„Meine Frau Stephanie hat durch das Feuer ihren Job verloren. Das Geschäft, in dem sie gearbeitet hat, ist zerstört“, berichtet der gebürtige Augsburger Nicolas Neidhardt (61) über seine Wahrnehmung der verheerenden Brände in seiner Wahlheimat Los Angeles. „Wir sind daheim zum Glück nicht direkt betroffen, sehen und riechen aber den Rauch des Feuers. Der Himmel ist orange-gelb eingefärbt und die Luft ist richtig schlecht. Viele Freunde und Geschäftspartner haben Häuser und allen Besitz verloren. Das ist diesmal wirklich eine Katastrophe historischen Ausmaßes“, so der Musikunternehmer im Filmgeschäft, der auch viele Partner in Hollywood hat. Schätzungen zufolge wurden mehr als 12 000 Gebäude in der Region zerstört oder beschädigt, 27 Personen starben, einige werden noch vermisst.

Nicolas Neidhardt hat seiner Augsburger Heimat nach dem Abitur am Anna-Gymnasium den Rücken gekehrt, ging 1983 nach Paris, um sich zum Profi-Musiker und Komponisten ausbilden zu lassen. Nach dem Studium von Jazzklavier und Arrangement zog er 2009 in die USA. Zuerst nach New York, wo er in der New Yorker Webster Hall sowie in Clubs in Brooklyn und im East Village Musik machte, sein zweites Soloalbum fabrizierte und unter anderem mit der gebürtigen Augsburger Regisseurin Marianne Hettinger zusammenarbeitete. Zwei Jahre später dann der Umzug an die Westküste, wo er mit Ehefrau Stephanie und Sohn Sacha (20) im L.A.-Stadtteil Culver City lebt.
Sein ältester Sohn, der in Nürnberg wohnt, machte ihn vor gut einem Jahr zum Opa. „Das traf sich gut, ich war nämlich sowieso zur Premiere von ‚Chantal im Märchenland‘, einem weiteren Streifen der ‚Fack ju Göhte‘-Macher, in München,“ freut sich der jugendliche Großvater über Enkelin Noemi.

Die Mitarbeit am Chantal-Film, der mit 2,7 Millionen Besuchern im letzten Jahr Deutschlands zweit-erfolgreichster Kinofilm war (nach „Die Schule der magischen Tiere 3“ – mit 2,9 Millionen Zuschauern) hat ihm viel Spaß gemacht. Obwohl es eine echte Challenge war. Neidhardt: „Die Macher haben mich zwei Monate vor der Premiere ins Boot geholt – da fehlten noch 40 Minuten Filmmusik. Mit vier Komponisten im Team haben wir’s aber hingekriegt!“

Auch sonst boomt sein Business gerade. Dank neuer Partner expandiert sein Geschäft mit Musik für Filme, Trailer und Werbung spürbar. „Mein Kompagnon sitzt in Florida, ich habe mein Homeoffice in L.A. – da hat der Arbeitstag durch die Zeitverschiebung gleich mal drei Stunden mehr. Und zusätzlich arbeiten noch 15 Freelancer als Komponisten für uns nach Bedarf – und der steigt merklich“, beschreibt Neidhardt seinen „American Dream“, der da gerade in Erfüllung geht.

Auch wenn er die ganz großen Hollywood-Blockbuster wohl nicht mehr komponieren wird, „weil ich nicht den traditionellen Weg eines Hollywood-Komponisten gegangen bin“, so spielt das Thema Filmmusik, wie der Erfolg mit „Chantal“ gezeigt hat, doch weiterhin eine große Rolle. Neidhardt: „Meine Lebenserfahrung und mein multikultureller musikalischer Werdegang ermöglichen es mir, Geschichten auf eine ganz besondere Weise musikalisch zu erzählen.“ Eine Kunst, die er auch bei den Trailern für Erfolgsfilme wie „Mission Impossible“ oder „Captain America“ unter Beweis stellt, indem er in 2,5 Minuten eine unglaubliche Dynamik – „von ganz düster bis volle Pulle“ – musikalisch rüberzubringen versteht.

Bayerische Radiohörer dürften aller Wahrscheinlichkeit auch schon einmal – unbewusst – eine Komposition von Nicolas Neidhardt gehört haben. Seit knapp zehn Jahren liefert er nämlich regelmäßig Musik- und News-„Betten“, die Melodien im Hintergrund, für den Bayerischen Rundfunk. „Das will ich auch noch ganz lange weitermachen“, so der Plan unseres Augsburgers in L.A..

Bei der Premiere auf dem roten „Chantal im Märchenland“-Teppich: (v.li.) Nicolas Neidhardt (Komponist/LA), Andreas Dittrich (Musikproduzent/München) und ein weiterer „Chantal“-Komponist, Marvin McMahon, der aus Kaufering stammt und jetzt in Schweden wohnt.

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