Die Rassismus-Debatte um die Winnetou-Verbote hat Augsburg erreicht. Fred Beringer ist ein Cheyenne. Der Augsburger Indianer führte hier ein Lokal. Heute braut er Bier im Kreis Aichach-Friedberg. Erstmals schaltet sich der Präsident des Indian Culture Club in die Debatte um die Aneignung der indigenen Kultur ein.
Von Annabell Hörner und Andreas Bouloubassis
Entspannt sitzt Fred „Berry“ Beringer in seinem Vorgarten in Hofhegnenberg (Kreis Aichach-Friedberg). Girlanden, indianische Dekorationen, ein Tipi-Gestell und eine Feuerstelle zieren das kleine Stück Grün. Am Lagerfeuer kocht der 78-Jährige, der auch „Brave Eagle“ (Kühner Adler) genannt wird, seinen beliebten „Indianer-Eintopf“. Was genau das ist, kann Berry schnell beantworten: „Da ist alles drin, was in einen Eintopf reingehört, aber weil ich ihn mache, ist es ein Indianer-Eintopf!“ Dazu trinkt man am besten Cheyenne-Bier, das Beringer selber braut. Nach dem bayerischen Reinheitsgebot natürlich.
Gar nicht nach dem Geschmack des Halbblutes aus dem Volk der Cheyenne ist die aktuelle Debatte um Winnetou-Verbote und kulturelle Aneignungen. Wie soll man auch verstehen, dass Konzerte verboten werden, weil weiße Musiker eine Frisur mit Rastalocken tragen?
Beringer wundert sich, dass in Deutschland zuletzt der Verlag Ravensburger den Verkauf des Buches „Der junge Häuptling Winnetou“ stoppte, weil Aktivisten der sogenannten „Woke“-Bewegung (auf Deutsch: „Wachsamkeit“) das Buch rassistisch finden und meinen, die Winnetou-Geschichten würden indigene Völker durch Stereotype diskriminieren.
„Lasst den Kindern ihren Winnetou“, fordert Beringer. Zur aktuellen Debatte kann er nur den Kopf schütteln. „Lasst den Kindern ihre Vorstellungen, lasst den Kindern das Schöne“, findet er. „Das wahre Leben kommt schnell genug“.
Dass die romantische Darstellung im Film wenig mit der Realität gemeinsam hat, müsse dem Zuschauer natürlich trotzdem bewusst sein. „Ich sehe das locker“, sagt Berry. Er legt in seinen Erzählungen und Vorträgen, die er auch schon in Augsburger Kindergärten hielt, eher Wert darauf, über die Lebensweise und die Kultur seiner Vorfahren zu sprechen – die „dunkle Seite“ der Kolonialisierung und Vertreibung spart er dabei bewusst aus.
Mit seiner Kritik an der „Woke“-Bewegung ist Beringer nicht alleine. „Es ist falsch, dass Verlage und Sender – aus Sorge vor Kritik einzelner – Winnetou verbannen“, erklärte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Damit spielte er auf die ARD an, die künftig keine Winnetou-Filme ausstrahlen wird. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungs-Institutes YouGov halten 68 Prozent der Deutschen die Verbannung Winnetous für falsch.
Halbblut Beringer, seine Mutter ist eine Cheyenne-Indianerin aus Wyoming, sein Vater Deutscher, spielte selbst mit in einem bekannten Kino-Film: „Der Schuh des Manitu“ mit Bully Herbig. Als er dort zum Set erschien, wurde er von Herbig höchstpersönlich mit „Indianer!“ begrüßt, woraufhin er mit „Servus“ antwortete. Damit lieferte Berry den Ursprung des kultigen „Servus, Indianer!“-Ausrufs.
Trotzdem bleibt er auch ernst. „Es ist schade, dass in Amerika die indigenen Völker noch nicht so behandelt werden, wie es sich gehört. Sie werden dort immer noch unterdrückt.“ In Deutschland sei das glücklicherweise anders. „Hier sind alle meistens sehr freundlich zu mir“, erzählt Berry.
