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Freitag, 29. März 2024

Messerstich war kein Mord…

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Tod an der Haltestelle Angehörige des Opfers lassen Gerichts-Urteil überprüfen

Ein Streit, eine kurze Rangelei und plötzlich ein Messerstich. Stefan D. wurde aus dem Leben gerissen. Der 28-Jährige starb im November an einer Bushaltestelle in Pfersee. Für seine Angehörigen und Freunde war das ganz klar Mord. Auch die Augsburger Staatsanwaltschaft sah dies so und klagte die Täterin Fabienne K. (20) entsprechend an. Doch die Jugendkammer des Augsburger Landgerichts, unter Vorsitz von Richter Lenart Hoesch, sah dies anders und verurteilte die junge Frau wegen Totschlags zu sieben Jahren und zehn Monaten Haft. Die Angehörigen von Stefan D. können diesen Schuldspruch nicht fassen und lassen das Urteil überprüfen.
Wie es zu dieser Bluttat kam, konnte im Gerichtsprozess nicht genau geklärt werden. Alkohol und Drogen hatten bei den Beteiligten die Wahrnehmung und Erinnerung erheblich getrübt. Zeugenaussagen blieben so nur ungenau.
Nach Ermittlungen der Polizei war Fabienne K. mit ihrem Freund und einem weiteren Kumpel an der Wertach. Dort wurden Alkohol und Drogen konsumiert. Auf dem Rückweg zur Wohnung kam das Trio an der Bushaltestelle vorbei, wo Stefan D., der „Dorschi“ genannt wurde, mit Freunden Alkohol trank. In der Wohnung berichtete der Freund von Fabienne, dass ihn jemand an der Haltestelle an den Hintern gefasst habe. Die Drei beschlossen, dass sie sich das nicht gefallen lassen und gingen zur Haltestelle zurück. Es gab Wortgefechte und Gerangel. Fabienne K. hat ihr Taschenmesser aus ihrer Handtasche genommen und aufgeklappt in ihre Jackentasche gesteckt.
Bei der Rangelei habe sie Angst um ihren Freund gehabt. Als ihr dann Stefan D. zu nahe kam, sei sie in Panik geraten und habe zugestochen. Der Stich war sehr wuchtig. Die Lederjacke von „Dorschi“ bot keinen Schutz. Das Messer drang zehn Zentimeter tief in die Brust ein und traf das Herz. In wenigen Minuten ist der 28-Jährige verblutet. Die Ersthelfer hatten keine Chance.
Für diese Tat hatte Staatsanwalt Thomas Junggeburth eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und zwei Monaten wegen Mordes gefordert. Es gelang jedoch nicht zweifelsfrei nachzuweisen, dass der Messerstich heimtückisch erfolgt ist. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt.
Nach Ansicht des Gerichts handelte die Täterin nur mit bedingtem Vorsatz. Zudem kann eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden. Die Angeklagte sei vollständig geständig, einsichtig und zeige Reue. Die Freiheitsstrafe sei „persönlichkeitsgerecht“, betonte Jugendrichter Lenart Hoesch. Im Gefängnis habe die junge Frau die Möglichkeit zum Abschluss ihrer Ausbildung als Friseurin und damit eine Startchance zurück in die Gesellschaft. Verteidiger Werner Ruisinger hält das Urteil für gerecht und betont: „Das ist keine geringe Strafe“. Seine Mandantin leide unter massiver Persönlichkeitsstörung und habe bei der Tat in Panik überreagiert.
Mutter und Bruder von Stefan D. wollen sich mit dem Urteil nicht abfinden. Auch wenn es Stefan nicht mehr zurückbringt, die Tat muss als Mord gewertet werden. Aus ihrer Sicht sei im Prozess die Täterin mehr als Opfer dargestellt worden. Ihre Anwälte Michael Weiss und Nicolas Frühsorger legen Revision am Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein.

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