Kultur- und Sportreferent über das Ende der Legislaturperiode hinaus fortführen? Und was wären die Top-Projekte?

Enninger: Natürlich möchte ich das Amt weiterführen. Dem dafür notwendigen Prozess begegne ich aber mit großer Demut, denn die Personalfragen kommen nach der Wahl nach den inhaltlichen Fragen. Meine Top-Projekte wären: Das Spickelbad eröffnen und die Erhard-Wunderlich-Halle sanieren aber auch den Sport- und Bäderentwicklungsplan weiter engagiert umzusetzen. Im kulturellen Bereich wären es das Römische Museum und das Brecht-haus, und ich würde gerne einen Welterbelauf ohne Starkregen erleben. Ich brenne für die Menschen in den Stadtteilen, in Kultur und Sport. Daher möchte ich gern die Stadtteilförderung ausbauen und die Stadt noch mehr für ihr Welterbe begeistern.

AJ: Letzte Frage: Sind Sie in Augsburg heimisch geworden oder könnten Sie sich auch eine Rückkehr nach München vorstellen?

Enninger: Augsburg ist zu meiner Heimat geworden. Es war für mich eine neue schöne Erfahrung, aus der Haustür zu gehen und erkannt zu werden. Damit musste ich umgehen lernen. Auch politisch habe ich mich klar zu Augsburg bekannt.

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