Vorhang zu für das Probespieltraining: Der rot-weiß gemusterte Raumtrenner, der noch aus einer Opernaufführung stammt, dient neben der Auslosung der Reihenfolge dazu, das Probespiel möglichst anonym und fair zu halten, erklärt Orchestermanager Richard Mayr. Und obwohl der Vorhang heute nur der Übung dient, sind die Akademisten trotzdem nervös.

Zehn junge Musikerinnen und Musiker haben den Sprung in die neu gegründeten „Orchesterakademie Paul Ben-Haim am Staatstheater Augsburg“ geschafft.

„Hier gefällt‘s mir sehr gut, es ist ein sehr familiäres Orchester, ich wurde sehr gut aufgenommen“, schwärmt wie viele seiner Mitstreiter etwa Trompeter Nicolai Wagener.

Viele der Akademisten studieren noch und pendeln regelmäßig nach Augsburg. Im Vergleich zu den bisherigen Praktika soll die zweijährige Ausbildung „längerfristig und fest strukturiert“ sein, so das Staatstheater. „Neben dem Orchesterspiel, bei welchem auf Augenhöhe mit den Augsburger Philharmonikern musiziert wird, erhalten Akademiemitglieder Probespieltraining sowie Auftrittsmöglichkeiten in Kammermusik- und Akademiekonzerten, außerdem die erforderliche Vor- und Nachbereitung. Dazu gehört Einzelunterricht bei Mitgliedern der Augsburger Philharmoniker, das Proben mit Klavier, Ganzkörpertraining (z.B. Feldenkrais) und nicht zuletzt Mentaltraining, welches sich häufig als Schlüssel zum Erfolg herausstellt“, heißt es weiter.

Mentaltraining oft Schlüssel zum Erfolg

Den Mentaltraining-Workshop gab es bereits im Oktober. Mentaltrainerin und Auftrittscoach Felicia Terpitz reist für die Workshops aus Lüneburg an. „Da nehme ich gern die Fahrt auf mich. Es ist spannend, über die ganze Saison die jungen Leute zu begleiten“, sagt die Trainerin. Ihr erstes Mentaltraining hatte die Violinistin selbst erst im Rahmen der Mentaltrainer-Ausbildung 2020. Sie weiß: Die Sache werde im Studium nur manchmal thematisiert. „Bei den Berufsmusikern kommt Mentaltraining als Thema, aber langsam, und definitiv nicht genug.“ Die Akademisten, die vorher in Österreich studiert hatten, brachten zum Beispiel schon mehr Vorkenntnisse als ihre deutschen Kollegen mit.

Beim Probespiel-Training heute geht es etwa darum, in der Prüfungssituation keinen plötzlichen Leistungseinbruch zu haben. „Das hat nichts mit dem spielerischen Niveau zu tun“, erklärt Terpitz. „Aber macht den Unterschied aus, ob ich eine Stelle bekommen kann, die dem eigenen Niveau entspricht.“

Bei den echten Probespielen ist Terpitz nicht dabei. „Ich versuche, jetzt so viele Tools und Methoden anzubieten, damit die jungen Leute bereit sind, das umzusetzen.“

Und, wie lief‘s? Cellistin Hannah von Glasow erklärt: „Für mich war es schon schwer, weil ich seit dem letzten Probespiel in Augsburg eine lange Pause hatte. Als ich mehrere Probespiele hintereinander hatte, hatte ich mehr Routine.“ Die 25-Jährige hatte sich auch schon selbst Unterstützung von einem Mentaltrainer geholt.

Mentales Training ist eine Methode aus dem Leistungssport. Und wie bei der Elfmeter-Situation im Fußball, kann man auch den musikalischen Auftritt mit mentalem Training besser meistern.

Sich die Auftrittssituation vorstellen, jedes Szenario und Detail durchgehen: Das üben die jungen Musiker mit Terpitz. „Vom spielerischen Niveau bin ich sehr beeindruckt“, sagt sie. „Aber mancher hat noch nie darauf geachtet, wie er das Reinkommen, Begrüßen, den Weg zum Notenständer gestaltet.“ Deswegen war auch das Begrüßen eine explizite Aufgabe, und „sich als erwachsene Profis zu verkaufen, die sie ja auch sind“, so die Trainerin.

Fühlen sich die jungen Musiker dann auch schon als diese Profis? „Nein, weil ich noch lange nicht da bin, wo ich hinwill“, sagt etwa Tim Vögele (Schlagwerk) „Man geht es seit dem Studium professionell an. Aber da gibt es schon Kollegen, die das professioneller angehen. Es ist ein langer Prozess.“

Nach der Probespielsituation mit persönlichem Feedback der Kollegen sprechen die jungen Musiker auch mit der Mentaltrainerin über ihre Probleme, Ängste und Schwierigkeiten.

Was sie ihnen vor allem mit auf den Weg geben will: „Das Wesentliche ist das Selbstvertrauen: Ich kann selber etwas daran ändern, wie es mir in dieser Situation geht und muss gewisse Ängste und Blockaden nicht als gegeben hinnehmen.“ Typische Stressgedanken wie „Ich glaub, ich schaff das nicht“ seien in jedem Menschen vorhanden. „Manche haben gelernt, damit umzugehen.“ Es sei auch fair, wenn alle diese Fähigkeiten gelehrt bekommen.

Die Akademisten haben alle bereits Probespiele hinter – und vor sich. Fagottistin Sai Miyahara schon in wenigen Wochen. Die 26-Jährige sagt, sie habe die mentale Methode heute schon angewandt. Trompeter Nicolai Wagener meint: Jedes Mal wieder vor Leuten zu spielen, helfe. Aber: „Für mich bleibt es eine Simulation, so ein echtes Probespiel kann man nicht zu 100 Prozent simulieren.“ Und Hornist Joan Bocquet war zwar vor dem Training nervös. „Ich nehme den Stress als Challenge, um gut zu spielen.“

In der neuen Reihe der Akademiekonzerte stellen sich die jungen Musiker dem Publikum vor. Start ist am Sonntag, 26. Januar 2025 um 18.30 Uhr im Schaezlerpalais.

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