Start People Ex-Minister Pschierer rechnet mit seiner CSU ab

Ex-Minister Pschierer rechnet mit seiner CSU ab

Franz Josef Pschierer

Ex-Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer wechselt von der CSU zur FDP – und rechnet ab

Von Walter Kurt Schilffarth

Mit 66 Jahren – da fängt sein berufliches Leben tatsächlich ein Stück weit neu an: Der in Augsburg geborene und im Allgäu aufgewachsene Franz Josef Pschierer hat nämlich nach 28 Jahren, die er für die CSU im Bayerischen Landtag saß, das politische Pferd gewechselt. Obwohl er als „schwarzer“ Finanz-Staatssekretär und später gar Wirtschaftsminister sogar am Kabinettstisch saß, engagiert sich der Politiker künftig ausschließlich für die Belange der FDP. Im AUGSBURG JOURNAL-Interview verrät der leidenschaftliche Posaunist die Hintergründe seiner Entscheidung.

AUGSBURG JOURNAL: Herr Pschierer, Sie haben mit Ihrem Austritt aus der CSU und dem Überwechseln zur FDP für die bayerische Polit-Bombe des Sommers gesorgt. Nach toller Karriere, fünf Jahren Staatssekretär, dann Wirtschaftsminister und anderen wichtigen Ämtern in der Regierungspartei ein Schritt, der für viele völlig unerwartet kam. Was ist da passiert?

Franz Josef Pschierer: Das ist das Ende einer längeren Entfremdung zwischen mir und der CSU. Der Knackpunkt war für mich das Verhalten der CSU im Rahmen der Bundestagswahl. Die CSU sollte sich über die Ampel-Regierung in Berlin nicht beschweren. Olaf Scholz und Robert Habeck haben ihren Wahlsieg zu einem beträchtlichen Teil auch der CSU und deren Umgang mit dem Unions-Spitzenkandidaten Armin Laschet zu verdanken. Ich habe das einfach schlicht und ergreifend als stillos empfunden. Hinzu kamen aber auch unterschiedliche Auffassungen, gerade im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Manches war hier nicht verhältnismäßig und wenig nachvollziehbar. Bayern hat hier zu Beginn den rigorosesten Kurs in Deutschland gefahren, der viele Gesellschaftsbereiche, darunter ganz besonders den Kulturbereich, vor größte Existenzprobleme stellte. Später kam dann die Rolle rückwärts. Mir hat bei der CSU einfach der klare Kurs gefehlt!

Franz Josef Pschierer und AJ-Herausgeber Walter Kurt Schilffarth

AJ: Jetzt galten Sie in letzter Zeit als ein Rebell in eigenen Reihen, der auch die zeitweise Unzufriedenheit mit dem Regierungsstil des Ministerpräsidenten artikuliert hat. Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Markus Söder?

Pschierer: In letzter Zeit könnte man es durchaus als „entspannt“ bezeichnen. Nachdem ich in der Vergangenheit mehrfach – auch öffentlich vernehmbar – Kritik am Regierungsstil geäußert hatte, haben wir uns im Frühjahr dieses Jahres wie erwachsene Männer in einem persönlichen Gespräch lange und intensiv ausgetauscht und dabei unsere Meinungsverschiedenheiten offen angesprochen. Ich habe mir erlaubt, darauf hinzuweisen, dass Bayern kein Königreich mit einem Alleinherrscher mehr ist, sondern eine parlamentarische Demokratie, in der man auch unterschiedliche Meinungen haben darf.

AJ: Als Wirtschaftsminister standen Sie nach der Wahl dem Koalitionspartner Freie Wähler im Wege, deren Vorsitzender Hubert Aiwanger Ihren Job wollte und dann auch bekam. Hat das Ihren Wechselplan beeinflusst?

Pschierer: Definitiv nein! Ich denke zwar nach wie vor dankbar und sehr zufrieden auf die Kabinettsjahre im Finanz- und Wirtschaftsministerium zurück. Mir war aber nach der Landtagswahl 2018 klar, dass es nach der Koalitionsbildung mit den Freien Wählern eng mit einer Kabinettsposition werden würde. Gleichwohl fiel mir der Abschied aus dem Wirtschaftsministerium natürlich nicht leicht.

AJ: Wie waren denn die Reaktionen Ihrer Parteifreunde und – was ein Unterschied sein könnte – Ihrer wahren Freunde und wie war die Meinung in der Familie nach dem Parteiwechsel?

Pschierer: Beginnen wir mit der Familie. Die hat ja im Laufe der Jahre alle Höhen und Tiefen, alle Querelen, Intrigen und was sonst noch lief mitbekommen und zeigte jetzt vollstes Verständnis. Angst hatte ich vor der Reaktion meines 89-jährigen Vaters, der – noch bevor ich ihn anrufen konnte – die Meldung aus den Nachrichten erfuhr. Ich werde nie seine spontane Reaktion auf meinen Anruf vergessen: „Respekt, mein Junge! In meinen Augen hast Du alles richtig gemacht. Bleib‘ Dir treu!“ Wenn man von den sogenannten „echten Freunden“, z.B. beim Tennis, beim Schafkopf oder am Stammtisch, sprechen will, war die Resonanz unisono positiv, getreu dem Motto: Echte Freundschaft und Parteibuch haben nichts miteinander zu tun. Das hat mich gefreut und tut in solchen Stunden auch gut. Was manche frühere Parteifreunde angeht, darüber schweigt allerdings des Sängers Höflichkeit.

