Nötig oder weltfremd?
Wohl keiner in der Politik wird heutzutage (Stichwort Klimawandel) den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs in Frage stellen. Entsprechend kompliziert scheint es, aktuell den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Augsburg und Ulm zu diskutieren. Derzeit bezieht vor allem Augsburgs SPD-Chef Dirk Wurm Prügel, weil er angeregt hat, „nochmals genau hinzuschauen“. Augsburgs Bundestagsabgeordneter Volker Ullrich (CSU) warnt, „das Projekt zu zerreden.“
Worum geht es? Bundesweit soll der Schienen-Fernverkehr verbessert werden, wozu optimierte Verknüpfungen von Bahnstrecken an Knotenbahnhöfen wichtig sind. Zusammengefasst sind solche Überlegungen unter dem Begriff Deutschlandtakt. Gemäß dieser Vorgabe sollen Schnellzüge künftig zwischen Augsburg und Ulm nur noch 26 Minuten benötigen, während sie aktuell um die 40 Minuten unterwegs sind – auch weil die bestehende Strecke nicht einer direkten Verbindung folgt, sondern erst nach Süden bis Dinkelscherben „abschweift“, um dann einen Schlenker nach Norden in den Raum Offingen (bei Günzburg) zu machen. Eine „gerade Linie“ würde sich am ehesten erreichen lassen, wenn die Bahn künftig vor allem zwischen Günzburg und Augsburg mehr oder weniger entlang der Autobahn folgen würde.
Nachteil – oder Vorteil? In weiten Teilen müsste die Strecke komplett neu gebaut werden (teurer), vierspurig und möglichst ohne enge Kurven für Züge, die bis zu Tempo 300 fahren sollen. Das andere „Extrem“ der Ausbauplanungen: Ertüchtigung der Bestandsstrecke. Wegen eines geplanten vierspurigen Ausbaus müssten womöglich mancherorts Wohnhäuser entlang der Gleise abgerissen werden. Je nachdem, wie weit man darauf verzichtet, bliebe es streckenweise „nur“ dreispurig, so dass das 26-Minuten-Diktum in Gefahr gerät.
Der Augsburger SPD gehe es darum, gleichrangig die Ziele des Deutschlandtakts und der besseren Anbindung der Region an Augsburg zu betrachten. Und das gehe laut Wurm am besten, würde die bestehende Bahnstrecke ausgebaut und nicht eine neue Schnellbahntrasse an der Autobahn 8 erstellt. Weil: Die Region bliebe wohl an einer Neubaustrecke Zaungast. Beim Ausbau der Bestandsstrecke erwartet die SPD hingegen, dass quasi im Zuge des Schnellstrecken-Ausbaus auch Verbesserungen für den Nahverkehr in der Region herausschauen – bis hin zum seit Jahren gewünschten 15-Minuten Takt. Dabei, so Wurm, müsse es auch erlaubt sein, die – aus seiner Sicht eher politisch als fachlich – formulierte 26-Minuten-Vorgabe zu hinterfragen. Denn vielleicht komme man ja auch mit 30 Minuten Fahrzeit schnell ans Ziel.
Augsburg habe mit der ICE-Strecke über Ingolstadt in den 90er Jahren zahlreiche Verbindungen in den Norden und Westen Deutschlands verloren, merkt hingegen Augsburgs CSU-Chef und MdB Volker Ullrich an: „Jetzt gehe es darum, nicht abermals einen möglichen Ausbau der Bahninfrastruktur zu verpassen“. Eine neue Bahnstrecke Augsburg-Ulm sei eine große Chance für die ganze Region. Fragen zur Trassenwahl, Lärm- und Naturschutz sowie lokale Betroffenheiten müssten selbstverständlich intensiv erörtert werden. „Es ist daher nicht konstruktiv, das Projekt zu zerreden mit Vorschlägen, die nur dazu dienen, dieses Projekt zu verhindern.“
Dazu zählten auch Überlegungen, auf einen vielgliedrigen Aus,- bzw. Neubau zu verzichten oder die Fahrtzeit von 26 Minuten und so die Einbindung in den Deutschlandtakt in Frage zu stellen.
„Von der Ampel-Regierung in Berlin erwarte ich ein klares Bekenntnis zur Neubaustrecke Augsburg-Ulm. Das habe ich auch in einem Schreiben von dem neuen Bundesverkehrsminister Volker Wissing gefordert“, so Ullrich. Als „weltfremd“ wertet auch Augsburgs FDP-Kreisvorsitzender Ralf Neugschwender Wurms Äußerungen zum Bahnprojekt Augsburg-Ulm. Wer zum jetzigen Zeitpunkt noch einmal wesentliche Ziele des Projekts neu diskutieren wolle, habe nicht mitbekommen, dass dies bereits jahrelang passiert sei. „Wir Liberale stehen geschlossen zu dem Neubauprojekt.“
„Wenn eine neue ICE-Trasse mit enormem Mitteleinsatz entsteht, dann wollen wir Grüne eine Trassenvariante, welche die Ziele des Deutschlandtaktes einhalten kann und dabei möglichst viele Menschen flächenschonend und naturverträglich verbindet“, betont Grünen-Landtagsabgeordnete Stephanie Schuhknecht. Dass das Ergebnis eines solchen Prozesses nie nur Gewinner erzeugen kann, liege leider in der Natur der Sache. Die Grünen fordern u. a. Zusagen für weitere Halte entlang der möglichen Neubaustrecke und Regionalverkehre mit einem Regio-Schienen-Takt. „Nur wenn am Ende die ganze Region profitiert, wird dieses Projekt Erfolg haben.“
Ein „Aber“ und „Auch“ enthält eine Resolution, von OB Eva Weber gemeinsam mit den Landräten Martin Sailer (Augsburg), Hans Reichhart (Günzburg) und Thorsten Freudenberger (Neu-Ulm): „Der Deutschlandtakt mit einem zentralen Umsteigepunkt am Augsburger Hauptbahnhof ist von elementarer Bedeutung für die Anbindung an den Fernverkehr.“ Den kommunalen Spitzen ist auch wichtig, dass der Ausbau so verträglich wie möglich für Anrainer erfolgt. Auch fordern sie deutliche Verbesserungen im Nahverkehr.