Mit dem Motorrad in den Sonnenuntergang fahren. Das kann und möchte sich Stefan Bradl nach dem Ende seiner Karriere nicht vorstellen. „Das ist zwar ein schönes Bild, steht aber überhaupt nicht auf meiner To-do-Liste, ich bin froh, wenn ich nicht Motorrad fahren muss“, sagt der 35-Jährige im Gespräch mit dem Augsburg Journal. Sollte es doch zu diesem Bild kommen, dann eher auf vier, als auf zwei Rädern, denn Bradl ist gerade dabei, seine Leidenschaft für Oldtimer zu entdecken.
Schließlich hat der Zahlinger (Kreis Aichach-Friedberg) nach seinem Karriereende als aktiver Fahrer in der höchsten Motorrad-Motorsportklasse der Welt nun endlich etwas mehr Freizeit. In dieser ist er aber vor allem froh, auch einmal nichts tun zu können und Zeit mit seiner Familie zu verbringen. „Speziell die letzten drei Jahre waren schon heftig. Da war ich im Zwei-Wochen-Rhythmus permanent unterwegs, selbst über den Winter. Und jetzt ist es einfach mal schön, so wirklich vier, sechs Wochen nicht zum Flughafen fahren zu müssen oder mal keine Rennstrecke zu sehen und einfach ein bisschen Abstand zu gewinnen.“ Diesen Abstand hat er in den letzten Jahren selten gefunden, auch in der Winterpause nicht. „Man hat die ganze Szene ja doch immer so ein bisschen verfolgt, und ist immer mit einem Auge beim Sport. Hinter den Kulissen ist man permanent im Austausch und verfolgt die ganze Maschinerie, was da alles abläuft in der Entwicklung und so.“ Eine große Stütze war ihm in dieser Zeit seine Frau Jana. „Man muss da ein großes Lob an meine Frau aussprechen. Unsere kleine Tochter ist kürzlich drei Jahre alt geworden. Sie managt das Zuhause super und hält mir immer den Rücken frei.“
Die Frage, ob Bradl insgesamt zufrieden mit seiner Karriere ist, ist für den Moto2 Weltmeister von 2011 nicht so einfach zu beantworten. Denn: „Der Durchbruch in der MotoGP ist mir so in diesem Sinne nicht gelungen.“ 2012 startete Bradl zum ersten Mal in der höchsten Rennklasse und fuhr dort zumeist seinen italienischen und spanischen Konkurrenten hinterher. Seine beste Platzierung in der Moto GP war ein zweiter Platz beim Großen Preis der USA in Laguna Seca 2013. Insgesamt bestritt Bradl 219 Grand Prix Rennen, davon 131 in der Königsklasse – deutscher Rekord. Dennoch hätte es Luft nach oben gegeben. „Im Nachhinein ist es leichter zu sagen, es hätte einiges auch ein bisschen besser laufen können“, so Bradl. „Aber wenn man es jetzt mit der deutschen Brille betrachtet, wird es, glaube ich, keinen geben, der diesen Rekord zu meinen Lebzeiten knacken wird.“ Dies ist einerseits Ausdruck Bradls Karrierebilanz, andererseits aber auch dem mangelnden Nachwuchs in dieser Sportklasse geschuldet, erklärt der Experte.
Stefan Bradl unterstützt die jungen Fahrer
Selbst arbeitet Bradl bereits seit vier Jahren daran, dass sich die Jugend wieder mehr für den Sport begeistert. „Aktuell sieht es den Nachwuchs betreffend allerdings sehr düster aus“, bleibt der Sohn vom 1991er 250ccm Vizeweltmeister Helmut Bradl realistisch. „Das Interesse an der Sportart hält sich bei uns leider sehr in Grenzen. Es gibt wenig 20- bis 30-Jährige, die am Sonntagnachmittag sagen, ich muss jetzt nach Hause, weil ich MotoGP live schauen möchte.“ Trotzdem bleibt der Ex-Profi dran und hat in den vergangenen Jahren mit seinen Partnern, darunter Honda und Red Bull, etwas auf die Beine gestellt. „In den letzten Jahren war ich berufsbedingt selten vor Ort und habe eher im Hintergrund die Fäden gezogen.“ Das wird sich in den kommenden Monaten und Jahren ändern. „Ich habe gemerkt, es ist wichtig, den Jungen in die Augen zu schauen, auf die Schulter zu klopfen, da zu sein. Das ist der beste Support, den ich geben kann. Da hören sie auch zu und machen, was ich sage.“
Obwohl Bradl seine Sportler-Karriere offiziell beendet hat, bleibt er seinem bisherigen Team HRC Honda und damit auch dem Geschäft aber weiter als Testfahrer erhalten, wenn auch in geringerem Umfang. Zudem arbeitet er weiterhin als Experte beim österreichischen Sender Servus TV. Und daheim warten Frau und Kind, die Fahrt in den Sonnenuntergang kann warten.
Auch nach seinem Karriereende kehrt Stefan Bradl dem Rennsport nicht den Rücken. Neben seinem Engagement als Testfahrer wird er sich mehr dem Nachwuchs widmen.
Stefan Bradls Rekord von 219 Grand Prix Rennen wird so schnell wohl kein anderer Deutscher knacken.
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