AJ: Sie sind ja auch noch Landesvorsitzender der Mittelstandsunion. Wie geht’s denn da weiter?

Pschierer: Selbstverständlich habe ich mit meinem Wechsel dieses Amt unmittelbar an die Partei zurückgegeben, um ihr die Möglichkeit zu geben, zeitnah einen Nachfolger zu finden. Ehrlich gesagt: Dieser Abschied fiel mir schwer, weil ich mich in meiner gesamten politischen Laufbahn und Arbeit immer ganz besonders dem bayerischen Mittelstand und seinen Betrieben, in Handwerk, Handel, in der Industrie und im Dienstleistungssektor verpflichtet fühlte. Gerade jetzt steht der Mittelstand vor riesigen Herausforderungen: Energiepreise, Fachkräftemangel, gebrochene Lieferketten, eine überbordende Bürokratie und vieles mehr machen gerade den familiengeführten Betrieben das Leben täglich schwerer. Ich werde auch künftig Anwalt, Förderer und Unterstützer unseres heimischen Mittelstands sein. Und hier sehe ich gerade in der FDP mit ihrem klaren ordnungspolitischen Kurs und einem Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft sehr gute Möglichkeiten, die Interessen und Belange des Mittelstands zu vertreten.
Zudem habe ich einen engen Draht zum Bund der Selbständigen in Bayern, wo ich selbst auch seit vielen Jahren Mitglied bin, und werde meine Erfahrungen hier einbringen.

AJ: Wenn man fast 28 Jahre Mitglied im Bayerischen Landtag ist, also ein von den Bürgern gewählter Volksvertreter ist, haben Sie jetzt mit 66 schon vom Parlamentarier-Leben geistig Abschied genommen oder freut man sich in der FDP, Sie auf einem aussichtsreichen Listenplatz- back to the roots – als schwäbisches Aushängeschild für die nächste Legislaturperiode?

Pschierer: Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich mich bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode mit allen meinen Kräften für die Belange meines Stimmkreises Kaufbeuren einsetzen werde. Es gibt also kein Ausruhen. Ich werde mich auf jeden Fall im Landtags- und Bezirkstagswahlkampf im nächsten Jahr aktiv für die FDP einbringen. In welcher Form das geschehen wird haben wir aber noch nicht konkret besprochen. Ich werde mich hierbei nicht vordrängen und jungen, aussichtsreichen Kandidaten der FDP auch nicht im Wege stehen.

AJ: Sie sind in Augsburg geboren. Aber auch mit Wohnsitz in Mindelheim wurden Sie als Vertreter Augsburger Interessen in der Regierung sehr geschätzt. Worauf sind Sie besonders stolz?

Pschierer: Es gibt bei mir starke Verbindungen zur Region und zur Stadt Augsburg: Neben meiner Geburt in Haunstetten etwa das Studium der Politik- und Sozialwissenschaften an der damals noch jungen Uni Augsburg, oder mein beruflicher Einstieg 1984 am Schmiedberg im Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Handwerkskammer Augsburg mit den Kollegen Rolf von Hohenhau und Johannes Hintersberger. Wir „drei von der Kammer“ haben vieles bewegt. Als schwäbisches Kabinettsmitglied war es mir wichtig, die Verbindung der Augsburger Stadtspitze zur Staatsregierung ganz neu aufzustellen. Das persönliche enge Verhältnis zwischen Horst Seehofer und Kurt Gribl hat es mir leicht gemacht, Augsburger Projekte voranzubringen, z.B. das Uni-Klinikum, das auch Max Strehle tatkräftig gegen große Widerstände in München unterstützt hat. Oder auch, gemeinsam mit Kurt Gribl, die Projekte Theatersanierung, Mobilitäts-Drehscheibe/Königsplatz, Förderungen im Museumsbereich, Schulsanierungen. Besonders stolz bin ich darauf, auch Zukunftsthemen für die Augsburger Wirtschaft auf den Weg gebracht zu haben: Technologiezentrum, Künstliche Intelligenz, neue Kohlefaserverbundwerkstoffe, Unterstützung der Luft- und Raumfahrtindustrie und vieles mehr. Derzeit blicke ich aber durchaus mit Sorge in die Zukunft. Gerade für die energieintensiven, produzierenden Bereiche in der Region Augsburg sind die stark gestiegenen Energiepreise eine enorme Belastung. Wir müssen alles tun, um diese Arbeitsplätze zu erhalten.

Franz Josef Pschierer mit einer Posaune.

AJ: Letzte, ganz persönliche Frage: Wie relaxen Sie in der Freizeit und welches Instrument spielen sie als Präsident des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes?

Pschierer: Nach wie vor die Posaune im „Bezirks-Oldie-Blas-Orchester“ im Unterallgäu (BOBO) mit rund 50 aktiven Musikerinnen und Musikern. Wir proben regelmäßig und treten natürlich auch bei den verschiedensten Gelegenheiten auf, zuletzt bei zwei Benefizkonzerten zugunsten des Kinderhospiz in Bad Grönenbach. Privat übe ich natürlich auch zuhause – nicht immer zum Wohlgefallen der Familie und unseres Vierbeiners. Nach wie vor habe ich große Freude am Präsidentenamt beim Allgäu-Schwäbischen Musikbund und sehe mich in dieser Funktion nicht als Solist, sondern als Mitglied eines großen Orchesters. Gegen die Disharmonien im täglichen Leben ist die Harmonie im Orchester immer wieder wohltuend – für Herz und Gemüt!

Augsburg Journal: Happy Birthday, Alt-OB Paul Wengert

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