Dr. med. Frank Reuther

Wer so etwas tut, der will niemanden schädigen, sondern der will selbst Anerkennung erfahren, indem beispielsweise über seine Taten öffentlich berichtet wird. Sollten die mittlerweile mindestens 20 Würfe der Steinewerfer auf vorbeifahrende Autos auf der Bundesstraße 2 nördlich von Augsburg das Resultat von Frustbewältigung sein?

Dr. Frank Reuther, Leiter der Kliniken für Neurologie und Psychiatrie am Bundeswehrkrankenhaus in Ulm und erfahrener Gerichtsgutachter, kennt die generelle Problematik, die hinter dem lebensgefährlichen Tun steckt.

Polizei meldet weitere Stein-Anschläge auf der B2

„Nur“ zwei Verletzte: Eine Frau, die von einem Stein getroffen wurde, nachdem das Wurfgeschoss die Windschutzscheibe ihres Autos auf der Bundesstraße 2 bei Gersthofen durchschlagen hatte und eine Fahrerin, der von Glassplittern in die Hand geschnitten wurde, nachdem seine Windschutzscheibe bei Nordendorf nach einem Steinwurf zersplitterte. Es dürfte reines Glück sein, dass es bislang bei den Angriffen der Steinewerfer auf Fahrzeuge auf der autobahnähnlichen Straße nicht zu schlimmeren Unfällen mit Schwerverletzten oder gar Toten gekommen ist. Wie so oft bei Straftätern schrecke auch bei Steinewerfern & Co. die Aussicht auf hohe Strafen nicht ab, weiß Psychologe Reuther. Zuvorderst gehe es um einen Form der Selbstbestätigung, die aus derartigen Taten bezogen werde.

Beschädigtes Panoramadach des Audi

Wer Selbstbestätigung und Erfolg aus dem Beruf, seiner Familie, privatem Engagement erfahre, der begehe aus Sicht des Psychologen keine derartigen Straftaten. Wer mit so etwas nicht aufwarten könne, der suche sich ein anderes Feld, um dieses Defizit zu kompensieren. Und lande im schlimmsten Fall in der Kriminalität. Nicht selten seien Prominente nur deswegen angegriffen, gar umgebracht worden, weil der Täter berühmt sein wollte.

In einem ähnlichen Kontext seien aus psychologischer Sicht Taten der Steinewerfer zu sehen, falls nicht konkrete Forderungen, gar Erpressungen folgten. Für sogenannte Profiler sei es nicht schwer, jemanden zu beschreiben, auf den die begangenen Taten passen. Man werde feststellen, dass das, was Profiler beschrieben hätten, auf einen einmal dingfest gemachten Täter zuträfen. Der Umkehrschluss, durch sogenanntes „Profiling“ jemanden so konkret zu beschreiben, dass er festgenommen werden könnte, sei so gut wie unmöglich.
Denn dass Steinwürfe auf fahernde Autos lebensgefährlich sind, zeigt ein Blick in Presseberichte der vergangenen Jahre. Solche Berichte zeigen auch, dass Täter, wenn sie denn einmal ermittelt sind, drastische Strafen erwarten.

ADAC-Tipps Steinewerfer: So reagieren Sie richtig

Exemplarisch ein Fall aus Ellwangen im benachbarten Baden-Württemberg: Vor dem dortigen Landgericht Ellwangen musste sich in einem Prozess ein 37-jähriger Steinewerfer verantworten. Das Urteil: Neuneinhalb Jahre Haft wegen versuchten Mordes. Der Mann hatte im September 2016 einen schweren Betonpflasterstein auf die Autobahn 7 geworfen. Der Wagen einer vierköpfigen Familie war über den Stein gefahren und hatte sich mehrfach überschlagen. Ein Kind war aus dem Auto geschleudert worden, alle vier Personen wurden schwer verletzt. Die Mutter ist bis heute teilweise gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen.

Die einzige Lösung, die Anschlag-Serie auf der Bundesstraße 2 zu beenden, sieht Reuther in akribischer Polizei-Arbeit. Möglicherweise gelinge es ja, an einem Wurfgeschoss DNA festzustellen, die zu einem Täter führe.

Akribische Polizei-Arbeit, das ist es auch, womit die Polizei den Erfolg in der Angelegenheit suche, so Pressesprecher Markus Trieb. Es habe inzwischen mehrere Hinweise gegeben, die Bevölkerung helfe bei der Aufklärung der Taten mit. Bislang habe man aber noch keinen Tatverdächtigen im Visier. Welche „Visiere“ und wo die Polizei diese in Sachen Steinewerfer aufgestellt hat, das wird geheim gehalten, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.

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