Wir haben uns mit den Neuzugängen beim Opernensemble in Augbsurg den Sängern, die bei „Eugen Onegin“ im Martini-Park zu hören sind, zum Gespräch getroffen.

Augsburg Journal: Shin Yeo, Sie haben bereits an anderen Opernhäusern gesungen, etwa in Hamburg. Warum haben Sie sich für Augsburg entschieden?

Yeo: Ich habe vor ungefähr zwei Jahren hier als Bass vorgesungen und dadurch zwei Gastengagements bekommen. Letzte Spielzeit habe ich zufällig mit Herrn Herzog gesprochen und er sagte mir, das Theater suche einen Heldenbariton, etwa für Onegin. Das war für mich eine große Herausforderung, ich hatte kein Selbstvertrauen. Aber ich wollte es trotzdem versuchen.

AJ: Und es hat geklappt. Sie spielen die Titelrolle, Eugen Onegin.

Yeo: Ja, tatsächlich, Ich bin aber nervös, weil ich es schaffen möchte. Im Traum singe ich immer und denke an die Partien aus dem Stück. Und meine Kollegen, wie Sung Min und Cecilia, singen so toll und ich lerne viel von ihnen.

Song: Er ist fantastisch! Wirklich. Wir sind aus Korea und Russisch ist so schwierig zu lernen. Auch die Aussprache ist total anders. Deutsch ist okay, Italienisch ist einfach. Französisch ist ein bisschen schwierig. Aber Russisch ist schon eine besondere Sprache. Und ich bin auch so begeistert von den anderen Kollegen, die singen auf Russisch wie Russen.

AJ: Wie würden Sie Ihre Rollen beschreiben? Ähneln Sie ihnen?

Song: Lenski ist ein Dichter, schreibt immer sehr romantische Dinge. Eigentlich ist er das totale Gegenteil von mir. Ich bin nicht so emotional. In Korea war ich Computer Engineer. Deshalb lebe ich eher wie ein Businessman oder ein Ingenieur, denke logisch, bin pünktlich. Lenski ist total anders. Der sagt plötzlich „Ich liebe dich“.

Yeo: Unsere Rollen sind das totale Gegenteil. Eugen spielt mit Menschen und er bleibt immer kalt. Aber interessanterweise wird er nach Lenskis Tod wie er. Er wird super emotional und dann sieht er auch noch den Geist von Lenski.

Sung min Song (links) und Shin Yeo in ihren Rollen als Lenski und Eugen Onegin. Foto: Jan-Pieter Fuhr

AJ: Welche Rolle wäre Ihr Traum?

Yeo: Ich überlege immer noch, was ich gut machen kann, weil ich noch nicht so lang als Bariton singe. Aber schon früher waren meine Traumrollen zum Beispiel alle von Wagner. Ich würde zum Beispiel gern den Wotan im Ring der Nibelungen singen.

AJ: Was fasziniert Sie an der Oper generell?

Yeo: Wenn man live sehr gute Sänger hört, begeistert einen das. Und natürlich ist Oper nicht nur Singen, sondern auch Orchester, Bühne, alles zusammen. Und heute gibt es viele interessante Inszenierungen, das macht sehr viel Spaß.

Gut angekommen im Opernensemble Augsburg

AJ: Wie gefällt es Ihnen hier am Staatstheater Augsburg?

Yeo: Die Menschlichkeit und Freundlichkeit hier finde ich sehr angenehm. Als ich vor zehn Jahren nach Deutschland kam, habe ich hier in Augsburg Deutsch gelernt. Und ich bin so froh, dass ich als Sänger zurückkommen kann, weil ich damals sehr oft das Theater am Kennedyplatz besucht habe. Und als Zuschauer damals wollte ich gern aufstehen und dort singen. Vielleicht klappt es ja dort zu singen, wenn die Bühne fertig ist.

