Die Vogelgrippe H5N1 sorgt weltweit für Besorgnis. Insbesondere in den USA und Südostasien werden immer wieder Infektionen beim Menschen gemeldet, nun war das erste Todesopfer des Virus zu beklagen. Im Augsburger Zoo wurden zudem Vögel positiv auf das Virus getestet. Wir fragten beim Augsburger Experten, Prof. Dr. Reinhard Hoffmann, dem Direktor des Instituts für Labormedizin und Mikrobiologie am Universitätsklinikum, nach. Er klärt über die Risiken der Vogelgrippe, den aktuellen Stand der Forschung und die mögliche Gefahr einer erneuten Pandemie auf.
AJR: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage bezüglich der Vogelgrippe weltweit ein? Gibt es Grund zur Besorgnis?
Prof. Dr. med. Reinhard Hoffmann: Infektionen beim Menschen mit von Vögeln stammenden Influenzaviren werden derzeit hauptsächlich aus den USA (66 Fälle in zehn Staaten, Stand 2. Januar 2025) und Kanada (Einzelfälle) und Südostasien (vor allem Kambodscha, Vietnam und Laos) gemeldet. Es handelt sich also um einzelne Fälle und nicht um ein epidemisches oder pandemisches Geschehen. Laut europäischer Gesundheitsbehörde gibt es bislang keine Fälle in Europa.
AJR: In den USA wurde kürzlich der erste Todesfall eines Menschen durch H5N1 gemeldet. Wie ungewöhnlich ist es, dass das Virus auf den Menschen übergeht?
Prof. Hoffmann: Sehr ungewöhnlich und selten. Dafür scheint ein enger Kontakt zu infizierten Tieren oder eine hohe Exposition auf anderem Wege der Grund zu sein. Das hat damit zu tun, dass die sogenannten aviären (vom Vogel stammenden) Stämme Rezeptoren brauchen, die sich beim Menschen (anders als bei Geflügel) in den tiefen Regionen des Atemtraktes verstecken und damit nicht so leicht von außen zugänglich sind. Allerdings gibt es Hinweise für eine fortgesetzte Virusevolution, die in Zukunft zu einer besseren Anpassung an den Menschen als Wirt führen könnte.
AJR: In Augsburg wurden kürzlich im Zoo Vögel positiv auf das Virus getestet. Wie gefährlich ist das für Besucherinnen und Besucher?
Prof. Hoffmann: Ich würde hier überhaupt keine besondere Gefährdung für Besucher sehen, da normalerweise kein direkter und intensiver Kontakt zwischen Zootieren und Besuchern stattfindet.
AJR: Ist die Vogelgrippe in Deutschland und Bayern derzeit ein größeres Problem, als es in den vergangenen Jahren der Fall war?
Prof. Hoffmann: Laut Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) nehmen die Ausbrüche in den Geflügelhaltungen und die Fälle bei Wildtieren seit September zu. Daten zum langjährigen Verlauf müsste man vor einer Beurteilung zunächst vertieft ansehen.
AJR: Wie erfolgt die Übertragung des Virus vom Tier auf den Menschen? Gibt es eine besondere Gefährdung für Menschen, die engen Kontakt zu Vögeln haben?
Prof. Hoffmann: Die Übertragung erfolgt wie bei der „normalen“ Grippe auch durch Tröpfchen und Aerosole. Allerdings ist aufgrund der nicht vollendeten Anpassung des Virus an den Menschen als Wirt eine Infektion nach Virusübertragung selten. Menschen mit engem Kontakt zu infizierten Tieren haben natürlich ein erhöhtes Risiko.
Vogelgrippe: Schwere Verläufe sind möglich
AJR: Wie gefährlich ist das Virus für den Menschen? Gibt es bestimmte Risikogruppen, die besonders anfällig sind?
Prof. Hoffmann: Menschliche Infektionen sind sehr selten, können aber schwer verlaufen. Die Risikogruppen für einen schweren Verlauf entsprechen der normalen Grippe: Senioren, Schwangere und Menschen mit einer chronischen Grunderkrankung haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe.
AJR: Kann sich die Vogelgrippe zu einer Pandemie entwickeln, ähnlich wie wir es bei COVID-19 erlebt haben?
Prof. Hoffmann: Bislang sind meines Wissens nach keine Fälle bekannt geworden, in denen das Virus von Mensch zu Mensch übertragen worden wäre. Daher ist die Entwicklung einer Pandemie derzeit nicht zu erwarten.
