Augsburg Journal: Herr Hofmeister, warum sind Sie nicht Bademeister geworden?
Maximilian Hofmeister: Wieso fragen Sie?
AJ: In einer Verhandlungspause des Schmiergeld-Prozesses gegen Politiker-Sohn Max Strauß scherzten Sie: Sollten die beiden flüchtigen Hauptdarsteller der Affäre, Ex-Staatssekretär Holger Pfahls und Waffen-Lobbyist Karlheinz Schreiber jemals der Justiz in die Fänge gehen, würden Sie Ihren Dienst quittieren und Bademeister werden. Letztlich hatten Sie alle Beteiligten als Vorsitzender Richter im Zeugenstand oder auf der Anklagebank…
Hofmeister: Mit meinen Kollegen der 10. Strafkammer waren wir monatelang nahezu täglich mit den juristischen Problemen des Verfahrens gegen Max Strauß unter höchster medialer Aufmerksamkeit wegen der Parteispenden-Affäre beschäftigt. Das war ganz schön stressig. Und wir wussten, was dann auf uns zukommen kann. Da träumt man dann spaßhalber schon mal von Sonne, Wasser und gesunder frischer Luft im Allgäu.
AJ: Es sind jetzt 20 Jahre her, dass Sie, wie die SZ berichtete, als Vorsitzender der Wirtschaftskammer „Augsburg zur Prozess-Hauptstadt Deutschlands“ machten. Altkanzler Kohl und die CDU-Spitzenpolitiker Schäuble, Genscher, Kinkel, Kiep sowie ehemalige Schatzmeister und Generalsekretäre der CSU wie Stoiber, Waigel, Tandler, Huber, Wiesheu, Faltlhauser und Wöhrl – alle mussten Ihnen im Millionen-Prozess Rede und Antwort stehen. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?
Hofmeister: Zunächst fand ich es von allen sehr respektvoll gegenüber der Gerichtsbarkeit, dass sie nach Augsburg gekommen sind. Nach der Strafprozessordnung hätten die Politiker sich auch an ihrem Amtssitz vernehmen lassen können. Natürlich war der Auftritt von Altkanzler Kohl beeindruckend. Er erklärte, dass er endlich vor einem Gericht öffentlich sagen konnte, dass seine Regierung nicht bestechlich war. Die Tagesschau berichtete danach: „Der Pulverdampf der Weltpolitik lag über dem Gericht!“
Zehn Jahre Ermittlungen
AJ: Zehn Jahre investierte die Augsburger Justiz in die staatsanwaltlichen Ermittlungen. Als Richter mussten Sie die Inhalte von 30.000 Seiten in 175 Aktenordnern im Kopf haben. Und dann noch Vernehmungen im Ausland, wie zum Beispiel im Fürstentum Lichtenstein und in der Schweiz. Wie schafft man das?
Hofmeister: Zum einen muss man von dem, was man tut, überzeugt sein und es muss einem Befriedigung verschaffen. Zum anderen hatte ich mit meinen Richterkollegen Eberhard Etter und Stephan Knöpfle zwei hervorragende Juristen an meiner Seite. Und zum dritten waren alle zuständigen Mitarbeiter des Landgerichts Augsburg (Geschäftsstelle, Wachtmeister u.v.A.) auf das Verfahren fokussiert.
Der Fund eines Steuerfahnders
AJ: Wichtigste Beweisstücke waren zwei Tischkalender von Karlheinz Schreiber. Darin Eintragungen über Treuhandkonten mit Decknamen. Es ging vor allem um die Zahlung von Provisionen für den Verkauf von Airbus-Flugzeugen nach Thailand und Kanada sowie um Panzerlieferungen nach Saudi- Arabien in Höhe von 5,2 Millionen DM. Im Fall Strauß floss das Geld zunächst auf das Konto „Master“, das die Ermittler FJS zurechnen, nach dessen Tod gingen die Zahlungen auf das Konto „Maxwell“, ein klares Indiz in Richtung Sohn Max. Bewusst und gewollt wurden laut Anklageschrift keine Steuern dafür bezahlt. Wie kam das Gericht an die Kalender und wie gelang es, die Decknamen zu enttarnen?
Hofmeister: Ohne die beiden Tischkalender hätte es den Schreiber-Komplex wohl nie gegeben. Sie wurden bei einer Durchsuchung entdeckt. Allein dem Steuerfahnder Winfried Kindler war es zu verdanken, dass die Eintragungen zugeordnet werden konnten. Er entschlüsselte nach der Beschlagnahme in mühevoller Kleinarbeit stichhaltig die Notizen.
AJ: Sie hatten als Richter ja schon einmal Erfahrungen mit einem brillanten Beweismittel gegen Max Strauß. Nur ist damals aus bis heute nicht bekannten Gründen die Computer-Festplatte während des Verfahrens spurlos verschwunden. Hatten Sie nicht Bedenken, dass dies auch mit den Kalendern passieren könnte?
Streng bewachte Beweismittel
Hofmeister: Nein. Wenn die Kalender ins Gericht gebracht wurden, hat ein Wachtmeister diese aus dem Safe geholt und auch wieder zurückgebracht. Im übrigen gab es Kopien.
AJ: Wegen Steuerhinterziehung wurden 2001 bis 2004 schließlich Schatzmeister Kiep (45.000 DM), die Thyssen-Manager Maßmann (5 Jahre Gefängnis) und Haastert (2 Jahre) sowie Max Strauß (3 Jahre, 6 Monate) verurteilt. Abgesehen von dem Urteil gegen Holger Pfahls (2 Jahre, 3 Monate) hob der Bundesgerichtshof im Revisionsprozess alle Urteile der Augsburger Strafkammer auf. Max Strauß wurde später freigesprochen, Begründung: Ein Treuhandverhältnis zwischen Schreiber und Strauß sei nicht nachzuweisen. Als Gerichtsvorsitzender – wie groß war Ihre Enttäuschung über die BGH-Entscheidung? Teilen Sie gar die Meinung, das hätte ein parteipolitisches „Gschmäckle“?
Die aufgefundenen Notizen aus dem Kalendern von Karlheinz Schreiber, die das Verfahren in Gang brachten und eine zentrale Rolle im Prozess spielten.
„Nachweise sehr hoch gehängt“
Hofmeister: Natürlich halte ich unsere Entscheidung auch heute noch für richtig. Eine persönliche Enttäuschung ist fehl am Platze, da in einem Rechtsstaat immer die Möglichkeit der Überprüfung einer richterlichen Entscheidung möglich sein muss. Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an den Nachweis eines Treuhandverhältnisses allerdings sehr, sehr hoch gehängt. Letztlich ist Karl-Heinz Schreiber im Mai 2010, nachdem er sich 10 Jahre gegen seine Auslieferung aus Kanada gewehrt hatte, von einer anderen Strafkammer des Landgerichts Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt worden. Die SZ schrieb damals: „Damit ist ein Schlussstrich unter eine der spektakulärsten und langwierigsten Schmiergeld- und Korruptionsaffären der Nachkriegszeit gezogen worden.“
AJ: Herr Hofmeister, vielen Dank für den spannenden Rückblick.
Lesen Sie auch: Neues Leben aus Ruinen