Song: Ich bin letzte Spielzeit für zwei Produktionen eingesprungen. Und es gab auch einen privaten Grund: Meine Frau, die auch aus Korea kommt, hatte etwas Heimweh. Und Saarbrücken, wo wir lebten, ist eine tolle Stadt, aber da ist nicht viel los. Die Zugverbindungen waren auch schwierig. Und ich war ständig unterwegs, während meine Frau mit unserem Sohn zuhause blieb. Dann habe ich gesagt: Nein, so geht das nicht weiter. Wir müssen in eine größere Stadt umziehen. Wir haben in München studiert und kennen deshalb Bayern. Und Augsburg war davon nicht so weit weg. Am Staatstheater bin ich noch ziemlich neu, kenne noch nicht alle Kollegen. Aber mein erster Eindruck ist, das Orchester ist sehr gut. Die reagieren auch sehr gut auf den Dirigenten, werden zum Beispiel leiser, wenn er es will.

AJ: Herr Song, Sie haben Computertechnik studiert, bevor Sie Opernsänger wurden. Wie kamen Sie dann zum Singen?

Song: Als ich im Gymnasium war, habe ich schon viel mit dem Computer gemacht. Da wollte ich weiter studieren. Dann habe ich zweieinhalb Jahre studiert. Und in Korea habe ich in einem Amateur-Gospelchor gesungen. Ein Professor hat meine Stimme gehört und empfahl mir, mehr Unterricht zu nehmen. Damals war ich 24 und habe nicht so weit gedacht.

AJ: Also singen Sie trotzdem schon seit 15 Jahren?

Song: Ja, aber da müssen wir auch zwei Jahre minus rechnen, weil wir zwei Jahre Soldatendienst haben.

AJ: Und haben Sie auch eine Traumrolle, die Sie gerne mal singen würden?

Song: Das ist lustig, denn es gab die letzten 40 Jahre keine Wagner-Tenöre aus Asien. Außer vielleicht in kleinen Opernhäusern. Und letzte Spielzeit habe ich an der Komischen Oper Berlin in „‚Rusalka“ (Prinz) gesungen. Und der Intendant dort hat mir dann vorgeschlagen, im „Fliegenden Holländer“ den Erik zu singen. Das war auch für mich ein bisschen ein Risiko, weil ich kein Wagner-Tenor bin. Also, Wagner-Tenor ist nicht nur die große Stimme, sondern die Farbe. Das ist eine Spezialfarbe. Man braucht wirklich eine spezielle Farbe, spezielle Technik. Und mein Lehrer hat gesagt, wenn du das jetzt machst, kannst du nicht zurück.

AJ: Weil sich dann die Stimme ändert?

Song: Ja, genau. Also ich singe jetzt zum Beispiel, ich sage ein leichtes Fach wie Mozart. Tamino und solche Partien. In der Mitte gibt es zum Beispiel Verdi. Und dann gibt es noch Schwieriges wie Trovatore oder Aida. Ich werde in dieser Saison die Rolle des fliegenden Holländers „Erik“ an der Komischen Oper Berlin singen. Ich denke, dass es mir nach dieser Inszenierung schwerfallen wird, leichte Rossini- oder Mozart-Rollen mehr zu singen. Ich hoffe, in der Zukunft könnte ich vielleicht einen Wagner-Tenor singen. Einen Parsifal oder einen Lohengrin, das wäre vielleicht ein Traum.

AJ: Wollen Sie noch etwas sagen zum Einstand?

Yeo: Ich bin froh, dass ich hier bin.

Song: Oper ist ja eigentlich nicht unsere Kultur. Vielleicht werden sich einige Leute denken: Warum ein Lenski, warum ein Onegin aus Korea? Aber ich denke immer, wenn man besonders gut oder schön singt, dann vergisst man die Haut- oder Haarfarbe. Das ist unsere Verantwortung. Da müssen wir überzeugen. Und die Augsburger? Schauen wir mal, die werden uns antworten.
Interview: Julia Greif

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