AJR: Welche Symptome treten bei Menschen auf, die sich mit H5N1 infiziert haben?
Prof. Hoffmann: Die Symptome entsprechen denen einer Grippe oder einer tiefen Atemwegsinfektion mit Beteiligung der Lunge. Konjunktivitis, Fieber, Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit, Husten, Halsschmerzen und möglicherweise Atemnot etc.
AJR: Was raten Sie Menschen, die in der Nähe von Vögeln arbeiten oder Haustiere wie Hühner halten?
Prof. Hoffmann: Die üblichen Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, um den eigenen Bestand vor Infektionen durch Wildvögel zu schützen.
Maßnahmen, um eine Infektion zu vermeiden
AJR: Gibt es präventive Maßnahmen, die die Bevölkerung ergreifen sollte, um eine Ansteckung zu vermeiden?
Prof. Hoffmann: Bezogen auf die Gesamtbevölkerung nein. Tot aufgefundene Wildvögel sollten natürlich nicht angefasst werden. Bei bestehenden Erkältungssymptomen können die „alten“ Corona-Regeln helfen, Infektionsketten zu unterbrechen: Abstand halten, Maske tragen, Hygienemaßnahmen wie Husten in die Ellenbeuge beachten.
AJR: Gibt es derzeit Impfstoffe gegen H5N1? Falls ja, wie weit verbreitet sind diese?
Prof. Hoffmann: Es gibt spezielle Impfstoffe. H5N1 ist in den üblichen saisonalen Impfstoffen nicht enthalten. Bei Menschen mit intensivem Kontakt zu Geflügelbeständen oder Wildvögeln wird zur Impfung gegen die saisonale Grippe geraten, um Co-Infektionen vorzubeugen.
AJR: Wie sieht die Behandlung von Patienten aus, die sich mit der Vogelgrippe infiziert haben? Gibt es bereits erprobte Therapien?
Prof. Hoffmann: Es werden die üblichen Influenza-Therapien (Neusaminidase-Hemmer z.B. Oseltamivir) verwendet. Ob diese Therapien bei der aviären Influenza gleich effektiv sind wie bei der humanen Influenza, ist nach aktuellem Stand der Forschung unklar.
AJR: Sind in Augsburg und der Region bereits Fälle von Vogelgrippe bei Menschen aufgetreten?
Prof. Hoffmann: Nein, in ganz Europa nicht.
AJR: Wie gut ist das Klinikum Augsburg auf einen möglichen Ausbruch der Vogelgrippe vorbereitet?
Prof. Hoffmann: Wir sind gut vorbereitet, mit den Erfahrungen der Covid-Pandemie können wir die notwendigen Maßnahmen schnell umsetzen.
AJR: Gibt es spezielle Vorsorgemaßnahmen, die in Augsburgs Krankenhäusern und Arztpraxen bereits getroffen wurden?
Prof. Hoffmann: Da es in ganz Europa noch keine menschlichen Fälle gibt, gibt es hierfür keine Veranlassung. Das Wichtigste ist sicher, dass die primär behandelnden Ärzte daran denken und ggf. mit uns, der Infektiologie oder den entsprechenden Laboren in Kontakt treten.
AJR: Wie wahrscheinlich ist es, dass das Virus weiter mutiert und ansteckender für Menschen wird?
Prof. Hoffmann: Das ist möglich, bisher gibt es noch keine Hinweise darauf, dass das tatsächlich passiert.
AJR: Können wir aus der COVID-19-Pandemie Lehren ziehen, die uns im Umgang mit der Vogelgrippe helfen?
Prof. Hoffmann: Wenn es zu einer einfachen Übertragbarkeit des Virus von Mensch zu Mensch kommen sollte, werden die Erfahrungen in der Covid-Pandemie sicher helfen, schnell die entsprechenden Strukturen, Behandlungs- und Therapie- und Vorsorgemaßnahmen einzuleiten. Gerade einfache Maßnahmen zum eigenen Schutz vor Infektionen (Maske tragen, Abstand halten, bei Vorerkrankungen bei sich ausbreitenden Infektionswellen Ansammlungen von Menschen meiden) sind seit der COVID-Pandemie bekannt und sollten uns allen noch gut in Erinnerung sein. Sollte es zu einem pandemischen Krankheitsgeschehen kommen, sind wichtige Maßnahmen und Strukturen zur Anpassung lokaler Versorgungskapazitäten noch erprobt und könnten bei Bedarf rasch reaktiviert werden.
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