Bankrotterklärung“, „Desaster“, „Theatergate“: Teile der Opposition im Augsburger Stadtrat verschärfen den Ton, was die Umstände der laufenden Theatersanierung anbelangt. Oberbürgermeisterin Eva Weber wird als ahnungslos und/oder desinteressiert dargestellt, muss sich vorhalten lassen, ihrem Amt nicht gerecht zu werden. Ausgangspunkt der Kritik ist eine weitere Tranche von 77 Millionen Euro, die für die Modernisierung des Augsburger Staatstheaters aufgewendet werden muss, sowie die geplante Ablösung des bisherigen Architekturbüros für das Projekt. Im Jahr 2017 begann die Sanierung des Gebäudes, das in seinen Grundzügen von 1876 stammt. Wurden anfänglich Baukosten von 186 Millionen Euro genannt, ist man mittlerweile bei 417 Millionen angekommen.
„Die Aussagen der OB zu den jüngsten Vorgängen um die Theater-Sanierung sind in sich widersprüchlich und verwundern doch sehr“, so SPD-Stadtratsfraktionschef Florian Freund. Einerseits gebe sie an, die Kündigung dringlich angeordnet zu haben, andererseits habe es sich um eine Entscheidung des Baureferenten gehandelt. „In der Folge heißt das doch, dass die OB entweder nicht gewusst hat, was sie da unterschreibt, oder aber, dass sie sich für das – neben dem Umbau des Hauptbahnhofs – größte Bauprojekt in Augsburg schlicht nicht interessiert. Beides wäre in ihrem Amt jedenfalls untragbar.“
Freund macht ein „Besorgnis erregendes Kommunikationsdefizit“ an der Stadtspitze aus. Die scheinbar fehlende Abstimmung innerhalb der Stadtregierung und die verspätete Information der relevanten Akteure – also des Kulturreferats als eigentlichem Bauherrn, der Intendanz und der die Stadtregierung tragenden Fraktionen – bei so entscheidenden Vorgängen wie der Kündigung des Theater-Architekten nennt er als Beispiel. Folge: Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungsprozesse werde stark untergraben.
Bezüglich der Ende Juli vom Stadtrat mehrheitlich befürworteten „angeblich unerwarteten Mehrkosten in Höhe von 77 Millionen“ erklärt Jurist Freund für die Rathaus-Opposition aus SPD und Freien Wählern: „Bereits zu diesem Zeitpunkt haben wir deutlich gemacht, dass sich diese hohen Kostensteigerungen nicht durch die angeblich gestiegenen Baukosten erklären lassen. Entsprechend haben wir dagegen gestimmt.“
Augsburger Staatstheater: „Verlust an Vertrauen und Zeit“
Vertrauensverlust hüben – wie von der Fraktion Bürgerliche Mitte im Augsburger Rathaus beklagt – Zeitverlust drüben, wie ihn die SPD-Fraktion aufgrund des geplanten Planer-Wechsels bei der Theater-Sanierung befürchtet: Die von der OB bisher dargelegten Begründungen für die Kündigung des Architekturbüros hätten nicht überzeugt und sie ließen mehr Raum für Spekulation, als dass sie tatsächlich Klarheit schaffen, kritisiert SPD-Fraktionschef Florian Freund. Die Behauptung, die Kündigung sei notwendig gewesen, um Schaden von der Stadt abzuwenden, erscheine auf dieser Grundlage „fast schon lächerlich“. Das Gegenteil sei der Fall: Nach der Kündigung werde eine europaweite Ausschreibung erforderlich sein, Dauer mindestens ein halbes Jahr. Danach werde sich das neu beauftragte Büro einarbeiten müssen und dafür Zeit brauchen. „Kosten wird das dann auch wieder mehr.“
Zwei Monate nach dem „Blankoscheck über 77 Millionen“, den die schwarz-grüne Stadtratsmehrheit der OB für das Theater ausgestellt habe, werde immer klarer, dass hier Beschlüsse vorweggenommen wurden, „um vom eigenen Versagen abzulenken.“ Freund: „Ob der Freistaat als Fördergeber bei diesem Trauerspiel am Ende mitbezahlen wird ist mehr als fraglich. Es entsteht der Eindruck, dass die Stadtregierung im Juli gelogen hat, was die eigentlichen Gründe für die Kostensteigerungen angeht.“ Dies mehr, nachdem kürzlich bekannt wurde, dass das Architekturbüro Achatz die Kündigung „nicht wie von der OB und ihrem Baureferenten behauptet“ akzeptiert habe, „also ganz offensichtlich auch in dieser Frage nicht die Wahrheit gesagt wurde.“
