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Konzert abgesagt und Schreckensnachrichten von der israelischen Familie – aber jüdischer Bandleader und sein Ensemble Feygele wollen den Kopf nicht hängen lassen

Christina S. Drexel und Josef Strzegowski im Garten des Kulturhauses Abraxas: Trotz der Absage freuten sich die Musiker, über ihre Leidenschaft sprechen zu können. Foto: Greif

Es sind denkwürdige Zeiten in Augsburg, wenn eine Israel-Flagge abgerissen und das Neujahrskonzert in der Synagoge wegen Sicherheitsbedenken abgesagt wird. Das Große Neujahrskonzert am 15. Oktober hätte das Highlight des Jahres für das Ensemble Feygele unter Leitung von Josef Strzegowski werden sollen. Wir sprachen mit ihm und Musikerkollegin Christina S. Drexel. Beim Gespräch im Kulturhaus Abraxas, wo das Ensemble Feygele probt, stand die Absage bereits fest.

Einmal sei es für das Ensemble eine menschliche Entscheidung gewesen, das Konzert abzusagen: Denn als es sich noch mal in Ruhe habe besprechen wollen, rief Strzegowskis Schwester, die mit Familie in Israel lebt, an – nachdem er zwei Tage lang versucht hatte, sie zu erreichen. Sie schilderte auf Lautsprecher die Situation vor Ort: die einzelnen Schicksale und den Ausnahmezustand. „Und dass sie eigentlich pausenlos Luftschutzmaßnahmen haben. Sie ist dauernd im Keller. Sie wissen gar nicht, wie sie arbeiten sollen“, erinnern sich beide Musiker.

Ohne Synagoge wäre es kein richtiges Neujahrskonzert geworden


Strzegowski lebte von 1989 bis 1997 selbst in Israel. Die aktuelle Situation habe auch zur Absage geführt. „Es geht nicht um einen Krieg. Es geht um Leben und Tod. Das muss man so klar und deutlich sagen“, sagt Strzegowski im Abraxas. Das Ensemble entschied sich für die endgültige Absage, auch gegen ein Friedenskonzert in der Situation. „Wie hätten wir das spielen können?“, erklärt Drexel. Die Absage habe verschiedene Reaktionen ausgelöst: „Sie verstehen es oder auch nicht“, so Strzegowski.


Dazu kam: Die jüdische Gemeinde habe Sicherheitsbedenken gehabt, auf die wollte das Ensemble Rücksicht nehmen. „Eine Synagoge ist natürlich das Herz des Neujahrskonzertes. Ohne Synagoge wäre das sowieso kein Neujahrskonzert mehr geworden“, erklärt Sängerin Christina S. Drexel. Bitter: Der Vorverkauf für die Veranstaltung in der Augsburger Synagoge in der Halderstraße sei sehr gut gewesen, nach einem halben Jahr Arbeit waren die Musiker bereit, die Flyer gedruckt, das Programm schon mit der Post auf dem Weg.

Die Feygele-Mitglieder sehen sich als Botschafter des interreligiösen Dialogs

2009 hatte der Percussionist Strzegowski das Augsburger Klezmerensemble Feygele (jiddisch für Vögelchen) gegründet. Die Musik, die Feygele spielt, kenne er teilweise noch aus seiner Kindheit: Von den Benzion Witler-Kassetten von seinem Vater etwa. Das siebenköpfige Ensemble spielt ein breites Programm, von Klezmer über israelische und jiddische Lieder. Auch Chansons aus dem 20. Jahrhundert etwa von Ofra Haza und Mickey Katz sind im Programm.


Christina S. Drexel dirigierte an der Wiener Staatsoper, beim Umzug nach Augsburg suchte sie nach einer Gruppe, wo sie als Hobby singen könne. In Wien hatte sie bereits Kontakt zu jüdischer Musik. Nach einem Besuch in der Synagoge und einem Gespräch mit Strzegowski lud er sie zu Feygele ein. Da sie selbst kein Jiddisch kann, übersetzte Strzegowski oft die Texte, damit Drexel den Inhalt ihres Gesangs kennt.

Das Ensemble sieht sich als Botschafter des interreligiösen Dialogs und des friedlichen Miteinanders von Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft. Drexel: „Wir wollten dem Publikum immer die Schönheit der jüdischen Musik zeigen.“ Trotz der Absage des Neujahrskonzertes gibt es bald etwas von Feygele zu hören: Am 12. November etwa ein Gesprächskonzert in Mindelheim. Daneben gibt das Ensemble Klezmer-Kurse für Schüler. Das Abschlusskonzert des dritten Kurses findet am 6. November statt. Auch ein Friedenskonzert planen sie, noch ohne Termin.

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