Augsburger Indianer: In seinem Restaurant gab es Klapperschlange
Das war schon so, als er noch in Augsburg lebte. Hier eröffnete er das Restaurant „Der Indianer“, welches schnell zu einem Erfolg wurde. Denn nirgends sonst in der Umgebung gab es eine derartige Speisekarte, auf welcher unter anderem Klapperschlangen-Fleisch angeboten wurde. Richtig gehört: Schlangensteaks! Aber auch abgesehen von der kulinarischen Besonderheit kommen die Leute gerne zu Berry. Heute zwar nicht mehr in das Restaurant – denn zwischenzeitlich hat es ihn doch aufs Land in die weite Prärie zwischen Augsburg und Landsberg gezogen.
Die aktuelle Entwicklung der Rassismus-Debatte hat er in seinem Haus in Hofhegnenberg gar nicht mehr verfolgt. Das Augsburger Vorzeigehotel „Drei Mohren“ benannte sich nach massiver Kritik aus der „Woke“-Bewegung nach über 500 Jahren in Hotel „Maximilian‘s“ um.
Aktuell steht das Denkmal von Hans-Jakob Fugger (1516-1575) auf dem Augsburger Fuggerplatz im Fokus „wacher“ Aktivisten. Wegen der Verstrickung in den Sklavenhandel vor hunderten von Jahren forderte eine Würzburger Gelehrte, die Stadt Augsburg solle entscheiden, ob die Statue des Förderers der Wissenschaft und der Künste entfernt werden müsse. Sollte das Denkmal stehenbleiben, regte Privatdozentin Dr. Heike Raphael-Hernandez die Aufstellung einer Kommentartafel an, die auf die Verwicklung hinweise oder ein Gegenstück zur Statue. Dass die Fugger vor 500 Jahren das weltberühmte Sozialprojekt Fuggerei geschaffen und seitdem finanzieren, wird nicht erwähnt.
Der „Kühne Adler“ kann da nur sein weises Haupt schütteln und widmet sich stattdessen den Dingen, die er liebt. Beim Besuch des Augsburg Journals in dem Haus in Hofhegnenberg auf halber Strecke Richtung Landsberg erzählt er von seinem selbst kreierten Bier.
Seit 2010 braut Beringer das „Cheyenne Beer“. Die Kunst der Gerstensaft-Herstellung erlernte er während seiner Ausbildung zum Koch und hat seitdem eine Schwäche dafür. Mittlerweile braut er in seinem Ein-Mann-Betrieb verschiedene Craft-Biersorten. Das Chief-Bier und das leichte Pils mundete dem Augsburger Reporter-Team hervorragend. Im Übrigen eignet sich das Bier mit den einzigartigen Etiketten im rustikalen Holzträger mit Sicherheit gut als Geschenk für den ein oder anderen Bier-Fan.
Sein kleines Haus mit Garten hat Beringer mit viel Liebe und Zeit in ein wahres Schmuckstück verwandelt. Es dient ihm als Wohnhaus, verfügt aber auch über ein kleines „Stüberl“ mit Tresen, Sitzmöglichkeiten und jede Menge indianischen Kunstwerken. Hier findet auch der Verein Indian Culture Club Cheyenne mit rund 100 Mitgliedern sein Domizil. Die Mitglieder kommen aus der Gegend, aber auch aus Augsburg, München oder aus dem Allgäu.
Präsident Fred „Berry“ Beringer öffnet jeden Freitag seine Tür für die Clubmitglieder. Und einmal jährlich veranstaltet der Cheyenne einen „Indian Summer“. In diesem Jahr findet das Fest am 17. September ab 16 Uhr statt. Was genau dort gemacht wird? „Gegrillt und getrunken, da brennt die Luft“, lacht der Indianer. Im Übrigen braucht man für die Veranstaltung keine Anmeldung, man kann einfach vorbeikommen.
Wer also mal aus nächster Nähe einen echten Indianer kennenlernen möchte, kann sich die spannenden Geschichten anhören, die der sympathische „Berry“ erzählen kann. Bei einem frischen Cheyenne Beer und hausgemachtem „Indianer-Eintopf“ kann man indianisches Flair genießen und die seltsame Debatte um kulturelle Aneignung und Rassismus-Vorwürfe für ein paar Stunden ausblenden.