Gregor Lang: „Ein Wechsel des Architekturbüros mitten in der Sanierung wird zwangsläufig zu weiteren Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führen.“
Gregor Lang, baupolitischer Sprecher der Rathaus SPD, ergänzt: „Ein Wechsel des Architekturbüros mitten in der Sanierung wird zwangsläufig zu weiteren Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führen.“ Man müsse befürchten, dass der Stadt Augsburg ein weiteres finanzielles Desaster droht. Besonders ärgerlich wird diese Situation aus Sicht Langs für die vielen Eltern, die – mangels ausreichender öffentlicher Mittel – auf eigene Kosten die Schultoiletten ihrer Kinder sanieren müssen. „Diese Menschen fühlen sich zu Recht verhöhnt, wenn sie sehen, wie beim Prestigeprojekt Theatersanierung offenbar ohne Rücksicht auf Verluste agiert wird.“
SPD-Fraktionsstellvertreter und von OB Weber bei der Kommunalwahl 2019 geschlagener SPD-OB-Kandidat, Dirk Wurm, unterstreicht: „Die gesamte Sanierung des Staatstheaters ist leider ein Desaster. Endlos steigende Baukosten, fehlende Projektsteuerung und Intransparenz. Dafür muss die OB die politische Verantwortung übernehmen.“
Die kulturpolitische Sprecherin der Rathaus-SPD, Christine Wilholm klagt über Informationslücken und sorgt sich um die Zukunft der Beschäftigten des Theaters: „Wie sollen wir als Stadtrat denn damit umgehen, dass wir über die Hintergründe rein gar nichts erfahren? Wenn wir Probleme abstellen wollen, müssen wir sie doch zuerst benennen. Dazu ist die OB bislang entweder nicht bereit oder schlicht nicht in der Lage. Ausbaden müssen das die Beschäftigten des Theaters und die Augsburgerinnen und Augsburger, weil wir nicht ausschließen können, dass es in Zukunft so weitergeht.“ Fazit der Rathaus-Opposition laut Florian Freund: „Die Bürgerinnen und Bürger Augsburgs haben ein Recht auf vollständige Transparenz in dieser Angelegenheit. Wir fordern die Stadtspitze auf, endlich klare und ehrliche Antworten zu den Ursachen der Mehrkosten und den Gründen der Kündigung zu liefern – bevor weiterer Schaden entsteht.“
„Vertrauensvorschuss“ der Freien Wähler „aufgebraucht“
„Der Vertrauensvorschuss, den die Freien Wähler (FW) der Stadtregierung anfangs gewährt haben, ist restlos aufgebraucht“, stellen die Stadtratsmitglieder Regina Stuber-Schneider und Hans Wengenmeir in einem Statement klar. Gegen jede Warnung habe man sich auf ein überdimensioniertes Projekt eingelassen und schließe nun den Stadtrat vollkommen aus. Das habe mit „Schutz der Handlungsfähigkeit“ nichts mehr zu tun. Das sei die reine Flucht nach vorn. Stadtregierung sei nicht der illustre „Koalitionsausschuss“, sondern der Gesamtstadtrat als Kollegialorgan. Ein gemeinderechtliches Grundprinzip werde mit Füßen getreten. „Haben wir nun ein Theatergate – Aufklärung durch die Presse?“, so fragen sich die Freien Wähler, oder „doch ein Bermudadreieck“? „Wir hoffen immer noch auf eine sachliche Klärung der Affäre. Nur eine genaue Klärung des Sachverhalts gibt die Möglichkeit, es wenigstens in Zukunft besser zu machen. Die Freien Wähler sind zu jeder konstruktiven Zusammenarbeit auf Augenhöhe bereit, lehnen aber jede Art von Verschleierungstaktik ab.“
Nicht zuletzt meldete sich auch der Bund der Steuerzahler in Bayern mit einer Anfrage an Oberbürgermeisterin Eva Weber zu Wort. Und bittet um Aufklärung jener Tatbestände, die zwar öffentlich diskutiert, aber noch nicht öffentlich bekanntgemacht worden seien, wie etwa die Kostenmehrung, die geplante Trennung vom bisherigen Generalplaner oder zu erwartende Bauzeitverlängerungen.
„Wie stehen Sie zu dem zumindest uns gegenüber geäußerten Vorwurf, die Generalsanierung des Augsburger Staatstheaters entwickle sich zu Lasten der Augsburger Steuerzahler zu einem ,Fass ohne Boden´?“, so die Vizepräsidentin des Bundes, Maria Ritch.
Lesen Sie auch: Was für ein Theater: Kultur- & Baureferent im Interview zur Augsburger Staatstheater-Baustelle